LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider zog am Mittwoch Bilanz der Legislaturperiode, sein Parteipräsident und sein Fraktionspräsident dienten netterweise als Statisten. Am Ende wurde er rituell gefragt, mit wem er am liebsten eine Koalition nach den Kammerwahlen am 14. Oktober einginge. Er antwortete ebenso rituell, Koalitionsaussagen gehörten nicht zu den Landesbräuchen. Das ist einerseits wahr und hat eine einleuchtende, aber immer wieder übersehene Erklärung: Hierzulande herrscht, anders als beispielsweise in Frankreich oder Deutschland, ein strenges und deshalb schwer berechenbares Verhältniswahlrecht.
Anders als immer wieder behauptet, gab es zwar schon in der Vergangenheit Regierungen von mehr als zwei Parteien, aber – wenn man von der NSDAP 1940 bis 1944 absieht – nur einmal eine Regierung einer einzigen Partei, der Rechtspartei von 1921 bis 1925. Da das Wahlsystem mit Panaschieren und Restsitzen zusätzliche Unwägbarkeiten aufweist, scheint es unvorsichtig, sich im Voraus auf eine Koalition festzulegen. Parteien, die sich für eine Koalition aussprächen und am Ende nur auf 30 oder 31 Sitze kämen, sähen bescheuert aus und müssten mit einem zuvor öffentlich abgelehnten Partner Verhandlungen aufnehmen.
Andererseits hat der LSAP-Wirtschaftsminister natürlich auch unrecht, wenn er Koalitionsaussagen als eine landesfremde Unart darstellt. Denn 2013 warb er selbst vor den Wahlen monatelang für eine Koalition mit DP und Grünen, weil er nur so seine langjährige Regierungspartei über Nacht als Oppositionspartei verkleiden und sich Hoffnungen machen konnte, Minister zu beiben. Außerdem gibt es stets negative Koalitionsaussagen, jahrzehntelang gegen die Kommunisten. Heute lehnen die meisten Parteien es schon vor den Wahlen ab, die ADR als Koalitionspartner in Betracht zu ziehen, was vielleicht weniger mit deren nationalkonservativen Tönen zu tun hat als mit der Unberechenbarkeit ihrer Mandatäre.
Ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit einer Koalitionsaussage ist, dass die sich dazu bekennenden Parteien ein gemeinsames politisches Projekt vertreten. Das war 2013 der Fall, als die von jahrzehntealten Ressentiments genährten DP, LSAP und Grünen sich einmal aus der babylonischen Gefangenschaft der CSV befreien wollten – all die hehren Reformideen reichten sie dann zur Rechtfertigung nach. Doch so knapp wie das Ergebnis 2013 war, dürften 2018 die nötigen Mandate für eine neue antiklerikale Mehrheit fehlen. Auch die gesellschaftliche Unterstützung für eine solche Mehrheit – 1974 waren es die Gewerkschaften, 2013 vor allem Unternehmerorganisationen – bleibt bisher aus.
Derzeit müssen die Regierungsparteien sich erst einmal abmühen, um im Wahlkampf nicht nur gegenüber der CSV, sondern auch untereinander politische Alleinstehungsmerkmale zu finden und ihre Wählerbasis zu mobilisieren. Erfahrene Sozialdemokraten missbilligen es deshalb als riskanten Panikverkauf, wenn ihre Führungsleute laut über Fusionen mit den Grünen oder der DP nachdenken.
Die Wahrheit ist, dass alle größeren Parteien regelmäßig Koaltionsaussagen machen, aber niemand sie hören will. Das Bekenntnis zum europäischen Stabilitätspakt, zur Finanzbranche, zum Sozialstaat, zum Luxemburger Modell mit einem Schuss Rifkin und zum westlichen Militärbündnis eint all diese Parteien so weit, dass die politischen Unterschiede eher zweitrangig erscheinen. Wenn also CSV, DP, LSAP und Grüne immer wieder bereitwillig erklären, dass sie alle untereinander koalieren wollen, ist das auf der Grundlage eines gemeinsamen politischen Projekts unüberhörbar die immer wieder geforderte Koaltionsaussage, die jeder überhört.