Der emeritierte Professor für Geschichte Roger Griffin spricht über Faschismus, Trump und die Machtfantasien der neuen Oligarchen

Die perverse Brillanz der illiberalen Demokratie

Am US-Wahltag im Café The Spot
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 31.01.2025

Wir erreichen Roger Griffin über Zoom. Er sitzt in seinem Büro in einem Reihenhaus in Oxford, unweit der Universität Oxford Brookes, deren Geschichtsabteilung er mit aufgebaut hat. Hinter ihm steht ein Regal voller Geschichtsbücher des 20. Jahrhunderts, seine etlichen Krisen und Kriege. Heute allerdings will der Historiker sich zur Gegenwart äußern – und tut das mit viel Emphase.

d’Land: Sie sind seit 77 Jahren auf der Welt und sind Historiker. Im Moment scheint es ein wenig so, als würde die Welt, wie man sie kennt, untergehen. Ist dem so?

Roger Griffin: In der Menschheitsgeschichte hat es immer schon Gemeinschaften gegeben, die dachten, dass der Untergang bevorsteht. Messianische Erwartungen, die sich auch zu Jahrtausendwenden beobachten ließen. Das gehört zum Menschsein dazu. Allerdings gibt es nun Hinweise darauf, dass der apokalyptische Mythos und die objektive Realität sich treffen. Einerseits gibt es die demographische Explosion und den Druck auf die Umwelt. All das gab es in dieser Weise vorher nicht. Es gibt Szenarien in der Wissenschaft, die auf einen genuinen Kollaps der Biosphäre hindeuten. Die Klimakrise und die damit einhergehenden Krisen würden Kriege und Konflikte auslösen, die den Zweiten Weltkrieg eher klein aussehen lassen. Ich nenne das Mega Death. Aus historischer Sicht würde man die Zeit als eine Reihe von Krisen interpretieren, die sich in einem Zivilisationskollaps, wie es ihn schon öfter gegeben hat, ausdrücken. Es gibt eine starke Hybris des Westens, doch die Kombination aus technologischer Arroganz, nationalistischer Grandeur und ökologischer Krise könnte bedeuten, dass die Zivilisation, in der ich jetzt einkaufen gehe und rumfahre, in den nächsten 20 bis 50 Jahren nicht mehr existiert.

Können Sie den Begriff Faschismus definieren? Und daran angeschlossen: Ist Donald Trump ein Faschist?

Faschismus ist ein angefochtener Begriff. Er wird nicht nur technisch-beschreibend genutzt, sondern auch als Schimpfwort oder um jemanden zu canceln. Einerseits gibt es die marxistisch-kommunistische Theorie, die Faschismus als einen Ausdruck von Kapitalismus sieht. In diesem Sinne wird der Kapitalismus in der Krise zu einem aggressiven Vektor gegen Sozialisten, Kommunismus und Gleichheit. Das war der Fall im Deutschland der 30er Jahre. Da könnte man natürlich sagen: Heute haben wir Trump und die Mega-Kapitalisten wie Elon Musk. Aber außerhalb der marxistischen Tradition ist die akademische Debatte zum Faschismus komplizierter. Seit den 90-er Jahren gibt es die Idee, dass Faschismus eine revolutionäre Form des Ultranationalismus darstellt. Anders gesagt: Er hat keinen Platz in einer repräsentativen Demokratie. Er muss eine neue Weltordnung schaffen, wie es Mussolini im Januar 1925 tat und Hitler im Januar 1933. Letzterer annullierte die Weimarer Republik mit dem Ermächtigungsgesetz, um einen neuen Staat zu schaffen. Die AfD, der Rassemblement National, Modi in Indien oder Trump in den Staaten wollen keinen neuen Staat.

Was dann?

Eine De-Liberalisierung der Demokratie. Es wird oft vergessen, dass die Demokratie über mehrere Jahrhunderte liberalisiert und sozialisiert wurde, damit auch Frauen und Minderheiten Rechte haben. Es ist ein langer Weg gewesen. Illiberale Demokratie ist das, was Viktor Orbán in Ungarn quasi geschafft hat. Er hat keine neue Weltordnung begonnen. Der Hauptirrtum heutzutage besteht darin, zu glauben, eine Demokratie sei automatisch und inhärent liberal.

Ihr Kollege, der amerikanische Historiker Robert Paxton, ebenfalls Faschismus-Experte, wehrte sich lange, Trump als Faschist zu bezeichnen. Bis zum 6. Januar 2021, als ein Mob das Kapitol stürmte.

Dieses Event kam einem Putsch wie jenem in München 1923 am nächsten. Trump gab das orange Licht, aber er wurde nicht zum Leader des Putsches, er rief nicht das Militär hinzu, um das Kapitol zu stürzen. Er hielt sich zurück. Dann durchlief er den Verfassungsweg, wurde demokratisch wieder gewählt. Ich kann kein Indiz erkennen, dass er den amerikanischen Konstitutionalismus zerstören will. Er will die Demokraten nicht in Konzentrationslager stecken, sondern die demokratischen Organe mit den Republikanern dominieren. Im Supreme Court, im Repräsentantenhaus, im Senat. Eine De-Liberalisierung steht im großen Kontrast zur Faschisierung. Meiner Meinung nach irrt Paxton sich. Die Rechte ist eine Familie aus vielen verschiedenen Strömungen, die alle auf dem Ausschluss einiger Minderheiten basieren. Doch der neue Populismus ist keine moderne Form, kein Nachkomme des Faschismus, wie es manche Historiker behaupten. Sein Ziel ist ein anderes. Dazu muss man sagen: Am 6. Januar 2021 waren durchaus Faschisten dabei. Auch in Charlottesville. Während des Wahlkampfs 2020 sagte Trump, die Proud Boys sollen „stand aside and stand by“. Decodieren Sie das. Es ist ein doublethink, der bedeutet: Faschisten sind kein Teil hiervon, aber sie können sich bereithalten. Am 6. Januar 2021 hat er mit einem faschistischen Putsch geflirtet. Aber er ist ein Pragmatiker. Er hat die Kapitol-Randalierer benutzt.

Demnach fallen einige weitere Staatsoberhäupter unter diese Definition der De-Liberalisierung.

Benjamin Netanyahu versucht nicht, Israel in ein totalitäres Land zu verwandeln. Er verübt seinen psychotischen Hass auf die Palästinenser im demokratischen System, in dem Rache nicht als solche benannt wird. Die Tragödie in Gaza besteht darin, dass er eine Allianz mit extrem religiösen und säkularen Mächten eingegangen ist, um einen Auslöschungskrieg gegen den potenziellen palästinensischen Staat zu entfachen. Dafür muss er keinen „Mussolini“ machen. In Indien sind es die Muslime, die verfolgt werden. Unter Trump ist es die Demokratische Partei. Die drei sind Teil eines ähnlichen nationalistischen Populismus, der in einem Spektrum existiert und der auch Faschisten willkommen heißen kann.

Was sagen Sie zur Check-List des Faschismus von Umberto Eco, die in den letzten Wochen wieder kursierte? Es wurde kommentiert, dass unter Trump alle Punkte erfüllt seien, etwa Traditionskult, Ablehnung der Moderne, Machismo, Angst vor Unterschieden.

Umberto Eco ist symptomatisch für die nicht-marxistische Faschismusforschung. Einen richtigen Konsens gibt es in den Humanwissenschaften natürlich nicht, aber eine Art gemeinsames Verständnis. Eco war kein Historiker. Das Problem mit dieser Liste generischer Charakteristika ist, dass man sie in sehr vielen nicht-faschistischen Phänomenen wiederfindet. Sie passen auf die Sowjetunion oder eventuell auf Franco. Aber daraus kann man keine Arbeitsdefinition machen, daraus ergibt sich kein Idealtypus nach Max Weber. Alle lateinamerikanischen Diktaturen haben Elemente aus Ecos Liste, auch Putins Regime. Das ist natürlich ironisch, denn als Teil des KGB hat er in der Nachkriegszeit Faschismus gegen Russland abgewehrt. All das bedeutet nicht, dass man nur gefährlich ist, wenn man ein Faschist ist. Die größte Gefahr geht heute von der De-Liberalisierung der Demokratie aus.

Paxton schreibt auch, dass Trump eine viel breitere gesellschaftliche Basis habe als es etwa Hitler und Mussolini hatten.

Absolut. Die perverse Brillanz der illiberalen Demokratie ist, dass man keine Konzentrationslager oder Propagandamaschinen mehr braucht. In Ungarn gibt es einen leisen Krieg gegen Sinti und Roma und allgegenwärtigen Antisemitismus. Orbán unterstützt Putin gegen die Ukraine und bekommt Geld von der EU, das ist für ihn eine Win-Win-Situation. Im Januar 1933 stand eine halbe Million SA-Leute in den Straßen. Das kann sich bei Le Pen, Meloni oder der AfD niemand vorstellen. Sie besinnen sich darauf, auf Orwellsche Art einen doublethink in ihren Slogans zu produzieren. Die Gen Z kann ihre Plakate lesen und sie ganz einfach als Feiern vom Deutschsein interpretieren. Populismus braucht die Demokratie, allem voran die Meinungsfreiheit. Unter Hitler war das nicht vorstellbar. Das Hauptproblem der Demokratie liegt darin, dass sie nur funktioniert, wenn die meisten Wähler humanistisch sind und an Menschenrechte glauben, etwa an die Emanzipation von Frauen. Das ist nicht unbedingt der Fall. Das 19. Jahrhundert in Großbritannien wurde als liberales Jahrhundert gefeiert. Aber gleichzeitig wurden im britischen Imperium Kriegsverbrechen begangen und Menschenrechte verletzt. Das existierte alles gleichzeitig.

Als Trump zum ersten Mal gewählt wurde, tat man das als Unfall der Geschichte ab. Diesmal funktioniert das nicht mehr. Woran liegt diese Art der historischen Unterschätzung?

Obama machte sich über ihn lustig. Hitler und Mussolini wurden auch unterschätzt, als Clowns charakterisiert. Humanisten überschätzten schon immer Rationalität und die Kraft des Menschen, die Universalisierung der Menschenrechte durchzusetzen. Gleichzeitig unterschätzen sie die Furchtbarkeit des Menschen. Am Holocaust-Erinnerungstag gestern fragte ich mich: Woran erinnern wir uns? Was ist es, was wir nicht vergessen sollen? Primo Levi sagte, der Faschismus kommt entweder auf Zehenspitzen von außen oder bricht als Sturm von innen aus. Das ist eine fantastische Analogie. Mir scheint es so: Gerade sind wir auf die schreckliche Gewalt um uns fixiert, aber gleichzeitig wird vor unseren Augen die Demokratie gestohlen.

Einerseits will der neue US-Präsident einen starken Staat, hat vor, 500 Milliarden Dollar in KI zu investieren, anderseits will er einen schlanken Staat und weniger föderale Ausgaben. Hinzu kommen die libertären Ansätze, wo Big Tech völlig dereguliert machen könnte, was sie will. Welche Vision hat er vom Staat?

Unter den Nazis nannte man Weimar den Sumpf. Trump nennt den amerikanischen Staat unter den Demokraten einen swamp. Der Staat ist für einen nationalistischen Populisten schlecht, wenn er in den Händen von woken, liberalen Feministen und Tagträumern ist. Dann ist er verschwenderisch, weil er sich mit Frauen- und Minderheitsrechten beschäftigt. Ein weiterer doublethink. Der Staat in den Händen von nationalistischen Populisten hingegen dereguliert gezielt Teile davon, nutzt das Militär und die Staatsmacht, um seine Vision umzusetzen. Wenn wir zum Mars fliegen, ist das gut. In Trumps Logik sind es die Regulierungen, die der vermeintlichen Grandeur der Vergangenheit, als man noch zum Mond fliegen konnte, im Weg stehen. Man darf auch nicht vergessen, dass es eine große Bewegung im Silicon Valley gibt, die an einem Staat interessiert ist, der von KI und Technokraten verwaltet wird. Das macht Angst. Elon Musk ist Teil davon. Auch er ist kein Faschist und ich deute seine Geste nicht als faschistische Geste.

Wie denn dann?

Er ist Teil des Trumpschen Traums, ein technokratischer Megaloman. Es war kein sauberer Hitlergruß, wo man adrett in der Reihe steht, wie vor einem Diktator. Ich finde, es war ziemlich freudianisch. Diese Armbewegung ist historisch oft als Geste der Macht, als Akzeptanz des Jubels der Menschen gemacht worden. Musk ist machtgeil, und er hat Macht, weil er soviel Geld hat. Er ist Rassist – aber ein Ideologe ist er nicht. Die Geste gab es weit vor den Faschisten. Psychologisch ist es interessant, denn die Geste ist eine von weißen mächtigen Männern.

Die meisten Menschen hatten eine andere Lesart. Und die Gefahr besteht doch, es herunterzuspielen.

Der Tabubruch gehört dazu. Nationalistische Populisten nutzen die sogenannte konstruktive Ambivalenz. Sprache wird so genutzt, dass sie bei unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Interpretationen auslöst. „Make America great again“ bedeutet etwas anderes für einen Antisemiten, einen Soldaten, einen Chauvinisten, für die gut situierte Mittelklasse oder für einen Technokraten. „Take back control“ hieß es beim Brexit – was soll das genau heißen? Diese Menschen sind keine Intellektuellen. Sie haben ein Gefühl für ihren Moment in der Gegenwart, sie finden ihre Nische – darin ist Trump ähnlich wie Hitler. Wenn man so will, ist Trumps Ideologie, Amerika durch seine ökonomische Macht wieder „respektabel“ zu machen, wie man diese Woche am Beispiel mit Kolumbien sah. Das ist ideologisch, aber nicht im Sinne einer politischen Theorie. Es ist eine Art Instinkt.

Bezos, Zuckerberg, Musk, Pichai. Die reichsten Männer der Welt stellen sich bei Trump in die erste Reihe. Wie ist die neue digitale Oligarchie zu bewerten?

Kapitalismus ist amoralisch, es geht um die Maximierung des Profits. Die Großindustrie unterstützte die NSDAP. Der Backlash gegen Trump wird dann einsetzen, wenn die Zölle der Wirtschaft schaden und den Prozess der mittlerweile internationalen Produktion beeinträchtigen.Wenn amerikanische Firmen keine chinesischen Chips mehr importieren können, werden sie leiden. Solange Trump gewinnt, funktioniert es. Aber fängt er an zu verlieren, und dreht es sich gegen die Oligarchie, wird sich das ändern. Diese Menschen sind Trump nicht verpflichtet, genauso wenig wie die Industriellen den Nazis verpflichtet waren.

Ist Elon Musk ein politischer Agitator, wie ihn Leo Löwenthal im Jahr 1949 in Falsche Propheten beschrieb? Jemand der die immer gleichen, verkürzten Parolen benutzt, um zu hetzen.

Insofern, als dass seine Megalomanie ihm dabei hilft, eine höhere Vision als die eines Politikers zu haben. Er ist jenseits von Politik. Im Westen gibt es eine Tradition von Technokraten, die nicht Rationalismus oder Humanismus als Antrieb der Zivilisation sehen, sondern Erfinder und Menschen, die radikal transformieren. Geht die Welt unter, kolonisieren wir halt den Mars. Das ist Wahnsinn. Es erinnert an die Wunderwaffen bei den Nazis. Die Politik braucht diese Technokraten aus dem Silicon Valley, um neue Formen von Industrie und Macht zu schaffen. Gibt es eine ökologische Krise, werden wir neue Formen von Energie und Macht schaffen, und weiter konsumieren und produzieren. So geht die Überlegung.

„God saved me“, sagte Trump bei seiner Amtseinführung. Welche Art von Gott ist das?

Die Idee eines großartigen Landes ist Teil der DNA der amerikanischen Demokratie, mit der auch Gott verbunden ist. Das Christentum mit Jesus Christus hat damit gar nicht mehr soviel zu tun, sondern eine Version des Christentums fungiert als eine Art Klebstoff: Denken Sie an den Katholizismus in der Slowakei, die Hlinka-Garde, die mit den Nazis kollaborierte. Der Vatikan, der den Faschismus unterstützte. Es hat immer schon eine unheilige Allianz zwischen der institutionalisierten Religion und der Staatsmacht gegeben. Immer dann, wenn die Gemeinschaft auf dem Spiel steht, wird Religion militarisiert, bewaffnet und nationalisiert. Trumps Gott ist ein Stilmittel, er nutzt die Bibel und stellt sich damit vors Weiße Haus. Denn natürlich gibt es genügend fundamentalistische Christen in den Staaten, die Trump als Heilsbringerfigur sehen, die das Land vor Drogen und Abtreibungen rettet. Alles im Namen von Gott.

Der Historiker Adam Tooze spricht von drei Klassen, den Superreichen, dem Establishment mit Status und Geld und dem Rest der Leute. Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass Demokratie global nunmehr als elitäres Projekt betrachtet wird?

Irgendwie war sie es immer schon. Soziale Demokratie, wie es sie in Norwegen oder Finnland gibt, wurde sozialisiert. Sie ist immer schon abhängig von einer Bourgeoisie und von Superreichen. In Amerika ist das genauso. In der Geschichte des Wahlrechts auch. Zu Beginn konnten nur die Reichen wählen, das hat sich dann langsam verändert. Die Demokratie war immer schon ein Klassensystem, das auf diesen Klassen beruht, und das die Tendenz hat, sich auszubreiten und zu kolonisieren.

Warum sind linke Bewegungen in den letzten zwanzig Jahren fast überall derart geschwächt worden?

Sozialdemokraten, die pragmatisch akzeptiert haben, dass das Liberalisieren der Gesellschaft über die liberale Demokratie funktioniert, haben viel Positives geleistet, das Wahlrecht ausgeweitet, Frauen- und Minderheitsrechte gestärkt. Wenn man sich jedoch nichts mehr leisten kann, Existenzängste hat, dann interessiert einen all das reichlich wenig. Man beschäftigt sich nicht mit der Gleichstellung oder damit, was gerade in Gaza passiert. Man versucht einfach zu überleben. Ein Großteil dieser Menschen ist apolitisch, und die, die sich politisieren lassen, werden oft von den Versprechen eines Trump mitgerissen. Die früheren Linkswähler, die Arbeiterklasse, wählt nun rechts. Wenn ein Frachtschiff schlecht beladen ist, und es kommt ein Sturm, dann kann die Fracht sich verlagern und das Schiff sinkt. So verhält es sich ein bisschen mit den traditionellen Linkswählern, die seit dem Sturm des modernen Kapitalismus, der Finanzkrise 2008, rechts wählen. Wenn eine Partei ihnen verspricht, dass sie bessere Jobs bekommen und die Ausländer weggehen, wählen sie die. Sie wechseln die Seite, weil sie Hoffnung verloren haben und sie ihnen dort scheinbar geboten wird. Mit unmöglichen, verkürzten Lösungen für sehr komplexe Probleme. Die linken Parteien sind heute ohnmächtig, die nationalistischen Populisten zu stoppen.

Social Media, das zum Sprachrohr von diesen Allianzen wird, erschwert den Diskurs.

Die Kanäle sind isoliert, die Desinformation herrscht vor – eine Mischung aus Zensur und Desinformation. Wenn die Welt so fürchterlich erscheint, stellt man weniger Fragen. Es ist eine Feedback-Schleife, und vor allem Männer sind sehr anfällig für den Hass und die Gewaltfantasien, die sich bilden. Ich habe viele Jahrzehnte gedacht, dass ich zu einer Elite gehöre, die die Gesellschaft bildet, und dass die sich immer weiter verbessern würde. Ich sehe nun, dass das nicht der Fall ist. Nach 1945 und nach 1991 dominierte die liberale Demokratie, heute steigt die illiberale auf. Wie das Szenario nach Trump, nach Netanyahu aussehen soll? Im Moment ist der Himmel dunkel. Eine kleine Hoffnung besteht noch, dass es einen Pool an Humanisten gibt, der groß genug für ein tolles Pushback ist. Irgendwann.

Bio

Roger Griffin ist emeritierter Professor für Geschichte der Oxford Brookes University. In seiner Forschung beschäftigt er sich seit mehreren Jahrzehnten mit den sozio-historischen und ideologischen Dynamiken des Faschismus und politischem sowie religiösem Fanatismus. Die Theorie des Faschismus als eine Form von revolutionärem Ultranationalismus, angetrieben von einem „palingenetischen Mythos“, also eines Mythos der Wiedergeburt einer Nation, entwickelte er im maßgeblichen Buch The Nature of Fascism (1991). Zuletzt widmete er sich insbesondere den Mechanismen der Radikalisierung in zeitgenössischem Terrorismus. Am 6. Februar debattiert er in der Cambridge Union als einer der Haupt-Redner zum Thema: „This House believes Trump is a 21st Century fascist“. Die Debatte kann im Livestream auf www.cus.org geschaut werden.

Sarah Pepin
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