Am Mittwoch verschickten die ADR-Fraen eine Mitteilung. „Ganz bedenklech“ sei, dass die CSV-DP-Regierung laut ihrem Koalitionsvertrag Kinder anerkennen lassen will, die im Ausland von Leihmüttern zur Welt gebracht wurden. Leihmutterschaft mache Kinder zur Ware, Frauen zu „Gebärmaschinnen“. Und: „Am Fall wou et eng homosexuell Koppel ass, déi d’Kand bestallt, muss dat Kand dann ouni Fra/Mamm opwuessen.“
Die anderthalb Seiten lange Tirade enthält nichts, was der stramm konservative Abgeordnete Fernand Kartheiser nicht schon gesagt hätte. Sie bietet aber einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen, die drohen, wenn die Regierung dieses Vorhaben durchzuziehen beginnt. Desgleichen wenn, wie der Koalitionsvertrag ebenfalls ankündigt, der künstlichen Befruchtung (PMA) zu einer gesetzlichen Basis verholfen wird. Seit zwanzig Jahren kann sie nur praktiziert werden, weil 2003 der damalige DP-Gesundheitsminister Carlo Wagner einen „Service national de procréation médicalement assistée“ in den Spitalplan schreiben ließ, eine Verordnung. Der Griff zur executive order durch die damalige CSV-DP-Regierung vermied die größere Diskussion, die für ein Gesetz nötig gewesen wäre. Ein Gesetz hätte auch festlegen müssen, wie mit überzähligen Embryonen aus künstlichen Befruchtungen verfahren werden soll und inwieweit sie für die Forschung genutzt werden können. Was wahrscheinlich den rechten Rand der CSV herausgefordert hätte. Premier Jean-Claude Juncker kannte seine Pappenheimer.
Zwanzig Jahre später ist klar, dass die ADR versuchen wird, aus einer Debatte um PMA und Embryonen politisches Kapital zu schlagen. Doch wenn daraus ein Kulturkampf um „ungeborenes Leben“ würde, könnte er auch die CSV nicht unberührt lassen. Luxemburg ist den Umgang mit allem, was Bioethik betrifft, nicht gewöhnt. Seit 2009 der Großherzog sich weigerte, das Euthanasiegesetz durch seine Unterschrift zu bestätigen, und die darauf folgende Verfassungskrise gelöst wurde, indem die Zuständigkeiten des Staatschefs beschnitten wurden, sind Bioethik-Themen beinah tabu. Niemand hat mehr gewagt zu testen, wie konservativ die Luxemburger Gesellschaft tatsächlich ist und was die politischen Parteien repräsentieren zu müssen meinen, wenn es um solche Fragen geht. Allein die ADR greift sie strategisch auf.
Die Vorhaben der Regierung zu Leihmutterschaft und künstlicher Befruchtung sind deshalb politisch riskant, aber die Debatte darüber ist notwendig in einer modernen Gesellschaft. Und eigentlich müsste sie noch weiter reichen: Die vorige Regierung hatte für ein „Bioethik-Rahmengesetz“ sorgen wollen. Laut Koalitionsvertrag von 2018 sollte es eine Menge regeln: von der künstlichen Befruchtung und dem Umgang mit überzähligen Embryonen, über Gentests und Gentechnologien, bis hin zur Patentierbarkeit lebender Organismen und Erfindungen am menschlichen Körper. Doch selbst von einem avant-projet für so ein Gesetz war die ganze vorige Legislaturperiode lang nie etwas zu hören. Vermutlich erschien das zu riskant.
Die Aversion, sich bioethischen Fragen politisch zu stellen, ist sehr bedauerlich. Nicht nur, weil das Feld der ADR überlassen wurde. Sondern auch, weil im Zweifelsfall EU-Regeln gelten, die lediglich Minimalvorgaben machen. Vor allem aber muss der Begriff Bioethik mittlerweile breiter aufgefasst werden als mit Stichworten wie Embryonen und Gentechnologie. Die Biomedizin entwickelt sich schnell, angetrieben durch die Nutzung von Big Data und Künstlicher Intelligenz. Nicht nur allein in der Forschung, sondern immer mehr auch für Diagnosen wird auf Gen-, Protein- und Stoffwechselmerkmale von Patient/innen zurückgegriffen. Das ist vielversprechend, aber dadurch wird das Individuum identifizierbar. Die Frage, was mit Wahrung der Privatsphäre gemeint sein soll, wird sich in einer noch nie dagewesenen Komplexität stellen. Wahrscheinlich in einer gar nicht so fernen Zukunft. Um mit solchen Themen umgehen zu können, muss eine Gesellschaft aufgeklärt sein und das Nachdenken über Bioethik trainieren. Dass die CSV-DP-Regierung ihre Offenheit für Kinder aus Leihmutterschaften ausführlich erklärt und wozu ein PMA-Gesetz dienen soll auch, wäre ein Schritt in diese Richtung. Aber es müssten viele folgen.