Digitales Kabelfernsehen

Ruhe vor dem Sturm

d'Lëtzebuerger Land vom 28.04.2011

Fernsehfreunde sollen bis morgen noch mit dem Postunternehmen den dritten Geburtstag der Télé vun der Post feiern. So lange lockt die Entreprise des postes et des télécommunications (EPT) mit einem Kampfpreis zum Neuabonnement ihres Internet-Fernsehens. Als Dreingabe verschenkt sie Digitaldekoder und Home Server, die sonst extra kosten, und bietet 30 Prozent Nachlass auf den Preis für die Verkabelung der heimischen vier Wände mit einem Datennetzwerk.

Eigenen Angaben nach soll das digitale Post-Fernsehen aus dem DSL-Anschluss ziemlich beliebt sein. Den im Frühjahr 2008 gestarteten Dienst hatten Ende 2009 an die 9 000 Kunden abonniert. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Wahrscheinlich aber rührt die Spendierfreude ihres Geburtstags-Sonderangebots nicht nur aus der Begeisterung über den eigenen Erfolg, die die Post mit ihren Neukunden teilen möchte.

Einerseits ist die Jubiläums-Offerte so ausgelegt, dass sie Neuabonnenten, die vorher bei der Post ein Kombi-Angebot aus Telefonie und dem für das Internet-TV sowieso unverzichtbaren DSL-Anschluss erworben haben, in den laufenden Kosten pro Monat einen Euro preiswerter zu stehen kommt als das Triple-Play-Paket von Numéricable Luxembourg mit Digital-TV, Telefonie und Internet über Breitband-Fernsehkabel. Die in der heimischen Kabelszene beim Start der Télé vun der Post gern kolportierte These, die EPT versuche, unzufriedene „Coditel-Kunden“ einzufangen, scheint damit nach wie vor nicht ganz grundlos.

Andererseits muss der Post aber auch strategisch an neuen Fernseh-Abonnenten gelegen sein. Noch ist sie der einzige Anbieter von digitalem Kabelfernsehen, der tatsächlich landesweit empfangen werden kann und sozusagen im Stand by zur Verfügung steht, wenn das analoge Fernsehzeitalter beendet sein wird. Das verdankt die EPT der zum Empfang der Télé vun der Post nötigen Infrastruktur DSL, die sie selbst noch bis ins letzte Dorf getragen hat. Dass ein Digital-TV-Anbieter seine Inhalte in sämtliche Fernsehkabelnetze einspeist, scheitert dagegen schon am unterschiedlichen technischen Stand der Netze. Doch diese technische Hürde könnte in absehbarer Zeit beseitigt werden.

Denn wie die Regierung es vor einem Jahr mit ihrer nationalen Strategie L’ultra-haut débit pour tous angekün-digt hat, soll schon 2015 über Glasfaserleitungen allen Haushalten eine Verbindungsqualität von 100 Megabit pro Sekunde im Download und 50 Mbit/s im Upload zur Verfügung stehen. Luxemburg soll damit ein Ziel, das die sich EU im Rahmen ihrer Wachstumsstrategie bis 2020 gesteckt hat, schon fünf Jahre früher erreichen. Bis 2020 dagegen soll hierzulande die Infrastruktur im Download ein Gigabit pro Sekunde übertragen und 500 Mbit/s im Upload. Zum Vergleich: Die teuersten auch Home-Nutzern offen stehenden Hochgeschwindigkeits-Verbindungen ins Internet bieten derzeit bis zu 30 Mbit/s im Download und ein Mbit/s im Upload.

Vorgesehen ist darüber hinaus, jeden Haushalt an vier Glasfaserleitungen anzuschließen, wo es heute eine Kupferleitung pro Haushalt ist. Damit würde nicht nur ein Netz entstehen, das so breitbandig ist, dass darüber alle möglichen Dienste bezogen werden könnten, ohne dass die Signale einander störend beeinflussen. Es würde überdies viel leichter, gleichzeitig Dienste verschiedener Anbieter zu beziehen: den Internet-Zugang von Anbieter A, Telefonie von B, Fernsehen von C und wo fort. Andere Angebote dürften mit den neuen Breitbandverbindungen erst noch aufkommen.

Die spannende Frage scheint freilich die zu sein, ob für die Anbieter von Inhalten der Zugang zu dieser Hochleistungsinfrastruktur tatsächlich so „offen und transparent“ gestaltet sein wird, dass er „l’émergence de services innovants à des prix abordables“ unterstützt, wie sich die Regierung das in ihrem Strategiepapier wünscht. Dass die nationale Glasfaser-Strategie am Ende nur der Post zu einer noch besseren Infrastruktur verhelfen könnte, unterstellen die acht Telekom- und Kabel-TV-Unternehmen, die sich in der Plattform mit dem bezeichnenden Namen Association des opérateurs alternatifs (Opal) zusammengeschlossen haben. Die Opal hält darauf, dass die Regulierungsbehörde ILR den Zugang zu dem neuen Netz klärt – zumal die Post es ist, die im Staatsauftrag das Glasfasernetz verlegen wird.

Bereits 2013 will die Post 80 Prozent der Haushalte ans Glasfasernetz anschließen. Die Aussichten sind so aufregend, dass Numéricable Lu-xembourg, die im Frühjahr 2008, damals noch als Coditel, erklärte, im Luxemburger Markt für digitales Kabelfernsehen habe „nur ein Akteur Platz, und das werden wir sein“ (d’Land, 11.4.2008), sich heute öffentlich nur noch als Konkurrentin der Post versteht.

Allerdings sind unter den an der Opal-Plattform Beteiligten noch so manche, die derzeit schon Digitalfernsehen verkaufen – sei es im Ausland, sei es hierzulande für Mobilgeräte. Artelis etwa, das Telekom-Gemeinschaftsunternehmen von Enovos International und der deutschen VSE Net, bietet im Saarland Digital-TV über Glasfaserkabel an. Zur Dienste-Palette von Orange gehört auch in Luxemburg das Orange Mobile TV – wenngleich vorerst nur für iPhone und iPad von Apple. Tango-Muttergesellschaft Belgacom ist in Belgien einer der wichtigsten Digital-TV-Anbieter, und mit Telenet Solutions ist eine Firma in Opal vertreten, deren Leitsatz lautet: „Nous voulons nous distinguer en tant que prestataire de services au carrefour de la télévision, de l’accès Internet et de la téléphonie.“

Schon möglich, dass es zu einem echten Digital-TV-Wettbewerb kommt, sobald die „Glasfaser-Datenautobahn für alle“ Gestalt annimmt. Weil die Infrastruktur für wenigstens zwei Jahrzehnte ausgelegt wird, lassen sich Angebote, die auf ihr mit Erfolg lanciert werden, langfristig abschreiben – deshalb könnte es einen Preiskampf um TV-Kunden geben. Vermutlich aber wird im kleinen Luxemburger Markt letzten Endes ein Kampf um die kritische Masse stattfinden. Ob er sich daran entscheidet, wer welches Fernsehbukett zu welchem Preis anbietet, fragt sich allerdings. Den Ausschlag geben könnten Zusatzangebote – Video on Demand etwa.

Doch Video on Demand ist so kostspielig, dass ein ausländischer Anbieter mit prall gefülltem Filme-Katalog die Post mit ihrer Télé in Bedrängnis bringen könnte. Die EPT wird schon wissen, weshalb sie noch bis morgen Dekoder und Server verschenkt. Und die „Alternativen“ von der Opal werden wissen, weshalb ihnen so viel daran liegt, dass der regulierte Zugang zum Hochleistungsnetz wirklich schon zu dem Zeitpunkt besteht, an dem die Post „voraussichtlich“ neue Dienste lanciert.

Peter Feist
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