Den Beschäftigungsgrad über 55-Jähriger zu steigern, ging bisher in Konflikten um unternehmerische Freiheit und Mitsprache der Gewerkschaften unter

Älter und noch arbeiten

In der Firma Rotarex in Lintgen
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 31.01.2025

Dass Menschen von Mitte fünfzig und älter berufstätig sind, ist in Luxemburg verhältnismäßig wenig verbreitet. 2022 war es knapp jeder Zweite. Da lag die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen bei 46,6 Prozent. Im Vergleich der OECD-Länder war sie nur in der Türkei mit 32,5 Prozent noch niedriger. In Island war sie mit 82,6 Prozent am höchsten.

Wenngleich die Konjunktur zurzeit nicht gut ist und die Arbeitslosenquote bei 5,9 Prozent verharrt, beklagen die Betriebe dennoch einen Mangel an qualifiziertem Personal. Je nach Sektor verschieden laut zwar, doch im jüngsten Baromètre de l’économie der Handelskammer, das vergangenen November erschien, hatten 59 Prozent der befragten Unternehmen den „manque de main d’œuvre qualifiée“ die für sie größte Herausforderung für 2025 genannt.

So dass die Betriebschefs daran interessiert sein müssten, ihr schon etwas in die Jahre gekommenes Personal zu halten. Wegen seiner Erfahrung und weil Knappheit herrscht. Und vielleicht auch wegen seines Arbeitsethos’. Romain Schmit, der Direktor der Handwerkerföderation, formuliert es so: „Die Generation Z fragt in Einstellungsgesprächen Sachen, die ich mich nicht zu fragen getraut hätte, als ich jung war. Zum Beispiel, wann das erste Sabbatical genommen werden kann.“

Geht es um Ältere, ist natürlich auch von den Renten zu reden. Aber gibt es im Personalmanagement Ansätze, die speziell auf Ältere zugeschnitten sind? Die zum Beispiel in Betracht ziehen, dass verminderte physische Leistungsfähigkeit durch andere, entsprechend angepasste Arbeisaufgaben aufgefangen werden kann? Tauschen die Betriebe sich über best practices aus?

Eine Anfrage bei den Unternehmerverbänden führt nicht weit. Fedil, Horesca und Versichererverband Aca antworten nicht. Die Bankenvereinigung ABBL und die Luxembourg Confederation, in der vom Einzelhandel bis zu Transportbetrieben mehrere Branchen regruppiert sind, meinen, dazu sollte sich besser der Unternehmerdachverband UEL äußern. Bleibt die Handwerkerföderation. Romain Schmit geht davon aus, dass „die meisten“ Betriebe im Handwerk an Maßnahmen für Ältere interessiert sein müssten. Kleine Betriebe vielleicht weniger, doch es herrsche Arbeitskräftemangel. Von direkt erwähnenswerten Initiativen weiß Romain Schmit allerdings nichts. Als er bei den Mitgliedsverbänden der Föderation nachfragt, bleibt das ohne Resultat.

Was nicht heißen muss, dass es keine solchen Initiativen gibt. Doch dass es viele wären, darauf deuten schon die Zahlen der Arbeitsmarktverwaltung Adem nicht hin. Zwischen Juni 2023 und Juni 2024 lag in sämtlichen Sektoren der Anteil der Neueinstellungen von über 55-Jährigen bei nur vier bis acht Prozent. Am höchsten war er im Bau- und im Transportgewerbe, am niedrigsten im Handel, der IT-Branche, dem Finanzsektor und im öffentlichen Dienst. Am meisten rekrutiert wurden überall 25- bis 34-Jährige. Strukturell liegt der Akzent dort.

UEL-Direktor Marc Wagener meint auch, dass ältere Mitarbeiter/innen zu halten, zur „immer größeren Herausforderung“ werde. Doch wie er die Sache sieht, sei die hierzulande niedrige Beschäftigungsquote der Älteren „vor allem durch das großzügige Rentensystem zu erklären“.

Was auch ein wenig erhellt, weshalb die meisten Unternehmerverbände zum Thema entweder nichts sagen, oder vorziehen, dass die UEL das tut: Eine Rentenreform schwebt in der Luft. Aber ganz Unrecht hat der UEL-Direktor mit seiner Einschätzung vermutlich nicht. In Luxemburg kann eine Altersrente nach 40 Beitragsjahren angetreten werden, frühestens mit 57. Wer mit Beitragsjahren und „Ergänzungszeiten“ auf 40 Jahre kommt, darf ab 60. Ergänzungszeiten können zum Beispiel Ausbildungsjahre sein, die zwischen 18 und 27 absolviert wurden. Auf die Höhe der Rente haben sie einen nur sehr geringen Einfluss, gelten aber als „Stage-Zeit“, um früher gehen zu können, sofern die zu erwartende Rente hoch genug erscheint. Das ist die Abwägung, die alle Älteren irgendwann anstellen dürften: Ob es sich lohnt, länger zu arbeiten, wenn man nicht muss. Aber auch, ob es auszuhalten wäre. Die Frührente ab 57 wurde auch eingeführt, um schwer körperlich Tätigen entgegenzukommen. Andernfalls müsste definiert werden, was „travaux pénibles“ sind, nach denen ein früherer Renteneintritt zulässig wäre. In Frankreich wurde darüber vor anderthalb Jahrzehnten fünf Jahre lang diskutiert. Ohne zu einem Resultat zu gelangen, mit dem alle Seiten zufrieden gewesen wären.

In Luxemburg hatte die CSV-LSAP-Regierung vor 13 Jahren noch einen anderen Weg einzuschlagen versucht. Er hat mit der Frage zu tun, ob es ein an die Generationen in den Betrieben angepasstes Personalmanagement gibt. Die Rentenreform von 2012 sollte nicht nur die Leistungen kürzen. Sie versprach auch einen „véritable Pacte de l’âge“. Bestandteil der Rentenreform selber war er nicht. Es sollte später Gesetzentwürfe geben. Zum Beispiel über „Plans de gestion des âges“, die in Betrieben ab 150 Beschäftigten obligatorisch werden sollten. Oder über eine Kombination aus Teilzeit und Teilrente. Diese beiden Versprechen nahmen die Gewerkschaften OGBL und LCGB offenbar ernst. Als sie im Oktober 2012 ihren Widerstand gegen die Rententreform von LSAP-Sozialminister Mars Di Bartolomeo und CSV-Finanzminister Luc Frieden aufgaben, erklärte der damalige OGBL-Präsident Jean-Claude Reding das vor der Presse unter anderem mit den in Aussicht stehenden Plänen zum Personalmanagement und der Teilrente-Teilzeit-Kombi. Bis heute gibt es beide nicht.

Die Frage nach dem Warum ist nicht uninteressant. Denn parallel zu den öffentlichen Debatten mit Mars Di Bartolomeo um eine Rentenkürzung lief im Ständigen Beschäftigungskomitee CPTE eine nicht öffentliche mit LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit um die „Plan des âges“. Nicht ohne Erfolg, wie es schien: Der damalige UEL-Direktor Pierre Bley freute sich am 22. März 2012 in einer Sitzung des parlamentarsichen Sozialausschusses, dass Schmit im CPTE einer „politique incitative et non punitive“ den Vorzug gegeben und von „certaines mesures insensées“ abgesehen habe. Und: Die UEL „souscrit notamment à la disposition prévoyant une obligation pour l’employeur occupant plus de 150 salariés d’élaborer un plan de gestion des âges“, so das Protokoll der Sitzung.

Wieso Schmit den Gesetzentwurf, den er zwei Jahre später als Arbeitsminister der ersten DP-LSAP-Grüne-Regierung im Parlament einreichte, aufgab, ist nicht genau zu rekonstruieren. Handels- und Handwerkskammer verrissen in ihrem gemeinsamen Gutachten „en premier lieu l’obligation d’instaurer un plan de gestion des âges pour les entreprises d’au moins 150 salariés“. Das müsse von den Unternehmen selber ausgehen. Der Arbeitnehmerkammer ging der Text nicht weit genug: Wieso sollten nicht auch kleinere Betriebe solche Pläne aufstellen? Und wieso wollte der Arbeitsminister die Kombination aus Rente und Teilzeit nur zu einer Möglichkeit machen und nicht zu einem Recht? Dass der Gesetzentwurf ein Kompromiss mit allen Seiten sei, bestritten die Gewerkschaften ebenso wie das Patronat. Nicolas Schmit habe allein gehandelt.

Seit Oktober 2015 liegt der Gesetzentwurf in einer parlamentarischen Schublade. Nach jeder Kammerwahl wurde er der nächsten politisch zuständigen parlamentarsischen Kommission übergegen; am 24. November 2023 war das wieder so. Ob CSV-Arbeitsminister Georges Mischo darauf zurückkommt und schon weiß, mit welchem Ziel? Die Presseabteilung des Ministeriums teilt mit, der Gesetzentwurf werde auf jeden Fall „tiefgreifend analysiert“. Würde er weiterverfolgt, müsse es neue Verhandlungen mit den Sozialpartnern geben.

Weil die im Ständigen Beschäftigungsausschuss geführt werden müssten, den OGBL und LCGB am 8. Oktober demonstrativ verließen wegen Mischos Aktionsplan-Vorentwurf für Kollektivverträge auch ohne Gewerkschaften, ist fraglich, ob über Plans des gestion des âges und Teilrenten plus Teilzeit diskutiert werden könnte, während Sozialministerin Martine Deprez (CSV) vielleicht nach der Rentrée Ernst macht mit einer Rentenreform. Eine schlechte Idee scheint ein organisiertes Personalmanagement der Generationen nicht. Denn von alleine gibt es offenbar keines. Ein gleitender Übergang in den Ruhestand durch Verbindung von Teilrente und Teilzeit hört sich auch nach einer guten Idee an. Bisher gibt es das nur im öffentlichen Dienst, seit 2018 sehr flexibel. Während eine retraite progressive bezogen wird, kann zwischen 25 und 90 Prozent weitergearbeitet werden. Die meisten Staatsbeamten würden 50-50 wählen, teil das Ministerium des öffentlichen Dienstes mit. Viele nähmen die progressive Pension aber nicht in Anspruch: Vergangenes Jahr waren es 18 Beamte, im Jahr davor 24.

Vergleichbar damit gibt es im Privatsektor nur eine préretraite progressive. Die Arbeitszeit wird um 40 bis 60 Prozent verkürzt, für maximal drei Jahre, in der Regel nur für Beschäftigte zwischen 57 und 63. Stets muss für die frei gewordene Arbeitszeit ein bei der Adem eingeschriebener Arbeitsuchender eingestellt werden. Dann übernimmt für den Teil-Frührentner der Beschäftigungsfonds die Rentenzahlung. Wie das Arbeitsministerium mitteilt, werde die Maßnahme immer beliebter. 2022 wurde sie 137 Mal genutzt, 2024 272 Mal.

Können Plans de gestion des âges und flexiblere Rentenlösungen den Betrieben wertvolle Arbeitskräfte erhalten und zugleich die Rentenkasse füllen helfen? Das hängt auch davon ab, was damit politisch vor allem gewollt ist. In ihrem Beitrag zum Renten-Avis des Wirtschafts- und Sozialrats wies die UEL im Juli darauf hin, dass längerer Verbleib in Beschäftigung zu mehr Rentenrechten führt, weil das Luxemburger System so großzügig ist. Was mathematisch stimmt, aber politisch hieße, die Rentenleistungen auf jeden Fall weiter zu kürzen. Vielleicht auch ohne begleitende Pläne zum Personalmanagement.

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Peter Feist
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