Die kleine Zeitzeugin

Es wird einmal ein Blümlein

d'Lëtzebuerger Land vom 14.02.2025

Der Ukraine-Krieg hat auch schon wieder Geburtstag, und Valentinstag ist, und in Gaza wird die Hölle ausbrechen. Und der Vollmond heißt diesen Monat Schneemond, neuerdings haben die Monde Namen, sie heißen Blaumond oder Blutmond oder Wolfsmond, so dass man sie nicht verpassen will und Mond schauen will statt sonst was. Aber dann ist es nur der Mond.

Aber besser Mond als Musk oder die Maulwurfshügel in der Ukraine, die die Russen erobern, einen nach dem andern, wo wir gar nicht mehr hinschauen, weil es alles so lang und langweilig ist, und plötzlich stehen die Russen, Gendern überflüssig, wieder vor einer kaputten Stadt in der die alten Leute um einen Kaffee anstehen, in ihren Wohnungen ist es fünf Grad. Und wieder, aah ja, Kriegsgeburtstag, verrutschte Plattenbauten, müde Männer in Erdlöchern, Mütter vor bunt geschmückten Gräbern im Schneegestöber. Und hin und wieder wird erwähnt, aber nur diskret, dass Männer eingefangen werden um an die Front geschickt zu werden. Manche dieser Männer, sie wollen partout keine toten Helden sein, verstecken sich in verschneiten Wäldern, oder suchen einen Ausweg, nach Woandershin. Exit statt Exitus. Manche werden auf der Flucht erschossen. Weil sie ums Verrecken nicht verrecken wollten.

Und jetzt hat Trump telefoniert, endlich, und es wird spekuliert, wird die Ukraine jetzt wegoperiert? Trump sei ein Dealer, heißt es, wie beruhigend undämonisch ist das, und alle sind jetzt gespannt wie die Beute aufgeteilt wird. Trump gelüstet nach seltenen Erden, Putin ganz konventionell nach ukrainischer Erde. Aber auch, was er mit Grönland vorhat und mit Ground Zero Gaza. Ob er Gaza kauft, verkauft oder die Hölle ausbrechen lässt stößt auf weltweites brennendes Interesse.

Musk leinwandlächelt bei Weidel, die ihren großen starken neuen freundlichen Freund stolz präsentiert. Er ist ja auch immerhin der reichste Mann der Welt, und er besitzt Plattformen und Welträume und arbeitet daran, in unseren Hirnen zu logieren. Aber er gibt sehr bescheidene Statements von sich. Frau Weidel, festes Schuhwerk, Knoten im Nacken, peitscht hingegen den Männerparteimännern auf dem Parteitag ordentlich ein, was den Männerparteiparteitagsmännern ganz ungemein gefällt. Führt sie doch einen Kampf nicht nur gegen niemals versiegende Flüchtlingsströme, sondern auch noch gegen die Windmühlen der Schande und die woken Kaderschmieden an den Unis. Die strenge Herrin sagt Sätze, die Verweichlichte erschauern lassen. Wir schmeißen diese Professoren raus! Nie hätte verweichlichte Boomerin gealbträumt, dass sie achtzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg so etwas Ungeheuerliches zu deutschen Unis hören würde.

Auch in Luxemburg gibt es eifrige Gefechte. Es geht um Aufruf zur Vernischtung. Wessen? Der Vernischtung einer von manchen so genannten Ideologie oder ihrer Protagonist*innen? Ins Visier gerät der ultrarechte Abgeordnete, auf dessen Seite der von ihm gelikete Post getätigt wurde. Eine findige Likerin versteht die Aufregung nicht, würde es sich doch lediglich um ein Verräumen in Nischen handeln.

Ich muss da raus, ich lese jetzt Tolstoi. 500 Seiten Tolstoi. Was, den Patriarchen, den alten Reaktionär? Den Russen? Ja. Der fiel mir in die Hände, stand ewig rum, inmitten all der vielen Bücher, die ich sicher ganz sicher irgendwann lese. Und dann schlage ich ihn auf, nur so, zwischendurch, bisschen naschen, und siehe da! Ich bin drin. Ich bin weg. In Moskau. Ende des 19. Jahrhunderts. Eislaufen mit Fürstinnen, Treffen mit Umstürzlern, auf dem Rücken der Pferde. Ich flüchte mich zu Anna und Wronski. Nicht, als wäre es dort lustig, Schweres schwant. Ich ackere mit Lewin. Ich mähe mit Lewin. Ich leide mit Kitty. Ich schmachte mit Anna. Ich lese. Ok, es wird wohl schrecklich enden. Das liegt in der Luft. Ich steuere darauf zu. Noch 500 Seiten. Nur ein bisschen Februar brauch ich noch, den Monat von Matsch und Nichts, einer der besten Monate. Ich schaue zum Fenster raus, manchmal muss man das tun. Im Blumenkistlein regt sich was. Es ist grasgrün.

Michèle Thoma
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