Pünktlich zur Luxembourg Pride, die damals noch Gaymat hieß, und drei Monate vor den Kammerwahlen verabschiedete der DP-LSAP-Grüne Regierungsrat Mitte Juli 2018 den nationalen Aktionsplan (PAN) LGBTI, anhand dessen die Forderungen der Community nach mehr Anerkennung, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung umgesetzt werden sollten. Gleichzeitig setzte die damals zuständige Familienministerin Corinne Cahen (DP) ein interministerielles LGBTI-Komitee ein, um die Maßnahmen ressortübergreifend zu implementieren, und versprach, die Einhaltung des Plans wissenschaftlich zu begleiten. Dazu schloss sie im Juli 2022 eine Konvention mit der Uni Luxemburg ab, die im Herbst 2022 eine Befragung in den zehn am PAN beteiligten Ministerien durchführte und im Frühjahr 2023 Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsinstitutionen um ihre Einschätzung bat. Im Dezember beendete die Uni ihre erste Zwischenevaluation, die am Montag von der neuen für LGBTIQ+ Fragen zuständigen Ministerin für Gleichstellung und Diversität, Yuriko Backes (DP), veröffentlicht wurde. Daraus geht hervor, dass laut Angaben der Ministerien 59 Prozent der im PAN aufgeführten Maßnahmen vollständig umgesetzt worden seien, mit der Umsetzung von fast 75 Prozent der Maßnahmen sei zum Zeitpunkt der Befragung mindestens begonnen worden. Große Lücken wiesen hingegen die Kapitel auf, die sich mit der Bekämpfung von Diskriminierung und der rechtlichen Gleichstellung von intergeschlechtlichen Personen befassen. Die Ministerien begründeten diese Versäumnisse mit den Einschränkungen infolge der Coronapandemie. Die Vertreter von Cigale, Rosa Lëtzebuerg, CET, konsultativer Menschenrechtskommission und Okaju bemängelten ihrerseits eine Stagnierung: Das Verbot chirurgischer Eingriffe bei intergeschlechtlichen Kindern, von Konversionstherapien und die Einführung einer dritten Option im Personenstandsregister seien nicht umgesetzt worden. Auch müssten trans- und intergeschtliche Personen sowie LGBTIQ+ Menschen in prekären Situationen in den Plan aufgenommen werden. Nicht zuletzt hinterfragen sie die Sinnhaftigkeit der Praxis, Geschlecht als Information für jede administrative Prozedur abzufragen und kritisieren die mangelnde Transparenz in der Kommunikation seitens der Ministerien.
Tatsächlich wurden das Verbot chirurgischer Eingriffe bei Intersex-Kindern und die Einführung einer dritten Option nicht wegen Corona, sondern wegen fehlendem politischen Konsens nicht gesetzlich verankert, die Forderung nach einem Verbot von Konversionstherapien wurde ignoriert, weil Corinne Cahen das nicht als notwendig erachtete. In der Praxis führen diese Versäumnisse durchaus zu Konsequenzen: Verwaltungen und Einrichtungen, selbst solche höherer Bildung, missachten etwa die Selbstbestimmungsrechte von LGBTIQ+ Personen, indem sie sich darauf berufen, dass die dritte Option, die in Deutschland längst gesetzlich eingeführt wurde, in Luxemburg nicht existiert. Vertreter/innen von Organisationen, die Weiterbildungen an Schulen durchführen, berichten zudem, dass Vorurteile und diskriminierendes Verhalten gegenüber LGBTIQ+ und insbesondere gegenüber Trans-Personen nach wie vor weit verbreitet seien, wenn nicht sogar zunähmen. Auch scheint die Bereitschaft des Lehrpersonals, entsprechende Weiterbildungsangebote in Anspruch zu nehmen, nicht in allen Schulen gleichermaßen gegeben zu sein. Sodass selbst die Wirksamkeit mancher bereits vollständig umgesetzter Maßnahmen bezweifelt werden muss. Als erste Reaktion auf den Bericht der Uni hat Yuriko Backes nun beschlossen, das interministerielle Komitee zu reformieren, es auf alle Ministerien auszudehnen, die Bezeichnung LGBTI um Q+ zu erweitern und enger mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten. Reaktionen der LGBTIQ+ Organisationen auf den Bericht blieben bislang aus.