Eurorettung

Dafür stehe ich mit meinem Namen

d'Lëtzebuerger Land vom 10.06.2010

Luc Frieden, Finanzminister (CSV), sonnte sich sichtlich in der Aufmerksamkeit, die ihm bei Treffen der Finanzminister der Eurozone und der EU am Montag und Dienstag in Luxemburg zuteil wurde. Allein seine Unterschrift ziert die Gründungsunterlagen der European Financial Stability Facility Société Anonyme (EFSF), der Gesellschaft also, die als Teil des Euro-Rettungspakets Anleihen ausgeben und auf diesem Weg Hilfsgelder für zahlungsunfähige Euro-Staaten beschaffen soll (d’Land 21.5.2010, 14.5.2010). Die anderen Euro-Finanzminister waren am Montagabend nur Zuschauer, als Frieden quasi im Alleingang die Euro-Rettung Wirklichkeit werden ließ. Allein sein Name steht derzeit dafür, dass im Notfall 440 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten aufgenommen werden können. Das gibt Luc Frieden sicher Genugtuung, lässt aber so manche Frage offen.

In den kommenden Tagen und Wochen wird der Staat Luxemburg, derzeit alleiniger Teilhaber der EFSF, Anteile an die anderen Euro-Staaten abtreten, entsprechend der Anteilsgewichtung im Kapital der Europäi-schen Zentralbank (EZB). Die Gesellschaft werde betriebsbereit sein, sobald eine Mindestzahl an Euro-Ländern, die gemeinsam 90 Prozent der EFSF besitzen werden, sich die Einwilligung ihre Parlamente für die Beteiligung und die damit verbundene Vergabe von staatlichen Garantien, mit denendie Anleihen abgesichert werden sollen, eingeholt haben. Bis Ende Juni soll es soweit sein, sagte Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) am Montagabend in seiner Rolle als Vorsitzender der Eurogruppe. Zwar sind die Gründungsunterlagen seit Mittwochmorgen in der Internetausgabe des Memorials frei zugänglich. Was aber passiert, wenn beispielsweise ein Euroland, das für von der EFSF vergebene Darlehen an andere bürgt, selbst finanzielle Unterstützung von der EFSF braucht, kann man darin nicht lesen. Haften alle gemeinsam oder individuell?

Diese „technischen Details“, wie sie in den vergangenen Wochen immer wieder genannt wurden und die eigentlich ausschlaggebend dafür sind, ob die Finanzmärkte Vertrauen in die Schlagkraft und Effizienz der Struktur haben, sind in den Firmenstatuten nicht festgehalten, sondern werden in einem Teilhaberabkommen geklärt, wie Luc Frieden am Dienstag erklärte. Das wird nicht veröffent-licht. Dabei sind Transparenz und klare Botschaften in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit die Mittel, mit denen Vertrauen in die gemeinsame europäische Währung genährt und die Märkte beruhigt werden könnten. Denn die Konsequenzen unkontrollierter Redseligkeit zeigten sich diese Woche, als Ungarn mit Aussagen über die eigene Haushalts- und Schuldenlage die Abwärtsspirale des Euro anfeuerte, der unter 1,20 Dollar fiel. Eine entsprechende Reaktion auf die britische Haushalts- und Schuldenlage mag sich niemand vorstellen. Deswegen ist es unumgänglich, dass sich der Vorsitzende der Eurogruppe endlich in der ihm zugeteilten Rolle als Sprecher der Währungszone durchsetzt – auch gegen-über Deutschland und Frankreich – und den Ton angibt.

Luc Frieden sprach sich am Dienstag wiederum für die von der Kommis-sion vorgeschlagene neue Haushaltsprozedur aus, nach der alle Euro-Mitgliedstaaten die Ausrichtung ihre nationalen Haushalte zum gleichen Zeitpunkt wie die Stabilitäts- und Wachstumsprogramme vom Ministerkollektiv begutachten lassen sollen, und zwar bevor die Parlamente darüber abstimmen. Er sprach sich ebenfalls für automatische Sanktio-nen für Länder aus, die gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen. Nur auf die Art könne sichergestellt werden, dass alle Länder mit gleicher Strenge bestraft werden. Das würde außerdem auch die derzeit fehlende Rechtssicherheit herstellen. Wenn Wechselkursturbulenzen wie in den vergangenen Wochen künftig vermieden werden sollen, wird es wichtig sein, dass sich die Finanzminister in ihrer Analyse der finanziellen Situation der jeweiligen Euro-Länder eine Sprachregelung geben, sich auf das angemessene und unmissverständliche Vokabular einigen und sich daran auch halten. Der wesentliche Nachteil wäre zwar, dass Minister unterschiedlicher Partei- und wirtschaftstheoretischer Couleur in ihrer Einschätzung der Lage eingeschränkt werden. Doch die Griechenland-Krise und das Ungarn-Intermezzo ausgelöst haben keine wesentlich neuen Informationen über die finanzielle Schieflage dieser Länder, die eigentlich bekannt war, sondern die Art und Weise, wie die jeweiligen Minister darüber kommunizierten.

Michèle Sinner
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