ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Der Hofstaat wird verstaatlicht

d'Lëtzebuerger Land vom 20.11.2020

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“, besang Rainer Maria Rilke melancholisch einen Herbsttag. Schenkte die Regierung deshalb Großherzog Henri noch schnell zum Herbstbeginn eine Maison du Grand-Duc?

Im Interesse der Staatsräson und für den Krisenfall muss der Großherzog den Eindruck erwecken, dass er väterlich über den gesellschaftlichen Klassen thront. Zu diesem Zweck verkörpern er und seine Familie eine Klasse sui generis: diejenige des Luxemburger Hochadels. Um diese hohe Stellung zu wahren, darf er nicht wie der Regierungschef in einem Bonneweger Reihenhaus wohnen: Der Staat spendiert ihm einen Palast in Luxemburg und ein Schloss in Berg.

Deshalb ist die Maison du Grand-Duc kein neues Daheim, sondern die Verwaltung des Staatsoberhaupts. Ihre rechtliche Form bleibt ungeklärt. Die CSV hatte gemeint, dass die Maison du Grand-Duc Beamten beschäftige, also eine staatliche Institution sei. Die könne nur durch ein Gesetz geschaffen werden. Aber ein Gesetz hätte eine öffentliche Debatte im Parlament verlangt, die sich rasch der Amtsführung, dem Nutzen und den Kosten der großherzoglichen Familie zugewandt hätte. Zudem hätte sich erneut gezeigt, dass der Großherzog bloß noch die Unterstützung der klerikalen Rechten von CSV und ADR genießt.

So drängte die Regierung den Großherzog, einen großherzoglichen Erlass zur Schaffung einer Maison du Grand-Duc zu unterschreiben, die er für einen goldenen Käfig hält. Der Hofstaat war bisher staatlich finanziert, aber privat geführt. Seit zwei Jahrhunderten traut das liberale Bürgertum der Monarchie nicht über den Weg, besonders nicht in Geldangelegenheiten, die ihm heilig sind. Mit ihrer Willkür und ihren Kapriolen gaben der Großherzog und die Großherzogin ihm Recht. Legitimiert von 30 774 Wählerstimmen, übernimmt Premier Xavier Bettel die Kontrolle über die Verwaltung des nicht gewählten Staatsoberhaupts. Mit Zwangsverwaltung will er es vor dem politischen Konkurs retten.

Darum hat die Regierung den Hofstaat verstaatlicht. Sie hat aus dem Gefolge des Fürsten Staatsbeamte und Staatsangestellte mit Rechten und Pflichten gemacht. Auch der Personenschutz wird wieder der Polizei unterstellt. In dem heimlich von ihm aufgezeichneten Gespräch mit seinem Premier Jean-Claude Juncker hatte der damalige Geheimdienstdirektor Marco Mille am 31. Januar 2007 gewarnt: „Et ass e Bëssen esou eng eege Privatarméi. Déi ass jo net kontrolléiert, déi maache wat se wëllen.“

Über das Budget der Maison du Grand-Duc, die Personalpolitik, die offiziellen Verlautbarungen und das Auseinanderbröseln der Vermögensverhältnisse entscheidet nun letztinstanzlich ein Koordinationsausschuss. Er untersteht paritätisch Jacques Flies, dem Generalsekretär des Regierungsrats, das heißt dem Premierminister, und dessen ehemaliger diplomatischer Beraterin, der Hofmarschallin Yuriko Backes. Seinen informellen Berater Norbert Becker hat der Regierungschef an die Spitze der großherzoglichen Domänenverwaltung gesetzt.

Wie golden der Käfig ist, lässt sich im Staatshaushalt nachrechnen: Das Budget des Staatsministeriums weist für 2020 Ausgaben in Höhe von 10,6 Millionen Euro zugunsten des großherzoglichen Hofs aus. In seinem Rapport sur l’exécution de ma mission comme Représentant spécial du Premier Ministre auprès de la Cour grand-ducale (S. 23) hatte Jeannot Waringo Anfang des Jahres die Ausgaben der anderen Ministerien im Interesse des Großherzogs hinzugerechnet und war auf 14,2 Millionen Euro gekommen. Im Haushaltsentwurf für nächstes Jahr sind nun 17,5 Millionen Euro vorgesehen. Das macht eine Steigerung um 3,3 Millionen Euro aus, der Preis von 65 Kilo Gold für den Käfig.

Romain Hilgert
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