Vereinnahmung der Sinne

d'Lëtzebuerger Land vom 17.09.2021

Es gibt Filme, deren Produktionsgeschichten selbst filmreif sind. Dune ist ein solches Beispiel. Zuerst sollte der chilenische Regisseur mit dem Hang zum Surrealismus, Alejandro Jodorowsky, die Romanreihe von Frank Herbert, die gerne als das Musterbeispiel der Science-Fiction gewertet wird, für die Leinwand adaptieren. Das Projekt wuchs Mitte der Siebzigerjahre ins Unermessliche, zu groß und zu überbordend war Jodorowskys Vision des Stoffes, die die Musik von Pink Floyd und Magma vereinen sollte und nach tauenden Designentwürfen des Zeichners Jean Giraud und der finanziellen Situation des Filmstudios zum Stillstand kam. Danach wurde Ridley Scott für eine Verfilmung gehandelt, bis schließlich David Lynch den Film 1984 realisierte.

Ein Film, der zwar heute Kultstatus erlangt hat, aus der Gesamtbetrachtung von Lynchs Arbeiten aber nicht heraussticht. Nun hat der kanadische Regisseur Denis Villeneuve sich an das Projekt gewagt. Villeneuve, der sich bereits mit Blade Runner 2049 an einem Filmuniversum mit überaus hohem Kultstatus versuchte, steht im Gegensatz zu Jodorowsky und Lynch die gesamte Illusionskraft des digitalen Zeitalters zur Verfügung. Sein Dune, der als Zweiteiler konzipiert ist und folglich keine definitive narrative Endsetzung anbietet, weiß sich diese Vorteile denn auch beeindruckend zu Nutze zu machen und entfaltet eine Bilderwucht, von der Jodorowsky oder Lynch nur träumen konnten.

Dune spielt in einer fiktiven Welt, in der ein Rohstoff, das Spice, für die Raumfahrt unerlässlich ist und auf dem Wüstenplaneten Arrakis, auch Dune genannt, abgebaut wird. Der Imperator beauftragt das Haus Atraidis damit, auf dem Wüstenplaneten als Vasallen zu herrschen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Die bösartigen Harkonen aber wollen die Einheimischen des Planeten, die Fremen, unterdrücken und des Spice habhaft bleiben. Die Rettung scheint in der Gestalt des jungen Paul Atraidis (Timothee Chamalet) zu kommen; er ist der Thronfolger des Hauses Atraidis, aber mehr noch könnte er der Heilsbringer sein, der das Volk der Fremen zu einen vermag…

Autor Frank Herbert, der gern als ein Vorbote des Nachhaltigkeitsdiskurses gesehen wird, hat mit seinem Roman aus dem Jahr 1965 tatsächliche Begebenheiten unserer Gegenwart vorausgesagt: Die globale Erwärmung, die riesige Landstriche veröden lässt, die Ausbeutung anderer Kulturen zum Abbau von Rohstoffen, ja sogar die jüngsten Entwicklungen im Afghanistan werden in Dune erkennbar. Die Erzählung aber steigert und verfremdet diese Themenfelder mit den Mitteln des „world building“, ohne die es keine Immersion geben kann und gelungene Science-Fiction nicht auskommt. Der politische Grundkonflikt der in diesem Setting ausgetragen wird, ist aber immer noch der gleiche: Das immergleiche Ränkeschmieden wird uns offenbar, ein Spiel um Throne, das einzig dem Erhalt der Macht dient. Villeneuve geht zum Stoff mithin nicht auf ironische Distanz, sondern nimmt die Science-Fiction, wie bereits in Blade Runner 2049, überaus ernst. Deshalb kann er sich auch den Verzicht auf Reduktion erlauben; an Dune drängt alles hin zur Maßlosigkeit: Die Raumschiffe sind übergroß, das Setdesign stellt in seiner Gigantomanie alles andere in den Schatten. Das Schauspiel ist nicht der Nuance oder der Zurücknahme verpflichtet, sondern setzt auf die direkte Lesbarkeit: Paul Atraidis ist der nachdenkliche, schüchtere Hoffnungsträger, der auf die Heldenreise geschickt wird. Der Schurke, der Baron Harkonen, hier von Stellan Skarsgard interpretiert, ist schurkisch und nichts als schurkisch... Das gilt ebenso für das Sounddesign: Die Musik von Hans Zimmer ist ein Klangteppich von auffallend dröhnender Kraft. Die Bässe sind ohrenbetäubend tief, die Chorstimmen ausgesprochen hoch – ein Klangbombast, der auf die Überwältigung zielt. Dune nutzt seine filmischen Parameter, von Bild und den Ton, um ganz zur Vereinnahmung der Sinne zu gelangen – ein Spektakel von überaus hoher Eindrücklichkeit.

Marc Trappendreher
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