Zum Schluss wurde Finanzminister Pierre Gramegna (DP) pädagogisch und sprach über „die Menschen“ hinter den Zahlen: Ein Paar mit Kindern werde künftig finanziell besser dastehen, weil es erstens vom flexibleren Elternurlaub profitiere, zweitens am Ende des Monats dank „sozial gerechter Steuerreform“ mehr im Portemonnaie habe, weil drittens ab 2. Oktober die Gratis-Kinderbetreuung beginne und viertens der Staat die Kosten für die Schulbücher übernehme. Ihnen, Mittelschichtsfamilien, in denen beide Partner arbeiten, so Gramegnas Schlusswort, gelten die diesjährigen haushaltspolitischen Maßnahmen besonders. Jetzt, wo laut Regierung die Staatsfinanzen wieder stabil sind, die Konjunktur brummt – und die Politik in Gedanken längst bei den kommenden Chamber-Wahlen ist.
In der Tat nimmt die DP/LSAP/Grüne-Koalition viel Geld in die Hand, um ihre Reformen in den Bereichen Familie und Soziales (Gesamthaushalt 1,57 Milliarden Euro) sowie Erziehung, Kindheit und Jugend (zwei Milliarden Euro) umzusetzen – übrigens beides Ressorts von Gramegnas liberalen Parteikollegen, Familienministerin Corinne Cahen und Erziehungsminister Claude Meisch. Allein das Budget der sprachlich zur „Zukunftskasse“ aufgemotzten Kasse für Familienleistungen, die unter anderem das Kindergeld auszahlt, wird sich 2018 auf satte 1,12 Milliarden Euro belaufen, das sind fast 19 Millionen mehr als noch 2016.
Für den flexibilisierten Elternurlaub, dessen neue Höhe auf 1 923 Euro mindestens bis maximal 3 200 Euro monatlich festgelegt wurde und der als Ersatzeinkommen dienen soll, um den Urlaub insbesondere für erwerbstätige Väter attraktiver zu machen, werden statt 74 Millionen im Jahr 2016 für das kommende Jahr 165 Millionen veranschlagt. Der Posten könnte noch steigen: Im Mehrjahres-Haushaltsplan, den Luxemburg nach Brüssel schickt, ist die Kreditlinie für den Elternurlaub für 2021 auf 185 Millionen Euro angesetzt. Noch teurer könnte es werden, sollte der Vaterschaftsurlaub von inzwischen fünf auf zehn Tage ausgedehnt werden. Derzeit prüft die Regierung, ob derlei Pläne finanzierbar wären, ohne die Betriebe zu belasten. Wichtig ist: Die Nachricht ist draußen, das gibt gute Schlagzeilen. Eine Möglichkeit sei, hatte Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) im Juli wissen lassen, die zusätzlichen Ausgaben über die Sozialversicherung zu decken. Der Urlaub war erst von zwei auf fünf Tage heraufgesetzt worden.
Den größten Batzen, insgesamt ungefähr 156 Millionen Euro, gibt der Staat für die außerfamiliäre Kinderbetreuung aus, mit deren Hilfe die Koali-
tion die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern will. 36,2 Millionen Euro sind für die viel diskutierte kostenlose Sprachförderung vorgesehen, die Gesamtrechnung könnte höher ausfallen. Zu den Ausgaben für Krippen, Kindergärten und Schulhorts sind jene für die staatlich anerkannten Tageseltern hinzuzurechnen, die über die neuen Tarife der Chèques-service ab diesem Monat ebenfalls höhere Zuschüsse erhalten. Die Ausgaben steigen von 15 auf 19,2 Millionen Euro.
Eltern, deren Kind den Sekundarschulunterricht besucht, erhalten ab 2018 Schulbücher gratis, dafür stellt der Staat 14,5 Millionen Euro bereit. Das macht Sinn angesichts des Digital4Education-Ziels: Es würde erlauben, schneller auf Online-Materialien umzusteigen. Durchschnittlich 300 bis 500 Euro geben Eltern für Schulbücher pro Jahr aus, je nachdem welches Lyzeum und welche Ausbildung ihr Kind besucht. Bisher sind lediglich die Bücher für die Grundschule gratis.
Nach den Sparmaßnahmen durch den umstrittenen Zukunftspak zu Beginn der Legislaturperiode investiert die Regierung ein Jahr vor den Parlamentswahlen also kräftig in Familien und Bildung. Allein für die Grundschulen belaufen sich die Gesamtausgaben für 2018 auf 565 Millionen Euro, Tendenz laut Mehrjahresplan steigend (bis 2021: 646 Millionen). Für die Sekundarschulen sind es 595 Millionen Euro (für 2021: 691 Millionen).
Die neuen Regionaldirektionen zur Schulaufsicht und -beratung schlagen mit 8,5 Millionen Euro zu Buche, das sind 3,4 Millionen Euro mehr als noch 2016. Das hängt damit zusammen, dass zwar die Anzahl der Büros von 23 Inspektoraten landesweit auf 15 Regionaldirektionen gesenkt wurde, dafür aber die Direktionen mit mehr Leitungspersonal ausgestattet wurden. Das kostet. Hinzu kommen neue Ausgaben für die 40 Speziallehrer für die Grundschulen, die 2018 eingestellt werden sollen. Zählt man die Kosten für die bewilligten (gebraucht werden mehr) 105 Lehrer in den Grund-, den 121 Lehrern für die Sekundarschulen und für die 224 Kinderbetreuer hinzu, kommen erhebliche Mehrkosten für Personal auf den Staat zu. Wobei fraglich ist, wie schnell diese Lehrkräfte eingestellt werden können. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass weit weniger geeignete Kandidaten gefunden werden, als gesucht.
Die Regierung investiert nicht nur in die öffentliche Bildung, auch die privaten Schulen kommen unter der sozialliberalen Koalition in den Genuss von deutlich mehr Zuschüssen: Ihr Etat steigt von 86,5 Millionen auf 92,4 Millionen Euro für 2018; bis 2021 sind 98,3 Millionen Euro veranschlagt, was nicht zuletzt daran liegt, das mehr Eltern ihre Kinder in Privatschulen anmelden und laut Ministerium die Kosten pro Schüler allgemein steigen.
Auch für pädagogisch-konzeptuelle Projekte macht die Regierung Geld locker. Der Service de coordination de la recherche pédagogiques et technologiques bekommt sechs Millionen Euro mehr, sein Budget beläuft sich insgesamt auf 24,3 Millionen Euro, was damit zu erklären ist, dass der Script die Umsetzung verschiedener Reformen koordiniert und inhaltlich vorbereitet. Von dort stammt etwa die Vorarbeit zur durchgehenden Sprachförderung vom Kleinkindalter bis Première, neue didaktische Materialien, sowie Instrumente zur Diagnose.
Die Éducation différenciée wird, allen Unkenrufen zum Trotz, nicht abgebaut. Laut Budgetentwurf erhöhen sich die Ausgaben von 57,9 Millionen (2016) auf fast 60 Millionen Euro. Das liegt vor allem am Personal: Claude Meisch will die mobilen sonderpädagogischen Förderteams personell verstärken, die ab Herbst in den Regelschulen Kinder mit spezifischem Förderbedarf unterstützen. Im Haushalt 2018 sind 42 Posten bewilligt. Die Investiotionen in die öffentliche Schule sollen allen Kindern, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, gleichermaßen zugutekommen. Inwiefern Meischs Schulreformen das Versprechen verbesserter Bildungschancen einlösen kann, bleibt indes abzuwarten. Bescheiden ist der Etat für das neue nationale Bildungsobservatorium und für die an sich drei Mediationsstellen ausgefallen, die aus Kostengründen zu einer zusammengeführt wurden: Er beläuft sich insgesamt auf 30 000 Euro.
Der Staat erhöht auch die Ausgaben für Kinder und Familien in Not: Für das Office national de l’enfance sind 91,3 Millionen Euro vorgesehen, das sind fast 10,1 Millionen Euro mehr als noch 2016. Darunter fallen steigende Ausgaben für ambulante Therapie- und Erziehungshilfen, die unter anderem bedingt sind durch das anhaltende Bevölkerungswachstum. Für Kinderheime und weitere stationäre Angebote im Bereich der Kinder- Jugendhilfe sind insgesamt fast 24 Millionen Euro vorgesehen.
Die Reform des Revenu minimum garanti, künftig Revis (Revenu d’inclusion sociale) genannt, ist ein weiteres Vorzeigeprojekt von Ministerin Corinne Cahen. Im Budget sind für 2018 5,3 Millionen für zusätzliche Betreuungsangebote von Revis-Empfängern vorgesehen, allerdings könnten diese Kosten bis 2021 bis auf 15,9 Millionen Euro steigen. Insgesamt beziffert der Entwurf die Staatsausgaben für den Revis auf 185,2 Millionen für 2018, für die Allocation de vie chère auf 36,2 Millionen Euro. Für die sogenannte Aktivierung von Erwerbslosen, Kernidee der neoliberalen Reform, investiert der Staat in mehr Personal. Die Höhe des RMG selbst bleibt indes unverändert, obwohl Gewerkschaften und Wohlfahrtsorganisationen darauf drängen, sie anzuheben. Die Regierung hat das heiße Eisen auf nach den Wahlen vertagt und lieber eine Studie beim Wirtschafts- und Sozialrat zur Entwicklung der Mindestlöhne in Auftrag gegeben. Langzeitarbeitslosen sollen staatlich subventionierte Kombilohn-Maßnahmen den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern. Ihre Zahl wurde auf 400 Stellen begrenzt. Bei den Ärmsten der Armen, darunter die Versorgung der Wohnungslosen, wurde das Budget erhöht: von 13,8 auf 19,7 Millionen Euro. Der staatliche Zuschuss für die Sozialämter der Gemeinden bleibt nahezu unverändert bei zehn Millionen Euro.
Weil wegen des Kriegs in Syrien und in den Nachbarländern die Zahl der Asyl suchenden Flüchtlinge rasant gestiegen ist, wird der Etat der Ausländerbehörde Olai von 33,3 Millionen im Jahr 2016 auf 42,7 Millionen Euro für 2018 erhöht. Mit den Geldern finanziert der Olai vor allem die Unterbringung in Flüchtlingsheimen, Integrationskurse und betreuendes Personal. Am 1. September startete das mit 500 000 Euro dotierte dreiphasige Pia-Programm (Parcours d’intégration accompagné), das Flüchtlinge bei der Integration unterstützen soll. Die Flüchtlingsfrage könnte, neben der Sprachenpolitik, beim Wahlkampf 2018 eine Schlüsselrolle spielen. Wohl nicht umsonst betonte Finanzminister Pierre Gramegna in seiner Rede am Mittwoch, die 21,8 Millionen Euro, die die Regierung 2018 zusätzlich für Flüchtlinge bereitstellen werde, seien nicht nur für Unterbringung und Betreuung gedacht, sondern auch für „Hilfen für ihre Rückführung“.