Heute loben wir den Medienzirkus. Touch my Auto heißt ein Spiel, das RTL soeben mit beträchtlichem Getöse in Szene setzte. Die Regel ist verblüffend simpel: eine Handvoll Kandidaten tritt an, um ein Auto zu gewinnen. Was müssen sie dafür tun? Mit besonderer Intelligenz glänzen? Zu harter Arbeit entschlossen sein? Sich den Gewinn nach den Gesetzen der Marktwirtschaft redlich erkämpfen? Mitnichten. Ihre Leistung besteht ausschließlich darin, das Auto zu betatschen. Hand aufs Blech und nicht mehr loslassen. Das ist alles. Wer am längsten betatscht, hat den Sieg in der Tasche. Er darf „Touch my Lenkrad“ rufen und stolz die Karosse nach Hause fahren.
Wir sollten uns hüten, in dieser genialen Versuchsanordnung nur die neueste Kapriole eines durchgeknallten Kommerzsenders zu sehen. Niemand soll leichtfertig behaupten, hier würde für ein Nichts ein ganzer Apparat mobilisiert, mitsamt Kamerateam, Reportern vor Ort, tagelangem live streaming für die lieben Zuschauer. Das Spiel Touch my Auto ist keineswegs eine tiefe Verbeugung vor der grenzenlosen Debilität gewisser Konsumstrategien. Niemand sollte also annehmen, diese Veranstaltung sei nur ein Appell an jeder Zeit verführbare Individuen, die längst ihre grauen Zellen auf irgendeinem Wohltätigkeitsbasar gespendet haben.
Ganz im Gegenteil. Hier wird die kreative Jugend ins Scheinwerferlicht gebeten. Die jungen Wilden, die knallhart Entschlossenen, die vor keiner Zumutung zurückschrecken und sich für nichts zu schade sind. Hier sehen wir die neuen Helden am Werk. Dass sie äußerst liebevoll, ja sogar mit erotischer Verve ein kaltes Auto bezirzen können, beweisen sie im Verlauf dieses „Upak-Marathons“ (O-Ton RTL) mit unverkennbarem Brio. Da schiebt sich zum Beispiel ein tollkühner Kandidat unter die Karosserie, natürlich ohne die Hand vom Blech zu nehmen, und der Reporter jubelt: „Du mechs elo grad hei de Soixante-neuf, so eis, wat s du elo grad hei mechs!“ Und der Kandidat antwortet: „Jo, ech leien ënnen, sou déif wéi méiglech, an hatt läit uewen, sou héich wéi méiglech.“ Er sagt tatsächlich „hatt“. Für einen Augenblick heißt das Spiel unterschwellig „Fuck my Auto“. Wer hätte gedacht, dass ein banales Fahrzeug derart die Libido auf den Siedepunkt treiben kann? Wir haben es hier jedenfalls mit einer völlig revolutionären Kopulationstechnik zu tun. Kamasutra in der motorisierten Version. Da sage noch einer, die Warenwelt sei unpersönlich und abstoßend.
Jetzt wollen wir nur hoffen, dass die hochmotivierten Kandidaten keine Spätschäden davontragen. Einige haben vorzeitig über die Antenne ihre wachsenden Beschwerden geschildert. Zunehmende Schmerzen im Handgelenk, im Arm, im Schulterbereich, spürbare Unfähigkeit, klar zu denken, irritierende Erschöpfungszustände. Aber das alles gehört zum Heldenstatus. Kein Meister fällt vom Himmel, kein Betatscher darf mal eben so mit links seine Fingerfertigkeit vorführen. Nur der Leidensdruck schafft wahre Helden.
Immerhin hat RTL, dieser Pionier der ungeahnten Prioritäten, in seiner Rubrik Life [&] Style (02.05.2012) deutlich vor den Folgen des Flirts mit fahrbaren Maschinen gewarnt. Da heißt es wörtlich: „Den Henry Wolf huet e Problem: Virun 2 Joer huet den Amerikaner eng 4-stënneg Tour mat sengem Moto gemaach, an zënter deem Moment huet hien eng Erektioun.“ Jetzt fordert der bedauernswerte easy rider von der Firma BMW „Schmerzensgeld fir Dokteschkäschten, Stress a säin Akommesausfall.“
Was RTL als „Dafheet an de Genitalien“ schildert, hat unserer bescheidenen Ansicht nach einen weit tragischeren Hintergrund. Es fällt doch auf, dass diese dramatische Zweijahreserektion ausgerechnet einen Anhänger der privaten Mobilität erwischt hat. Wir haben noch nie vernommen, dass beispielsweise männliche Zugreisende den Bahnhof plötzlich mit einer kollektiven Dauerlatte verlassen. Oder dass Busbenutzer nach der Fahrt über unnatürliche Schwellkörper klagen. Diese geheimnisvolle Qual trifft offenbar nur maskuline Wesen, die den öffentlichen Transport verschmähen.
Könnte es sein, dass hier gezielt Sabotage betrieben wird? Verfügt der öffentliche Transport vielleicht über eine gnadenlose Lobby, die privat Reisende mit unfairen Methoden in den Wahnsinn treibt? Nur, damit die Mafia der öffentlichen Verkehrsmittel mit eigenen Erfolgsmeldungen auftrumpfen kann? Wie lange will die Firma BMW eigentlich warten, bis sie einen spezifischen Untersuchungsausschuss ins Leben ruft? Bis alle BMW-Fans mit dauerhaft erigiertem Glied durch die Existenz rudern?
Den Touch my Auto-Kandidaten wünschen wir natürlich nichts Schlimmes. Jedenfalls keinen unheilbaren Tennisarm. Und keinen irreversibel steifen Nacken. Das schöne Spiel hat uns maßlos begeistert. Die Helden haben ihre Belohnung verdient. Mit Nichts sind sie binnen drei Tagen zu echten Promis geworden. Sie haben uns mit ihrer bewundernswerten Energie angesteckt. Heimlich spielen wir schon zu Hause „Touch my Spullmaschinn“. Seit ein paar Tagen macht sich ein sonderbares Kribbeln im rechten Arm bemerkbar. Zum Glück ist unsere Spülmaschine nicht von BMW.