Giftpflanze

Ein Sträußchen Bärenklau

d'Lëtzebuerger Land vom 15.08.2014

Männer in Schutzanzügen wühlen sich beherzt durch unwegsames Gebiet. Sie schlagen sich durch zwischen dicht behaarten Stämmen mit baumlangen Blättern, auf denen sich melonenschwere Dolden hypnotisch im Sommerwind wiegen. Die können sofort jeden bestäuben und betäuben, und andere schreckliche Waffen auffahren, wahrscheinlich die Waffen einer Frau. Alle wehrtüchtigen Männer sind aufgebrochen, selbst Knaben und Greise haben sich auf den Weg gemacht, um den grünen Drachen zu erlegen, der mit seinem Feueratem Verderben ins Land bringt. Davon geht Kunde landauf, landab. Das Volk flüstert es sich zu, manchmal schreit einer, der zu nahe kam. Der jüngste Müllerssohn ist auch ausgezogen; es ist ihm eine Prinzessin versprochen worden, wenn er es schafft, es gibt ja noch eine, oder?

Fuß um Fuß, Zoll um Zoll kämpfen sie sich durch und weiter ins feindliche Gebiet. Dort, wo der Titan oder die Titanin des Urwalds herrscht. Zwei Geschlechter hat der oder die nämlich auch noch, zumindest grammatikalisch. Die Menschen in den Schutzanzügen haben sich fest vorgenommen, das Land von der Plage zu erlösen. Sie werden den Feind ausrotten. Mit Stumpf und Stiel. Sie haben eine Mission. La lotta continua.

Sie kommt aus dem fernen Kaukasus, munkelt Mann. Sie muss doch eine Frau sein, so zäh und unverwüstlich, wie sie auf unserm geizigen Boden Fuß gefasst und es zu was gebracht hat. Zumindest zu einem Haufen Nachkommen. Was sie nicht alles überwunden hat: Grenzen, Zölle, Mauern! Und wie anpassungsfähig sie ist, anspruchslos auch noch, bescheiden, eigentlich eine Mustermigrantin. Muss nicht der Bridel sein. Ist schon zufrieden mir einer Bahnböschung, einer Müllhalde. Und doch zieht sie dort groß und großzügig und üppig ein, mächtig und prächtig, eine Augenweide. Und eine Bienenweide. Als wäre das nichts. Eben haben doch noch alle gejammerpostet, dass uns die lieben Bienen endgültig verlassen. Aber das gilt jetzt nicht mehr, im Krieg ist alles anders. Jetzt schlägt die Stunde der Strategen – und der Haudegen. Die hauen mit dem Degen. Die Bodentruppen werden los geschickt, die große Offensive steht bevor. Wobei die Pressesprecher der Streitkräfte betonen, dass keinerlei chemische Waffen eingesetzt werden, nur biologische.

Einschleppung, Etablierung, Ausbreitung. Sie haben es natürlich auch mit einer gewieften Angreiferin zu tun. Zielgerichtet und zäh hat sie alle Register der klassischen Invasorin gezogen. Was können unser Hasenbrot und unser Waldveilchen schon gegen so eine ausrichten? Die sind der doch ausgeliefert! Die ist doch mit allen Wassern gewaschen. Wildfremdes krallt sich in unserer Scholle unserm Schoß fest, nistet sich ein. Sie gründet sogar Kolonien! Wenn man zu gut ist, das haben wir jetzt von der Globalisierung. Indisches Springkraut, japanischer Knöterich. Dahergelaufene schwarze Pantherin. Daher gelaufene Kaukasusi. Die sich sogar royale Vergangenheiten andichtet, herrschaftliche Pseudo-Identitäten. Sie wäre gar keine Neo-Migrantin, schon quasi ewig in der Gegend. Tarnen und täuschen kann sie also auch noch. Manchmal tut sie gar, als wäre sie der heilige Engelwurz. Ein schönes Pflänzchen, fürwahr!

Wer weiß, wie lange das alles noch dauert. Hin und wieder gehen ja Erfolgsmeldungen von der Front durch die Medien. So konnten im Einsatzkampf im Naturpark Obersauer 3 493 Herkulessinnen, wie sie auf griechisch respektvoll geheißen werden, erlegt werden. Die Helden werden mit Orden ausgezeichnet. Trotz all dem sind die Prognosen vernichtend.

Zu schrecklicher Erkenntnis hat das Tageblatt mit dem Artikel „Stalins Rache“ verholfen. Zwar bleibt offen, warum Stalin sich so grausam an uns rächt. Der Vormarsch, schreibt das Tageblatt, sei schwer oder überhaupt nicht zu stoppen. Die Samen, schluck!, seien flugfähig. Besser als unsere also, die höchstens schwimmen können, und noch nicht mal gut. Und zahlreiche Offensiven habe dieser Samenspender schon überlebt. Jeder Bürger, ruft das Tagblatt auf, ist aufgerufen, eine Sichtung zu melden!

Gottseidank sind wir in der Nato.

Michèle Thoma
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