Auf eine parlamentarische Anfrage des DP-Abgeordneten André Bauler lieferte Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) in dieser Woche die Liste mit den 23 Gemeinden, die 14 Jahre nach Verabschiedung des Pacte-Logement-Gesetzes sich noch immer weigern, bebaubare Grundstücke in die Grundsteuerklasse B6 aufzunehmen. Es handelt sich vor allem um ländliche Majorzgemeinden im Norden und Osten des Landes; fast alle werden sie von Bürgermeistern geführt, die Mitglied in der DP oder in der CSV sind. Doch auch die flächenmäßig zu den drei größten Kommunen gehörenden Proporzgemeinden Clerf und Rambrouch haben es bislang abgelehnt, das 2008 geschaffene Instrument zur Mobilisierung von Bauland einzuführen. In beiden Gemeinden hat die CSV die absolute Mehrheit (selbst wenn der député-maire und Syvicol-Präsident Emile Eicher in Clerf nach sektionsinternen Turbulenzen und einem Sterbefall eine Allianz mit einer Biergerlëscht einging).
Unter den Kommunen, die den Grundsteuersatz B6 zwar eingeführt haben, ihn aber so niedrig belassen, dass er unwirksam ist, finden sich neben drei CSV-geführten Gemeinden (Manternach, Rosport-Mompach und Larochette) mit Steinsel, Dippach, Steinfort und Mertert auch vier Gemeinden, in denen die LSAP den Bürgermeister stellt. Das dürfte insofern überraschen, als der Gesetzentwurf zum Pacte Logement 2007 vom CSV-Wohnungsbauminister Fernand Boden hinterlegt und 2008 von der CSV-LSAP-Mehrheit angenommen wurde. Député-maire Ali Kaes, dessen Gemeinde Tandel zu den 23 „Verweigerern“ gehört, stimmte damals genauso dafür wie der Steinseler député-maire Jean-Pierre Klein von der LSAP. Die DP, die 2008 in der Opposition war, lehnte den Pacte Logement ab, auch weil sie sich prinzipiell schwer täte mit Steuern, „déi d’Leit bestrofen, amplaz se ze belounen.“
Über die Gründe, weshalb mehr als ein Drittel aller Gemeinden die Grundsteuerklasse B6 nicht anwenden oder den Hebesatz sehr niedrig halten, lässt sich nur spekulieren. In den kleineren Majorzgemeinden liegt es vielleicht daran, dass die Lokalfürsten Angst vor einem Rechtsstreit mit wohlhabenden und einflussreichen Familien haben, denen sie nicht zuletzt ihren politischen Erfolg verdanken. Als der Diekircher Gemeinderat 2020 entschied, die Grundsteuer auf ungenutztem Bauland zu verzwanzigfachen, legten 15 Eigentümer/innen Einspruch vor dem Verwaltungsgericht ein.
Außer Diekirch hat noch keine Gemeinde sich getraut, den Grundsteuersatz B6 so hoch anzusetzen, dass er seine Wirksamkeit entfalten kann. Deshalb hat die Regierung vor einigen Monaten beschlossen, neben der Modernisierung der Grundsteuer auch eine nationale Spekulationsgebühr auf ungenutztem Bauland einzuführen. Inzwischen wird sie Mobilisierungssteuer genannt, weil das für Spekulanten weniger diskriminierend klingt. Alle großen Parteien haben sich dafür ausgesprochen. Schon im Herbst könnte der Gesetzentwurf in der Kammer hinterlegt werden. Bei der Besteuerungsgrundlage sollen Faktoren wie geographische Lage und Baudichte mit in Betracht gezogen werden. Wie hoch die Steuer am Ende sein wird, steht noch nicht fest. Wer genau sie bezahlen soll, ebenfalls nicht. Die „Bomi mam Terrain fir hir Enkelkanner“ jedenfalls nicht. Eher Großgrundbesitzer, die Bauland gezielt zu Spekulationszwecken zurückhalten. Um wieviele Personen und Gesellschaften es sich dabei überhaupt handelt, ist nicht bekannt.
Dass die Grundsteuerreform noch vor den nächsten Wahlen verabschiedet wird, ist unwahrscheinlich. Der Staatsrat war schon 2007 gegen den Gesetzentwurf zum Pacte Logement Sturm gelaufen. Tatsächlich sah die erste Vorlage vor, dass Gemeinden Eigentümer per Gemeinderatsbeschluss dazu verpflichten könnten, ihr Grundstück innerhalb von drei Jahren zu bebauen. Kämen sie dieser Anordnung nicht nach, könnte die Gemeinde eine Enteignungsprozedur einleiten. Abgesehen davon, dass diese Disposition einer Verfassungsänderung bedurft hätte, die aber nie vorgenommen wurde, wäre es vom Gesetzgeber unverantwortlich gewesen, so viel Verantwortung auf die Gemeinden abzuwälzen. Umso mehr, weil viele von ihnen sich bis heute nicht einmal dazu durchringen konnten, eine Grundsteuer auf ungenutztem Bauland zu erheben.