Wenn die Regierung nächsten Monat ihr neues Sparpaket vorlegt, kennen alle schon die Schuldigen: die Staatsbeamten und ihr Gehälterabkommen

Der Blitzableiter

d'Lëtzebuerger Land vom 06.04.2012

Nun ist es nicht mehr zu vertuschen: Noch bevor sich die Regierung über ihr neuestes Sparprogramm zur Senkung des Staatsdefizits einigt und es am 8. Mai veröffentlicht, droht es mit dem am Freitag vor dem Schlichter bekräftigten Gehälterabkommen in öffentlichen Dienst zu kollidieren. Dabei hatte die CSV vor zwei Jahren besonders clever spielen wollen.

Denn Premier Jean-Claude Juncker hatte in seiner Erklärung zur Lage der Nation am 5. Mai 2010 festgestellt: „Die Regierung ist der Meinung, dass es im öffentlichen Dienst bis zum Ende der Legislaturperiode keine Erhöhung des Punktwerts geben kann.“ Darüber werde noch mit der CGFP verhandelt, „aber es wäre der Regierung nicht unwichtig zu wissen, ob die anderen Parteien hier im Haus unsere Meinung teilen, dass es keine Lohnerhöhung beim Staat in den nächsten Jahren bis zum Ende der Legislaturperiode geben soll. Bloß um es zu wissen und damit man keine falsche Politik macht, wäre es nicht uninteressant, darüber Auskunft zu erhalten.“

Worauf anderntags Claude Meisch im Namen der DP antwortete: „Nun, ich will Ihnen sagen, für uns ist es normal, wenn in Krisenzeiten, wenn der Staat kein Geld hat, sondern wenn man sparen muss, wenn man Schulden macht, dass man dann jenen Leuten, die einen sicheren Arbeitsplatz haben, die nicht täglich um ihre Stelle bangen müssen, nicht noch etwas hinzu geben kann.“

Lucien Lux erklärte im Namen der LSAP: „Und wir unterstützen natürlich, auch wie zuvor die DP – und ich glaube, dass diese Unterstützung eine verantwortungsvolle Haltung war – um im öffentlichen Dienst eine oder zwei Nullrunden zu drehen in dieser Periode von jenen vier Jahren, in denen wir wieder auf stabile Füße bei den Finanzen kommen wollen.“

Genauso klang es bei den Grünen, wo François Bausch betonte: „Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass in der Zeit, in der wir uns augenblicklich befinden, eine Nullrunde gedreht werden muss. Da braucht man uns gar nicht lange herauszufordern, aufzufordern. Das ist unsere Meinung. Die sagen wir laut und deutlich.“

Auch Gast Gibéryen war mit dabei: „Und wir als ADR schließen uns den vier Parteien an, die sich in dieser Debatte bereits zu der Nullrunde im öffentlichen Dienst ausgesprochen haben, und ich meine, dass es ein starkes Zeichen eines Parlaments ist, das in Vorverhandlungen praktisch einstimmig der Regierung den Rücken stärkt, um zu sagen, dass das Land, der Staat es sich in dieser finanziellen Situation nicht erlauben können, neben dem Index auch noch eine Gehaltserhöhung im öffentlichen Dient vorzunehmen. Deshalb sind wir auch für eine Nullrunde im öffentlichen Dienst.“

Am Ende der Debatten hatte François Biltgen zusammengefasst: „Ich habe aber festgestellt, dass 59 Abgeordnete der Meinung sind, dass man eine Nullrunde drehen soll. Das allerdings in Verhandlungen. Denn ein Gehälterabkommen ist nicht nur Punktwert, sondern ein Gehälterabkommen ist auch die Frage: Macht man es auf ein Jahr, auf zwei Jahre oder auf fünf Jahre?“

Ihm konnte Premier Jean-Claude Juncker nur beipflichten: „Ich bin auch froh, dass die vier Fraktionen hier im Haus, plus andere Kollegen mit Ausnahme eines Kollegen, damit einverstanden sind, dass wir zu einem Null-Abkommen im öffentlichen Dienst kommen, wenn es um Lohnverhandlungen geht. Das halte ich für eine kollektiv verantwortungsvolle Haltung der Luxemburger Politik und ist dementsprechend auch zu begrüßen. Ich weiß auch, dass eine Oppositionspartei es sich da leicht machen könnte. Die Oppositionsparteien haben es sich in diesem Punkt nicht leicht gemacht, und das findet meine uneingeschränkte Anerkennung.“

Zwei Jahre später sollte sich die Taktik der Regierung jedoch als Bumerang erweisen. In der parlamentarischen Debatte über das Euro[-]päische Semester und das Nationale Reformprogramm meinte Gast Gibéryen letzte Woche, dass der Minister des öffentlichen Dienstes ein ausdrückliches Mandat des ganzen Parlaments mit Ausnahme von déi Lénk hatte, eine Punktwerterhöhung zu verhindern. Folglich fragte François Bausch den Minister sogar, ob er nun zurückzutreten gedenke, weil er sich über den Auftrag des Parlaments hinweggesetzt habe.

François Biltgen meinte zwar, dass er zurücktreten werde, wenn das Parlament seinen Rücktritt beschließe. Er verteidigte aber das Gehälterabkommen mit dem alten DP-Slogan „pacta sunt servanda“. Er war überzeugt, dass die Regierung an das Abkommen gebunden sei und es nicht einseitig aufkündigen könne, wie die Rechtsprechung von 1999 gezeigt habe.

Inzwischen kam der CGFP-nahe CSV-Abgeordnete Paul-Henri Meyers seinem Minister über RTL zu Hilfe und versuchte, aus dem politischen Problem ein vertragsrechtliches zu machen: Die Gehälterabkommen müssten eigentlich eine Vorbehaltsklausel enthalten, die ihr Inkrafttreten von der Zustimmung des Parlaments abhängig mache. Stattdessen heißt es im neuen Gehälterabkommen lediglich: „Le Gouvernement prendra les dispositions nécessaires pour faire voter par la Chambre des Députés une loi …“

Die Regierung macht keinen Hehl daraus, dass sie entgegen ihren ursprünglichen Absichten mit einer Punktwerterhöhung einverstanden war, damit die CGFP ihr Einverständnis zur Reform des Beamtenstatuts gab. Und sie versucht nun vorzurechnen, dass die Kosten der Gehälterreform durch die Einsparungen beim Statut ausgeglichen würden. Aber bei der Vorstellung ihres nächsten Sparprogramms wird sie vor dem Problem stehen, dass in den Augen eines großen Teils ihrer Wähler Ausgaben gesenkt und Steuern erhöht werden sollen, um höhere Beamtengelder zu finanzieren.

Deshalb bekräftigten nicht nur die Oppositionsabgeordneten vergangene Woche ihre Forderung nach einer Nullrunde im öffentlichen Dienst. CSV-Fraktionssprecher Marc Spautz fragte vorsichtig, ob die Punktwerterhöhung „zu diesem Zeitpunkt opportun“ sei, da bei ihrer Unterzeichnung „andere Prämissen“ geherrscht hätten. LSAP-Sprecher Lucien Lux ermutigte die CGFP, einzusehen, dass derzeit „der falsche Zeitpunkt“ für Gehaltserhöhungen sei, und legte ihr nahe, mit einem Moratorium einverstanden zu sein. Manche CSV- und LSAP-Abgeordneten befürchten, dass sie ihre Wähler nicht von der Notwendigkeit weiterer Sparmaßnahmen überzeugen können, wenn nächstes Jahr der Punktwert erhöht wird.

Aber vielleicht findet die Regierung auch eine gute Seite an dem Streit. Denn wenn sie ihr Sparprogramm nächsten Monat vorstellt, dürften sich nicht nur ehemals ADR-bewegte Stammtische auf die Beamten einschießen und für ihr Unglück verantwortlich machen, ohne die soziale Ausgewogenheit oder die Kompetenz der christlich-sozialen Finanzkoryphäen in Frage zu stellen. Und was kann sich eine Regierung in Krisenzeiten Nützlicheres vorstellen, als einen Blitzableiter, der den Volkszorn auf sich lenkt?

Um nicht als Komplizen da zu stehen, denkt die Koalition aber auch über einen Kompromiss nach. Etwa das Gehälterabkommen zu strecken und nach der Auszahlung der für Juli abgemachten einmaligen Prämie von 0,9 Prozent die Punktwerterhöhung aufzuschieben.

Andererseits erklärte der Minister vergangene Woche im Parlament zum Gehälterabkommen und zum Abkommen über die Reform des Beamtenstatuts: „Natürlich sind es zwei verschiedene Akten und natürlich sind sie miteinander verbunden“. Dem pflichtet auch die CGFP bei. Heißt das aber, dass beide Gesetze auch zusammen vom Parlament verabschiedet werden sollten? Denn auf Wunsch der CGFP soll die Regierung noch mit sämtlichen Unterorganisationen der Gewerkschaft korrespondieren und diskutieren, bevor die umfangreichen Gesetzentwürfe über die Reform des Beamtenstatuts auf den Instanzenweg gehen und monate-, wenn nicht jahrelang von Staatsrat, Berufskammern und Parlamentssausschuss begutachtet werden, bevor die Kammer darüber abstimmt. Soll so lange auch das Gehälterabkommen warten?

Romain Hilgert
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