Eigentlich war ja 2009 das „Annus horribilis“ für die europäische Luftfahrtbranche. So hatte es zumindest der damalige Luxair- beziehungsweise Cargolux-Präsident Marc Hoffmann ausgedrückt. Doch 2012 ist für Luxair ein noch denkwürdigeres Jahr: Zum ersten Mal schafft es die Firma nicht, die Defizite aus dem Liniengeschäft (Luxair Luxembourg Airlines) mit Gewinnen aus den anderen Konzernsparten, also den Pauschalreisen (Luxair Tours) und der Frachtabwicklung (Luxair Cargo), auszugleichen. Bei einem Umsatz von 446,7 Millionen Euro (2011: 428,6 Millionen) steht unter dem Strich ein Verlust von rund 21 Millionen Euro. „Das fundamentale Gleichgewicht ist gebrochen“, sagt der neue Verwaltungsratspräsident Paul Helminger dazu im Gespräch mit dem Land. „Nun müssen wir sehen, wie wir es wiederherstellen. Der Ausgleich muss bis 2015 erreicht sein.“
Luxair Luxembourg Airlines Denn das Liniengeschäft ist und bleibt das Sorgenkind des Konzerns. Der Verlust innerhalb der Airline belief sich 2012 auf 19,4 Millionen Euro. Die Anzahl der Passagiere fiel von 808 000 im Vorjahr auf 805 000. Doch eigentlich ist die Entwicklung gar nicht schlecht. Denn im Laufe des Jahres stellte Luxair die Verbindungen nach Dublin und Prag ein, sowie einige Rotationen ab Saarbrücken und schraubte dadurch die Zahl der verfügbaren Sitze zurück – wodurch auch die Auslastung anstieg, auf 73,4 Prozent. Dass Luxair im Liniengeschäft neue Kundschaft gewinnt, zeigen auch die Zahlen für die ersten vier Monate des laufenden Jahres: Die Kundenzuwachsrate liegt bei 9,5 Prozent. „Wenn alles gut geht, sind es bis Ende des Jahres elf Prozent“, sagt Luxair-Chef Adrien Ney. Für ihn ist das ein Zeichen dafür, dass die Tarifpolitik der Airline greift.
Das Problem dabei bleibt nach wie vor die Kundenstruktur. „Alle Kunden, die wir hinzugewinnen, sind Freizeit-Kunden“, erklärt Ney. In den Verkäufen stieg der Anteil der Tickets der billigsten Preisklasse – bei Luxair Primo genannt – auf 38 Prozent. Vor zwei Jahren waren es noch 28 Prozent. 2013 wird der Anteil der Primo-Tickets zwischen 45 und 48 Prozent liegen, so die Vorhersage. Weil im Umkehrschluss der Anteil der teuren Tickets binnen fünf Jahren um mehr als die Hälfte auf nur noch 16 Prozent geschrumpft ist, die Kerosinpreise neue Höchststände erreicht haben und die Personalkosten stetig angestiegen sind, reichen die Margen nicht mehr aus, um die Kosten zu decken. Zudem steigt der Konkurrenzdruck auf den noch profitablen Routen, beispielsweise London (die auch von Cityjet, British Airways, Airfrance und Easyjet bedient werden), Mailand (die auch von Easyjet abgedeckt wird) und München (Lufthansa). Die Margen sinken. Dennoch: Die Zahlen zeigen, dass dadurch die Nachfrage stimuliert werde, so Ney. „Die einzige Art und Weise sich gegen die Konkurrenz zu wehren, ist, das Angebot auszubauen.“ So fliegt Luxair drei Rotationen täglich nach Genf, Mailand und München, beziehungsweise fünf Rotationen täglich nach London-City.
„Eine Gesellschaft, die den Anspruch nicht mehr hat, zu wachsen, ist dem Sterben nahe“, sagt Verwaltungsratspräsident Paul Helminger. Durch die Einführung der Route Luxemburg-Kopenhagen habe Luxair allerdings bewiesen, dass man diesen Anspruch nicht aufgegeben habe. Im laufenden Jahr will Luxair 8 000 Passagiere auf der Route transportieren. Die Verkäufe laufen gut, berichtet Adrien Ney. Bisher sind bereits 2 500 Tickets verkauft. Weitere neue Routen hat Luxair aber derzeit nicht im Blick. Kopenhagen habe man eingeführt, weil Material und Personal zur Verfügung standen und es die einzige Strecke sei, die Entwicklungspotenzial habe, so der CEO. Über Lissabon – Luxair bedient bereits Porto – berate die Firmenleitung zweimal jährlich, komme aber immer wieder zum Schluss, dass sich dies nicht lohne. Um andere Strecken ins Visier zu nehmen, sei die derzeitige Flotte nicht geeignet, fügt Paul Helminger hinzu. Entweder, weil die Maschinen zu klein oder ihre Reichweite nicht groß genug seien: „Bei 70 Sitzen kann man keine 40 Primo-Tickets anbieten.“ Dass eine Flotte mit drei verschiedenen Flugzeugtypen nicht unbedingt dem effizientesten Modell entspreche, hat sich Luxair auch noch einmal von den Firmenberatern Roland Berger bestätigen lassen, die in den vergangenen Monaten im Haus waren (d’Land, 22.03.2013). „Die haben aber auch gesagt, dass die derzeitige finanzielle Situation einen Flottenumbau nicht zulässt“, unterstreicht Helminger.
Luxair Tours 4,3 Millionen Euro betrug der Gewinn des Reiseveranstalters, der 2012 Passagierzuwachsraten von 15 Prozent verbuchen konnte. Luxair Tours zählte vergangenes Jahr 275 000 Passagiere, die Auslastung der Flugzeuge lag bei nahezu 80 Prozent. Allerdings gehen die hohe Wachstumszahlen nur in geringem Maße auf das Geschäft mit klassischen Pauschalreisen zurück (+4 Prozent). Die Passierzahlen steigen vielmehr durch die Charterflüge für Drittgesellschaften (+45 Prozent). Und die „Nur-Flug“-Kunden, die für die Reise zum Urlaubsort verstärkt auf das Angebot von Luxair Tours zurückgreifen, ihren Aufenthalt vor Ort aber selbst gestalten. Die Zuwachsrate in diesem Segment liegt bei 32 Prozent. „Dieser Trend bestätigt sich auch 2013“, sagt Adrien Ney, „und das wollen wir weiter ausbauen.“ Um dieser Kundschaft, die keinen Pauschalurlaub bucht, weitere Dienstleistungen anzubieten, wird Luxair Ende 2013 eine so genannte Bettenbank anbieten, sprich den Kunden erlauben, individuell ihre Hotelübernachtungen zu buchen. Ney stellt den Kunden ein interessantes Angebot in Aussicht: „Wir können B-to-B-Preise anbieten“. Heißt, die Preise sollen merklich unter denen liegen, mit denen die Konkurrenz aufwarten kann.
Weil das Pauschalgeschäft für Luxair Tours wichtig bleibt und Frankreich der größte Markt für den Reiseveranstalter ist, hat sich Luxair im November 2012 mit 35 Prozent an Euro Moselle Loisirs (EML) beteiligt. Das Reisebüronetzwerk ist „einer der drei wichtigsten Zulieferer“, erklärt Ney. Zu der Beteiligung habe man sich entschieden, „um das Verkaufsnetzwerk im Lothringen abzusichern“. Die Franzosen stellen mit 35 Prozent die größte Kundengruppe dar, vor den Luxemburgern (31 Prozent), den Deutschen (13 Prozent) und den Belgiern (zehn Prozent).
Dass Luxair Tours trotz der widriger Umstände – die ehemaligen Lieblingsdestinationen Tunesien, Ägypten und Griechenland ziehen aufgrund der politischen, beziehungsweise der wirtschaftlichen Situation nicht mehr so wie früher – Zuwächse vermelden kann, ist laut Adrien Ney „kein Zufall, sondern das Ergebnis einer gezielten Qualitäts- und Preispolitik“. First- und Last-minute-Angebote, Vendredis de folie, Crazy days: „Die ganzen Angebote – das zieht. Aber das drückt natürlich auch die Margen“, so Ney. Und auch im Tour-Operator-Geschäft gebe es reichlich Konkurrenzdruck, meint der CEO mit Verweis auf die Pauschalangebote ab Metz, Saarbrücken, Zweibrücken, Köln und Düsseldorf.
Luxair Cargo Die Frachtsparte von Luxair kämpft ebenfalls mit der regionalen Konkurrenz und dem schwierigen Geschäftsumfeld. Nachdem das internationale Luftfrachtaufkommen 2010 kurzzeitig anstieg, waren die Zahlen in den vergangenen zwei Jahren rückläufig (2012: -1,5 Prozent). So fiel auch das Frachtvolumen am Flughafen Findel, wo Luxair Cargo der einzige Frachtabwickler ist, 2012 um sechs Prozent auf 638 000 Tonnen. Damit lag das Frachtaufkommen 30 Prozent hinter den Höchstständen von 2007. Der Verlust betrug 2012 3,4 Millionen Euro. Im regionalen Vergleich der Flugfrachtumschlagplätze fiel der Flughafen Findel vom fünften auf den achten Platz zurück. Das ist laut Luxair aber nicht nur auf den Rückgang der Tonnage in Luxemburg, sondern auch darauf zurückzuführen, dass die Flughäfen Köln, Lüttich und Leipzig unter dem Impuls der jeweils dort niedergelassenen Express-Anbieter (UPS, TNT und DHL) wachsen. Einzige Lichtblicke im Frachtgeschäft: „In den ersten vier Monaten 2013 liegen die Wachstumsraten zwischen drei und vier Prozent“, berichtet Adrien Ney. Anfang April hat die Firma ihr neues Pharma & Healthcare Center eingeweiht, das eine Kapazität von 78 000 Tonnen temperatursensibler Fracht bietet und das Luxemburg einen Platz als europäischen Spitzenakteur in dieser wachsenden Nische sichern soll. Dass Hjoerdis Stahl, die Direktorin des Frachtzentrums, gekündigt hat und zum 1. Juli zur Post wechselt, könnte in den kommenden Monaten für Ungewissheit sorgen. Luxair versucht, die Stelle so schnell wie möglich neu zu besetzen, versichert Adrien Ney. Doch ob bereits für den 1. Juli eine neue Führungskraft rekrutiert werden kann, ist aufgrund der langen Kündigungsfristen auf Managerebene ungewiss.
Tarifabkommen Die Reserven der Luxair-Gruppe betrugen Ende 2012 175 Millionen Euro und werden aufgrund der Kapitalerhöhung bei Cargolux, deren Hauptaktionär Luxair ist, Ende dieses Jahres auf 122 Millionen Euro sinken. Das ist immer noch ein komfortables Polster. „Wie schnell das bei der Art Verlusten aufgebraucht ist, kann sich jeder selbst ausrechnen“, warnt Paul Helminger mit Verweis auf das Defizit von 2012. Das Budget 2013 sieht einen ebenso hohen Verlust vor. Man wolle deswegen unbedingt wieder mit den Gewerkschaften die Gespräche über das Tarifabkommen aufnehmen, versichern Ney und Helminger. Aktuell warten die Sozialpartner auf einen ersten Termin beim Schlichtungsamt. Die Gewerkschaften haben sich im Frühling an den Schlichter gewendet, weil sie sich nach der Kündigung des alten Tarifabkommens vergangenen Herbst von der Firmenleitung erpresst fühlten. Die wollte das alte Tarifabkommen nur unter der Bedingung von Zugeständnissen wieder in Kraft setzen, die für die Personalvertreter Gegenstand der Verhandlungen sein sollten.
Damit die Luxair 2015 finanziell wieder ins Gleichgewicht komme, so die Roland-Berger-Analyse, müsse die Firma 25 Millionen Euro einsparen, davon 19 Millionen Euro beim Personal. Für die Gewerkschaften eine bittere Pille. „Doch“, sagt Paul Helminger, „das Beispiel Cargolux zeigt, das die Aufteilung dieses Betrags, dass das genau die Art von Dingen ist, über die man reden kann.“ Nach mehreren Treffen der Sozialpartner bei Cargolux, deren Präsident ebenfalls Paul Helminger heißt, hat man dort den einzusparenden Betrag von 37 Millionen Dollar auf 12,5 Millionen Dollar reduziert. Aktuell wird darüber verhandelt, wie man ein Maximum dieser Summe über Produktivitätssteigerungen einspielen kann und wie man dem Personal eventuelle Einkommenseinschnitte wieder vergüten könnte, falls sich die Firma dauerhaft finanziell erholt. Doch dieser Impuls ging bei Cargolux hauptsächlich von Interim-CEO Richard Forson aus (d’Land, 19.04.2013), obwohl er vielen immer noch als Agent Katars gilt.
Bei Luxair sind die Personalkosten in den vergangenen fünf Jahren um 20 Prozent gestiegen, geben Helminger und Ney zu bedenken. Auch liege die Preisgestaltung des Kerosins – ein weiterer großer Kostenfaktor – nicht in der Hand der Firma.
Luxair sei eine der letzten unabhängigen Regionalgesellschaften, sagt Paul Helminger „sie ist so etwas wie der letzte Mohikaner.“ Dass es sie überhaupt noch gibt, sei nur darauf zurückzuführen, dass Luxair keine reine Fluggesellschaft ist, sondern eine diversifizierte Firmengruppe sei, so der Präsident. „In der Situation sagt die Gesellschaft: Es wird niemand entlassen. Aber wir wollen eine Wachstumsstrategie entwickeln. Und dafür bitten wir das Personal, einen Beitrag zu leisten.“ Das Treffen beim Schlichter findet nächste Woche statt. Dann wird sich zeigen, wie das Kräftemessen zwischen Firmenleitung und Personalvertretung ausgeht. Für die Manager wird es auch darum gehen, unter allen Umständen zu vermeiden, dass das Personal im Sommer, während der Hauptsaison streikt. „Dann würde es nur Verlierer geben“, warnt Adrien Ney.