Meyer, Roland. den décken, dommen dudu

Die Pubertät ist ein PC

d'Lëtzebuerger Land vom 04.08.2005

Didier Dusseldorfer, genannt Dudu, lebt mit seiner geschiedenen Mutter allein. Die vier "D" in seinem Namen stören ihn ganz gewaltig, auch die in seinem Kosenamen: den décken dommen dudu. Dudus Mutter arbeitet als Verkäuferin beim Metzger. Dudu ist Legasteniker und "vollfett". Er isst gerne und viel, und heimlich schluckt er Motilium und Immodium gegen seine Bauchschmerzen. Von der Mutter wird er mit Süßigkeiten und Tiefkühlkost überhäuft. Die Geschichte ist in Form von 27 Dokumenten geschrieben, die Dudu in den Computer tippt und seinem Schulpsychologen, dem Herrn Jamminet, für jede Stunde jeweils auf Diskette gespeichert, zu lesen gibt. Ein nachdenklicher Junge, der die Welt der Erwachsenen mit ebensoviel Humor wie Skepsis betrachtet. Der Autor Roland Meyer stellt anhand der Anekdoten, von Dudu geschrieben, ein psychologisches Profil des Jungen auf. Dudu durchschaut so Manches. Sein Kommentar zum bevorstehenden Gewaltpräventionstag an der Schule: Jetzt setzen sie Regeln auf, damit die Kinder die Regeln, die es schon gibt, auch einhalten. Dudu besucht den "modulaire", weil er dumm und faul ist, so sagt es die Lehrerin der Mutter. Dudu sieht das jedoch ganz anders: Er ist der Meinung, er habe keinen Platz mehr auf der Festplatte seines Computers für Vokabeln und Verben, weil er so Vieles über andere Dinge weiß, zum Beispiel über die Urmenschen. "Intelligenzbestien", so nennt er Carmen, seine schlanke Schwester, bekommen nur deshalb gute Noten, weil ihre Festplatte leer ist und sie Platz haben, alle möglichen Verben und Vokabeln zu speichern. Außerdem riechen alle Carmens nach Pferd. Mit dem vorliegenden Buch wendet sich der Lehrer sowie Kinderbuch- und Theaterautor Roland Meyer in erster Linie an Eltern und Schulpersonal. Dem Autor ist eine geschickte, kritische und gut stilisierte Auseinandersetzung mit dem Thema Schule, mit Bravo, Pubertät und Ausgrenzung gelungen. Viel direkte Rede wird verwendet, und Roland Meyer lässt es sich nicht nehmen, alteinheimische Ausdrücke in Kombination mit der Sprache der Jugend gekonnt zu nutzen. So weist der Autor unübersehbar auch Einiges an Nostalgie auf, widmet er doch quasi ein ganzes Kapitel der Beschreibung eines "Schapp", dem gewölbten Keller und der Schreinerwerkstatt. Insgesamt ist Roland Meyers Schreibstil direkt und nüchtern, der Autor meidet jegliches Stimmungsbarometer. Die Tage sind nüchtern beschrieben mit: "Haut war e schéinen Dag, haut war en ustrengenden Dag." Ein weiteres Opfer von Ausgrenzung ist "Kréimesch Tunn". Jeder meidet ihn, er selbst hält viel von Frau Dusseldorfer, obwohl diese ihrem Sohn von Kréimesch Tunn abrät. Mag sein, dass Dummheit, gäbe es sie denn, etwas mit Schweigen zu tun hat. Als man Dudu verdächtigt wegen einer eingeschlagenen Tür, sagt dieser einfach nichts. Er möchte nicht petzen, denn der, der es war, ist nun sein vermeintlicher Freund. Ihm hat er sein Geheimnis mit Ginette, für die Dudu schwärmt, verraten. Nach und nach gewöhnt sich Dudu an, seiner Mutter zu erklären, er habe eine Depression, so braucht er nicht mit zu "Tatta Änder" oder zur Schule. Langsam schleichen sich Essstörungen ein. Anfänglich eine leichte Lektüre, entwickelt sich die Geschichte jedoch zu einem schwer verdaulichen Brocken. Dudu wird von andern Kindern geschlagen - sein Kommentar: Sie hätten ja Recht! Gang und gäbe, und ganz und gar aus der realen Schulwelt gegriffen: Dudu muss Roby Geld bezahlen für dessen Freundschaft. Auch Carmen ist mittlerweile am Ende, sie schlägt Dudu, den "Fettsaack", der jetzt ganze 100 Kilo wiegt. Dudu erklärt sich auch dies: Carmen ist halt in der Pubertät. Obwohl ihm klar, dass Erwachsene diese Redewendung benutzen, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Der Höhepunkt im Spannungsbogen der ganzen Geschichte: Dudu beschreibt in einem Aufsatz mit viel Fantasie, wie es dazu kam, dass er die Tür einschlug. Man sucht nun nach einer Tatwaffe, einem Messer, und Dudu ist zunächst mächtig stolz auf seine erfundene Geschichte. Die Lügengeschichte wird von allen Seiten her weitergesponnen und verästelt sich nach und nach zu einem Krimi.

Roland Meyer: den décken dommen dudu; Kannerbuch fir erwuesse Leit; Op der Lay, 2005; 128 Seiten, 9,50 Euro; ISBN 2-87967-115-9.

Carmen Heyar
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