leitartikel

Unter Freunden

d'Lëtzebuerger Land du 14.02.2025

„Welcome to Europe, JD Vance“, postete CSV-Premierminister Luc Frieden am Dienstag auf X. Und weiter: „Luxemburg und die USA sind und bleiben Partner – auch in herausfordernden Zeiten.“ Auf dem angepinnten Foto ist Premier Frieden zu sehen, wie er den amerikanischen Vizepräsidenten begrüßt. JD Vance war zum Pariser KI-Gipfel angereist und hielt dort eine Rede, in der er sich gegen die europäische Politik stellte: Durch „massive“ Vorschriften würde die EU technologische Entwicklungen abwürgen. Die Unterbindung von Hassreden auf digitalen Plattformen lehnte er als „autoritäre Zensur“ ab. Am Ende des KI-Gipfels weigerten sich die USA und Großbritannien, eine Abschlusserklärung zu unterzeichnen, die zu einem integrativen, offenen, ethischen und sicheren Einsatz von KI aufrief.

Am Mittwoch wunderte sich die grüne Abgeordnete Sam Tanson: Sie habe von Premierminister Luc Frieden vernommen, Amerika sei „onsen traditionelle Partner vu Wäerter“. Sie frage sich als Europäerin jedoch, was geschehe, falls Amerika nicht mehr zu den traditionell geteilten Werten zurückfinde. Die Risse in der amerikanischen Gesellschaft seien so tief, dass eine Rückkehr zu den „good old days“ vielleicht nicht mehr möglich sei. In der Nachkriegszeit pochten die USA stets auf Rechtsstaatlichkeit. Mittlerweile jedoch hat Donald Trump Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verhängt, um sich gegen den Haftbefehl gegen Premierminister Benjamin Netanjahu zu stellen. „Eine Katastrophe für die Unabhängigkeit der Justiz“, nennt Tanson diesen Schritt. Kurz vor seiner Abreise zum Pariser KI-Gipfel mokierte sich JD Vance zudem über die amerikanische Justiz: Sie solle nicht das Recht haben, die Exekutive zu kontrollieren. Die USA unter Trump scheinen immer weniger an Rechtsstaatlichkeit interessiert zu sein.

Als Premier Luc Frieden am Mittwoch in der Chamber ans Rednerpult tritt, stellt er fest, dass „die Welt, in der wir leben, durcheinander geraten ist“. Er versichert jedoch, man werde an „unseren“ Werten festhalten. „Wat sin eis Werter? Rule of Law. An de Prinzip vum internationale Recht. Wann deen a Fro gestallt gëtt, dann erhiewe mir eis Stëmm“, sagt Luc Frieden mit heiser Stimme. Doch neben diesem Bekenntnis wurde am Mittwoch deutlich, was Frieden derzeit stark wurmt: Luxemburg ist seit Mitte Januar vom Markt für hochwertige Grafikprozessoren zur KI-Entwicklung abgeschnitten. Die Biden-Regierung legte keine offizielle Begründung für diesen Schritt vor; vermutlich prangert sie eine zu große Nähe zwischen Luxemburg und chinesischen Unternehmen an. Frieden will in diesem Dossier „keng Rou ginn“ und habe das Thema beim KI-Gipfel mit hochrangigen EU-Kommissionsmitgliedern besprochen.

In der Entwicklung von KI-Technologien sieht der Premier eine große Chance, wie er im RTL-Neujahrsinterview betonte. Dabei klang er zuweilen wie jemand, der fürchtet, ökonomisch abgehängt zu werden – man müsse sich um die Datenökonomie „ganz massiv këmmeren“. Unter anderem deshalb zeigt er sich gegenüber den USA versöhnlich: Sie seien ein „Partner, Alliierter und Freund“. Er habe JD Vance am KI-Gipfel mittgeteilt, die USA sei ein „historischer Freund“ von Luxemburg. Auch DP-Außenminister Xavier Bettel sprach sich im Anschluss an Friedens Rede für eine „Vertrauensbeziehung“ zu den USA aus. Er werde an diesem Sonntag nach Texas und Florida fliegen, um das Gespräch mit Außenminister Marco Rubio zu suchen. „America First ass net America alone.“ Man werde also gemeinsam mit den USA Probleme angehen.

Dem von JD Vance am KI-Gipfel vorgeschlagenen Kurs wolle man nicht folgen, sagte Frieden am Mittwoch. Er sprach sich für einen ethischen Umgang mit KI-Fragen aus, betonte jedoch zugleich, dass man maximal wettbewerbsfähig bleiben müsse. Handfestes wurde zu diesem Thema hierzulande bislang kaum publiziert; die Ethikkommission veröffentlichte im März 2024 lediglich einen allgemein gehaltenen Avis. Gleichzeitig wächst der Druck der aktuellen US-Regierung gegen Regulierungsmaßnahmen der EU wie den Digital Services Act und den AI Act. Meta-CEO Mark Zuckerberg forderte, die EU solle die „Freiheit“ von US-Unternehmen akzeptieren, ihre Vorgehensweisen im Netz intransparent zu halten. Er sei sich sicher, dass Präsident Donald Trump sich gegen EU-Vorgaben einsetzen werde. Wenn die USA das Freundschaftsangebot der EU mit Füßen treten, sollte man vielleicht dem Rat des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker folgen. Er sagte in der aktuellen Zeitausgabe, gegenüber den USA sei „nicht Kuschen angesagt, sondern Druck“. Die EU ist schließlich kein kleiner Markt.

Stéphanie Majerus
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