Es gibt sie noch, die Luxair Luxembourg Airlines, auch in Zukunft. Das war am Montag nach der Verwaltungsratssitzung die eigentliche Nachricht. Denn laut internen Papieren wird die Linienflugsparte der Luxair das Jahr 2012 mit einem Defizit von rund 19,4 Millionen Euro abschließen, das werden auch die anderen Geschäftslinien nicht ausgleichen können. Dennoch ist Luxair dazu verurteilt, das seit Jahren unrentable Geschäft weiterzuführen, Alternativen gibt es keine. Zu diesem Schluss kommen zumindest die Berater von Roland Berger, die Luxair in den vergangenen Monaten analysiert haben. So lautet der Plan wie folgt: durchhalten bis 2015, dann noch einmal größere Veränderungen in Betracht ziehen.
Keine Alternativen Roland Berger hat sieben mögliche Entwicklungsszenarien für das Liniengeschäft der Luxair untersucht, die als regionale Airline Punkt-zu-Punkt-Verbindungen durchführt. Weitermachen wie bisher, ohne Veränderungen, gehe nicht, meint die Beraterfirma, weil die Ergebnisse sich weiter verschlechtern werden. Wachstum in anderen Einzugsgebieten zu suchen, schließt sie für die Luxair aus, weil dies hohe Investitionen voraussetzte, eine hohe Komplexität nach sich ziehe, aber nur niedrige Rentabilität verspreche. Mit der Luxair aus Findel ein regionales Drehkreuz nach dem Hub&Spoke-Prinzip zu machen, sei wiederum wegen zu hoher Investitionskosten und wegen der Billigkonkurrenz unmöglich. Selbst zur Billiglinie werden? Dafür sind laut Roland Berger der Heimatmarkt zu klein und die Umwandlungskosten prohibitiv. Das Liniengeschäft zu verkaufen, hält Roland Berger aktuell nicht für möglich, weil es in der Luftfahrtbranche nur wenig kaufwillige Investoren gebe, und die Luxair für die wenigen möglichen Käufer, unrentabel wie sie ist, kein interessantes Objekt ist. Sollte Luxair das Linienfluggeschäft also einfach einstellen? Geht auch nicht, meint Roland Berger. Die Kollateralschäden für den Rest der Gruppe seien zu hoch, um das Risiko einzugehen. Also empfiehlt Roland Berger der Luxair als unabhängige Regionalairline im Punkt-zu-Punkt-Verkehr weiterzumachen und zu restrukturieren.
Probleme hat Luxair wahrlich genug. Anderes konnten auch die Unternehmensprüfer nicht feststellen. Zwar liegen die Einnahmen pro verfügbarem Sitz pro Kilometer bei der Luxair deutlich höher als bei der Konkurrenz – 29 Prozent über dem regionalen Durchschnitt und 206 Prozent über denen von Easyjet. Allerdings bleiben bei Luxair viel zu viele Sitze frei; der Ladefaktor lag zuletzt bei 58,5 Prozent, zwei Prozent weniger als noch 2010 und deutlich unter den Konkurrenzwerten: Die Mitglieder der Association of European Airlines verzeichnen einen durchschnittlichen Ladefaktor von 70,5; Easyjet sogar einen Ladefaktor von über 89 Prozent, so Roland Berger. Weil zudem die Konkurrenz am Findel zunimmt – Easyjet fliegt nach London und ab März nach Mailand, und laut Beraterfirma könnte der Billigflieger Luxemburg bald auch mit Porto und Genf verbinden, Vueling seinerseits steuert Barcelona an – hat Luxair nur noch eine Linie, die 2012 überhaupt noch nennenswerte Profite macht. Vier weitere Strecken schaffen gerade den Ausgleich, neun sind in den roten Zahlen.
Zudem sind die Betriebskosten bei Luxair um ein Vielfaches höher als bei der Konkurrenz: 2011 waren es 18,67 Cent pro verfügbarem Sitz und Kilometer, im Schnitt 34 Prozent mehr als bei anderen Regionalgesellschaften und 288 Prozent mehr als bei Easyjet. Besonders hoch sind die Kosten der Zentralverwaltung, die bei Luxair 80 Prozent über dem Branchenschnitt liegen – was, wie Luxair-Chef Adrien Ney betont, auch damit zu tun habe, dass das Unternehmen vergleichsweise klein ist. Als Hauptbelastung hat Roland Berger die schnell steigenden Personalkosten identifiziert: binnen fünf Jahren ein Plus von 20 Prozent. Jedes Jahr steigt die Lohnmasse allein durch die im Kollektivvertrag vorgesehenen automatischen Lohnsteigerungen um 1,5 bis 1,6 Millionen Euro. Die Kosten für eine Vollzeitstelle liegen im Firmenschnitt bei rund 90 000 Euro jährlich. Im Verhältnis zu den Einnahmen der Airline machen die Personalkosten 24 Prozent aus. Auch das ist, laut Roland Berger, ein Spitzenwert im Vergleich zur Konkurrenz. Bei British Airways machen die Personalkosten 22 Prozent, bei Lufthansa 17 Prozent, bei Easyjet nur 13 und bei Ryanair sogar nur neun Prozent der Einnahmen aus.
Allerdings ist auch die gemischte Flotte eine finanzielle Belastung für Luxair, die Roland Berger aufgrund der Komplexitätskosten auf zwei Mil—lionen Euro jährlich schätzt. Luxair verfügt derzeit über sechs Embraer und sechs Bombardier Q-400. Dass die Embraer-Jets klein und wegen des hohen Treibstoffverbrauchs vor allem teuer sind, weiß man bei Luxair schon lange. Ob es also besser wäre, auf eine einheitliche Q-400 Flotte von zehn Maschinen umzusteigen? Die Unternehmensberater sagen dazu klar und deutlich: Nein. Roland Berger kommt zum Schluss: Auch wenn die Embraer im Einsatz teuer sind, haben sie den Vorteil, dass sie abgeschrieben sind. Neue Q-400 zu kaufen, wäre mit zu hohen Kapitalausgaben verbunden, so die Unternehmensberater. Außerdem würde die aktuelle Nachfrage und Auslastung den Erwerb größerer Flugzeuge nicht rechtfertigen. Erst wenn ein Ausgleich der Geschäftsergebnisse geschafft sei, könne man die Flottenstruktur wieder überdenken, um dann eventuell auf ein Modell mit einer günstigeren Kostenstruktur umzusteigen.
Die gute Nachricht ist für Adrien Ney, dass Roland Berger diesen Ausgleich für möglich hält. Deswegen erteilte der Verwaltungsrat am Montag dem Vorstand den Auftrag, in diese Richtung hinzuarbeiten. Um bis 2015 eine rote Null unterm Strich zu haben, muss das Ergebnis um 25 Millionen Euro verbessert werden. Jährlich. In diese Summe einkalkuliert sind Einnahmensteigerungen von zwischen drei und 3,5 Millionen Euro, zwei bis vier Millionen Euro, die durch bessere Vertragsbedingungen als Zubringer für Passagiere auf Langstreckenflügen mit Lufthansa und Air France hereinkommen sollen, und 19 Millionen Euro tatsächliche Kostenreduktionen. Sie sollen durch Effizienzsteigerungen, aber auch durch Einschnitte beim Personal geschafft werden.
Wie die Einnahmesteigerungen bewerkstelligt werden sollen? „Aggressivere Preispolitik“, lautet die Antwort von Adrien Ney und dem Verwaltungsratsvorsitzenden Paul Helminger, „schwache Routen durch Sonderangebote stimulieren“, „mehr Ticketverkäufe im Internet“, „eine Tarifstruktur, die genauer auf die Business-Kundschaft einerseits und die Freizeit-Kundschaft andererseits angepasst ist“, „bessere, flexiblere Anbindung“. So soll der Ladefaktor von 58,5 bis Ende 2014 auf 63 Prozent angehoben werden. Klingt nicht nach viel. Ist aber laut Ney als Ziel „sehr ambitiös“. „Die Herausforderung ist, die Flüge zu füllen, für die es keine natürliche Nachfrage gibt.“ Gemeint sind die Nicht-Tagesrandverbindungen – die Tagesrandverbindungen frühmorgens und spätabends werden von Geschäftsleuten besetzt, die zu Besprechungen ins Ausland fliegen –, in der Tagesmitte fehlt es an Kundschaft. Dagegen will Luxair ankämpfen, indem mehr Primo-Tickets zur Verfügung gestellt werden. Ein Bruch mit der bisherigen Geschäftspolitik. Bisher hatte die Geschäftsleitung argumentiert, sogar wenn mehr billigere Tickets verkauft würden, würde das die Rentabilität nicht in wünschenswertem Maß steigern, weshalb es eine gewisse Zurückhaltung gab, was die Erweiterung der „günstigen“ Sitz-Kontingente betraf. Nun scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass es besser ist, mehr Primo-Kundschaft an Bord zu haben, als gar keine – auch wenn Adrien Ney vorsichtshalber vor den „Risiken“ dieser Markting-Strategie warnt. Dass man eine Roland-Berger-Analyse gebraucht hat, um zu diesen Einsichten zu gelangen, zeigt wie vorsichtig-konservativ die Firmenleitung bisher agiert hat.
Ob das Streckennetz ausgebaut wird und sich Luxair an neue Destinationen herantraut, diese Entscheidung ist bis zur nächsten Verwaltungsratssitzung vertagt. Die Gesellschaft verfügt über eine ungenutzte Embraer, mit der man versuchsweise nach Kopenhagen fliegen will. Doch dem Verwaltungsrat fehlten zu einer Entscheidung am Montag die nötigen Details über die damit verbundenen Kosten, erklärt Paul Helminger. Auch in diesem Punkt gilt das Vorsichtsprinzip.
Die Partner-Gesellschaften, Lufthansa und Air France, sollen zur Einnahmensteigerung beitragen, indem sie Luxair einen größeren Anteil an den Einnahmen auf den Tickets der Transit-Passagiere nach Paris und Frankfurt überlassen. Paris und Frankfurt sind denkbar schlechte Strecken für Luxair, weil sie kaum eigene Tickets dafür verkauft und ihre Beteiligung, je nachdem, bei nur 35 Euro pro Flug liegt. Aufgeben kann Luxair diese Strecken dennoch nicht, meint Roland Berger, denn das würde bedeuten, 166 000 Passagiere, sprich 22 Prozent der jährlich transportierten Passagiere überhaupt und 18 Millionen Euro (16 Prozent) Einnahmen aufzugeben. Deswegen muss Luxair die Bedingungen neu verhandeln, ein „sehr schwieriges“ Unterfangen, wie Adrien Ney warnt.
Wobei die Verhandlungen über die Beschäftigungsbedingungen mit dem Personal kaum einfacher werden dürften. Bis 2015 sollen rund 90 Mitarbeiter abgebaut werden, über natürlich Abgänge und, wie Adrien Ney betont, ohne Sozialplan oder Anreiz-Programm. Dafür, dass niemand entlassen wird, erwartet der Vorstand Entgegenkommen bei der Neuverhandlung des Tarifabkommens, weswegen er am Donnerstag bei der ersten Verhandlungsrunde einen neuen Forderungskatalog vorgelegt hat. Laut Roland Berger könnten durch flexiblere Einsatzmöglichkeiten 2,7 Millionen Euro gespart werden, weitere 11,8 Millionen würden durch das Einfrieren der automatischen Lohnerhöhungen und Lohnkürzungen möglich.
Die Zeichen für eine Einigung stehen allerdings nicht besonders gut. Zwar wurde eine für Montag geplante Gewerkschaftskundgebung abgesagt, nachdem OGBL-Sekretät Hubert Hollerich sich von Paul Helminger hatte bestätigen lassen, es werde keine Entscheidung über eine neue Firmen-Strategie gefällt, weil dies nach Ansicht der Gewerkschaften das Recht auf Mitbestimmung der Personalvertreter verletzt hätte. Helminger sicherte dies zu – weil die am Montag getroffene Entscheidung, dem Vorstand grünes Licht für die Neuerungen zu geben, in seinen Augen keinen Strategiewechsel beinhaltet. Woraufhin Hollerich öffentlich Verrat anprangerte und mit einer Klage drohte. Auch LCGB-Sekretär Aloyse Kapweiler verlangt, erst einmal die Unterschrift eines neuen Tarifabkommens bei gleichbleibenden Bedingungen, bevor man über weitere Maßnahmen diskutieren könne.
Ob man nun den Gewerkschaften eine Blockadehaltung wird vorwerfen können? Vielleicht fehlt es den Mitarbeitervertretern einfach an attraktiven Zukunftsperspektiven, um sich auf eine konstruktivere Haltung einzulassen. Schließlich hat sich der Luxair-Vorstand, seitdem die Finanzkrise einen Strich durch das letzte Rettungsprogramm für das Liniengeschäft Building a new airline gemacht hat, selbst nicht mit Initiativen überschlagen. Das resümiert ein Mitarbeiter so: „Dass nun die Einsicht kommt, dass man Airline fliegen muss, um Ergebnisse zu erzielen, statt sich als Buchhaltungsbetrieb mit angeschlossener Transportabteilung zu verstehen, ist ein Fortschritt.“