Der Mouvement écologique will die Agrarministerin dazu bringen, in Gewächshäusern Anbaumethoden vorzuschreiben

Treibhauseffekte

Tomaten im Treibhaus: Der Selbstversor-gungsgrad liegt in Luxemburg bei nicht mal einem Prozent
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 14.02.2025

Jean-Claude Muller ist nicht gut auf den Mouvement écologique zu sprechen. „So kritisch wie der die Landwirtschaft sieht, so kritisch sehe ich den Mouvement écologique!“ Muller ist Präsident des Lëtzebuerger Landesuebstbauveräin. Der reibt sich seit Januar an der Umweltorganisation. Zunächst, weil sie gegen einen Gesetzentwurf von CSV-Landwirtschaftsministerin Martine Hansen zur Subventionierung großer Treibhäuser argumentierte: Er ziele auf „Großanlagen“ ab, die „kleinräumige“ und „mittelständische“ aus dem Markt drängen könnten. Außerdem stünden im Gesetzentwurf „absolut keine“ Vorgaben zu Anbaumethoden in den Treibhäusern. Das sei „geradezu fahrlässig“ bei all den „mit Dünger- und Pestizideinsatz verbundenen Problemen“.

Vergangene Woche setzte der Mouvement écologique noch eins drauf mit einer Pressekonferenz über Pestizide. Um Treibhäuser ging es dort nicht in erster Linie. Sondern um Pestizidrückstände in Lebensmitteln, die in Luxemburg 2022 verkauft wurden. Die Veterinär- und Lebensmittelverwaltung Alva untersucht jedes Jahr eine Stichprobe. 2022, dem Jahr, zu dem der jüngste Bericht publik ist, wurden 608 Produkte überprüft, von Erdbeeren bis Rotwein. Der Mouvement écologique wertete die Rohdaten der Alva erneut aus. Und kam am Ende der Pressekonferenz doch auf Treibhäuser zu sprechen: Gemüse und Obst von dort sei „besonders belastet“. In von der Alva untersuchten Erdbeeren seien bis zu 13 verschiedene Pflenzenschutzmittel gefunden worden, in Tomaten bis zu zwölf. Weil, so der Mouvement écologique, „Erdbeeren und Tomaten zum großen Teil in Gewächshäusern angebaut werden“, müsse Martine Hansens Gesetzentwurf um „Anbaukriterien“ ergänzt werden.

Eigentlich ist das nicht unverständlich. Der Gesetzentwurf, den die Landwirtschaftsministerin am liebsten so schnell wie möglich zur Abstimmung im Parlament gelangen sehen möchte, zielt auf „größere“ Treibhäuser ab; das hat Martine Hansen selber gesagt. Kleinere subventioniert die Staatskasse über das Agrargesetz sowieso. Hansens Text, den der Regierungsrat Anfang Dezember guthieß, soll in einer Einmal-Aktion eine enveloppe von 20 Millionen Euro bereitstellen. Nach einer öffentlichen Ausschreibung kann es maximal zwölf Millionen an Kapitalbeihilfe pro Projekt geben. Für 40 Prozent vom Invest, oder für 55 Prozent, wenn der Antragsteller jung ist. Im Radio 100,7 hatte Jean-Claude Muller vom Landesuebstbauveräin das vor vier Wochen ins Verhältnis gesetzt: Mit 2,5 Millionen Euro lasse sich ein Hektar Treibhausfläche bauen. Das heißt, würde das maximale Subsid von zwölf Millionen ausgeschöpft, läge der Invest bei 30 Millionen Euro für, hochgerechnet, zwölf Hektar. Sollte es für eine Anlage dieser Größe nicht Regeln geben für das Tun und Lassen unter Glas? Und für die nächstkleinere Anlage auch, wenn die maximale Unterstützung zwölf Millionen betragen kann und von den 20 Millionen im Topf noch acht Millionen bleiben?

Zumal in der EU die Regeln für Pflanzenschutzmittel in Treibhäusern speziell sind. Treibhäuser gelten als „geschlossene Systeme“, aus denen nichts raus kann. Darauf ging der Mouvement écologique vorige Woche ein und verwies auf eine Ende 2023 veröffentlichte Studie der NGO Pesticide Action Network Europe1. Die hatte Flüsse und Bäche, aber auch Regenpfützen im Umkreis von fünf Kilometern um Treibhäuser in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Spanien untersucht. Und kam zum Schluss, dass das mit dem „geschlossenen System“ nicht stimmen kann. In Belgien, wo in zwei Mess-Runden die höchsten Werte gefunden wurden, waren es in Oberflächengewässern 90 Mikrogramm pro Liter, beziehungsweise 34 Mikrogramm pro Liter. Der Vorschlag der EU-Kommssion für ein Update der EU-Wasserrahmenrichtlinie will 0,5 Mikrogramm pro Liter als Höchstwert festschreiben.

Jean-Claude Muller vom Landesuebstbauveräin kennt die Debatte um „geschlossenes System oder nicht“. Die Studie der NGO hat er sich kurz angesehen. Und meint: „Offenbar wurden oft Substanzen aus Unkrautvertilgungsmitteln gefunden. Das deutet darauf hin, dass in den Treibhäusern die Pflanzen im Boden kultiviert wurden.“ Dagegen sei der state-of-the-art, in „Substratrinnen“ anzubauen, die in eine Betonplatte eingelassen sind. Auswaschungen in den Boden könne es dann keine mehr geben. Plötzlich wird die Diskussion über die Treibhäuser ziemlich technisch.

Die politisch interessante Frage lautet, wieso im Treibhaus-Spezialgesetz der state-of-the-art nicht vorgeschrieben werden soll. Wie Jean-Claude Muller die Sache sieht, sind alle potenziellen Interessenten an einem großen Treibhaus „so unterwegs“. Auch andere gute Praktiken würden sie anwenden wollen. Zum Beispiel an den Lüftungsklappen eines Treibhauses Gitter anzubringen, die Insekten abfangen, damit die keine Pflanzenschutzmittelreste nach draußen tragen. Oder anstelle von Pestiziden „Nützlinge“ in die Pflanzungen geben; Kleinlebewesen, die man im Fachhandel kaufen kann. Damit arbeiten Bio-Gärtner. Im Übrigen sei Luxemburg in einem wichtigen Punkt nicht zu vergleichen mit anderen Ländern: Die EU erlaubt, in Treibhäusern Pestizide einzusetzen, die im Freiland verboten sind. Weil sie davon ausgeht, dass Treibhäuser geschlossene Systeme sind. In Luxemburg aber sei das letzte Pflanzenschutzmittel, das dafür in Frage kommen könnte, vom Markt genommen worden.

Das klingt gut. Lange her sind die dunklen Zeiten, da Luxemburg eine europäische Pestizid-Drehscheibe war, weil hierzulande auf Pflanzenschutzmittel der supperreduzierte Mehrwertsteuersatz von drei Prozent galt. Was nicht nur den heimischen Landwirten gute Preise sicherte, sondern einen komplexen Transithandel via Luxemburg entstehen, dem die damalige Regierung 2001 ein Ende setzten und den TVA-Satz auf 15 Prozent hob. Das Landwirtschaftministerium hatte in seinem Jahresbericht 2000 festgestellt, die Pestizid-Nische sei „préjudiciable à notre image de marque“.

Das war damals. Wieso heute keine Vorgaben für Pestizide und gute Praktiken in großen Treibhäusern machen? Ausdrücklich sieht Martine Hansens Gesetzentwurf nur vor, dass die „viabilité économique“ der eingereichten Anträge überprüft werden soll. Lediglich der Kommentar zu dem Artikel erwähnt, dass „ensuite“ auch die „durabilité“ ein Kriterium sei. Mit einer „composante envrionnementale qui met en avant l’utilisation respectueuse des ressources et la gestion des déchets“. Wieso das da so steht, wurde Martine Hansen am 12. Dezember im parlamentarischen Agrarausschuss gefragt. Sie erläuterte, die Umweltkriterien würden in der Ausschreibung festgelegt. „Dat ka sinn, wéi ech d’Waasser notzen, wéi ech d’Energie notzen, biologesch Krittären, dat heescht, et sinn ënnerschiddlech Nohaltegkeetskrittären, déi mir huelen.“ Doch nur wenn auf eine Ausschreibung hin „mehrere“ Anträge eingingen, würde auch die Nachhaltigkeit betrachtet, sagte sie noch. Alles sollte so wenig restriktiv wie möglich sein. Denn sie fürchte, „datt mir warscheinlech net vill selektionéiere mussen“.

Was keine guten Aussichten sind für ein Vorhaben, das den Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse steigern will – ein Thema seit mehr als 20 Jahren. Ein leichter Trend nach oben sei zu verzeichnen, steht im Motivenbericht zum Gesetzentwurf. Mit manchen Gemüsen wie Kohl, Salat und Karotten liege der Selbstversorgungsgrad bei 15 Prozent, mit Kartoffeln bei außergewöhnlichen 40 Porzent. Mit Erdbeeren, Tomaten oder Zwiebeln dagegen bei nicht mal einem Prozent. Deshalb der 20-Millionen-Wurf. Verglichen mit dem Anbau im Freien erlaubt ein Treibhaus einen fünf bis zehn Mal höheren Ertrag.

Dass die Landwirtschaftsministerin keine Vorgaben in ihren Gesetzentwurf schreiben will, hat vielleicht nicht mit der CSV-typischen klientelistischen Agrarpolitik zu tun. Sondern vielleicht damit, dass Obst- und Gemüsegärtnerei ein diffiziles Handwerk ist und das Auftreten eines Schädlings eine ganze Ernte verderben kann. Dann könnte die Ministerin geneigt sein, der Einschätzung des Gärtners zu vertrauen.

Doch das sind nur Vermutungen. Schriftlich eingereichte Fragen zum Gesetzentwurf, zu guter gärtnerischer Praxis und der Pestizid-Problematik hatte das Landwirtschaftsministerium nach zweieinhalb Tagen und bis zum Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Peter Feist
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