Venedig ist schon lang her, wer will noch in Gruftie-Gondeln über faulige Wasser gleiten, ausgerechnet an einem der offiziell schönsten Tag des Lebens? Es gibt so viele Alternativen, so viel Welt überall, es ist wie beim Totsein, auch da gibt es so viele Angebote, schade, dass es nur einmal ist. Beim Heiraten ist das ja Gott sei Dank anders, Lebenslänglich wird in unseren Breiten kaum noch vollstreckt, Abwechslung muss also her. Mit einer Kutsche vor einer Sado-Maso-Kathedrale vorfahren, ein Klassiker, immer noch beliebt. Für die, die es gern behäbig angehen, bieten sich malerische Eilande an, mit als malerische Einheimische verkleideten Einheimischen. Gern gebucht werden Liebesschwüre in Haifischbecken oder vor Kamelen oder Hängebauchschweinen. Oder Gletscherküsse und Tänze auf Vulkanen. Ein Hit sind Voodoo-Hochzeiten mit Brautkränzen im Hühnerknochen-Design.
Aber das soll schon alles sein? Eine französische Heiratsantragangeboteagentur lässt dieser Tage die Herzen höher schlagen. Sich durch das wundersames Repertoire der Agentur zu klicken, ist schon mal Herz erwärmend. Auch für das kleine Budget die große Oper! Wie schön französisch, es geht um culture, um lyrische Dinner – ernsthaft, es gibt Männer, die noch an die Macht der Poesie glauben und dafür sogar die Brieftasche zücken. Wie entzückend, diese Agentur
kennt sich noch aus mit dem savoir vivre, sie richtet sich nur an Männer und ihre Knete, an Kavaliere der alten Schule, die wissen, was sich gehört. Damen können sich genüsslich zurücklehnen und sich zuprosten, zumindest solange um ihre Hand angehalten wird. Sie werden umworben mit Tauben und Troubadouren, dann wird die Dosis gesteigert. Dann kommt schon ihr auf dem Eiffelturm oder auf dem Stade de France eingeblendeter Name. Und dann kommt der Mond.
Ja, der Mond. Den gibt es zwar nur zum astronomischen Preis von 125 Millionen Euro für eine einwöchige Reise, aber dafür posten dann nicht dauernd FB-Freunde, sie hätten dem Mann im Mond auch schon Hallo gesagt und dass er sehr authentisch sei. Und es gibt ihn erst ab 2022, also ein bisschen Geduld, ein bisschen Vorfreude noch, wie oft schlafen bis 2022?
Für eine Heiratsantragüberraschung sind die Vorbereitungen, die sich über ein halbes Jahr hinziehen, allerdings etwas aufwändig. Alle Körperbestandteile der Brautleute werden akribisch auf Defekte untersucht, anschließend kommt die technische Ausbildung. Bräutigam und Braut, andere Konstellationen werden von der Agentur nicht angesprochen, müssen den All-Führerschein absolvieren. Dann werden sie ins All geschickt, ganz allein, so lernt man sich noch besser kennen. Extrem mutig, es ist ja schon eine Leistung, zu zweit eine Autofahrt zu überstehen, wie Eheüberlebende zu berichten wissen. Während das baldige Ehepaar von der Erde abhebt, ertönt „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss, und dann schon Sphärenmusik. Der Bräutigam trägt den Verlobungsring versteckt in einer Anzugjacke, hoffentlich hat die Braut das nicht in der Broschüre gelesen, wo wäre sonst die Überraschung?
Wie auch immer, sie treiben drei Tage über der Mondoberfläche, die als rau und grau geschildert wird. Dann kommt die dunkle Seite des Mondes. Während der Umnachtung gibt es nicht mal Kontakt zu Mutter Erde, beide sind jetzt wirklich mutterseelenallein, nicht mal die Kameras schauen zu. Posten lässt sich nun auch nichts mehr. Jetzt muss der Bräutigam aber auf Zack sein und in die Anzugtasche greifen, hoffentlich hat er einen Anzug an und nicht eine Jogginghose; manche Männer lassen sich ja sehr gehen, wenn die Beute nicht mehr aus der Höhle kann.
Vielleicht aber, wer weiß, zieht das Hinterteil des Mondes beide auch total runter und sie haben Halluzinationen von Sofas mit Pizza-Schachteln. Aber das geht jetzt nicht, dafür hat der Bräutigam nicht so tief in die Tasche gegriffen, er muss jetzt in die Anzugtasche greifen. Jetzt singt auch noch dieser Sinatra, dass er zum Mond wolle, hoffentlich sagt sie jetzt nicht nein! Aber das geht nicht, es gibt ja eine Garantie, das Ja ist im Preis inbegriffen.
Dann geht hinter Mondkratern die Erde auf, und aus dem Siebenten Himmel geht es flugs zurück nach Hause.
Hoffentlich schießt sie ihn jetzt nicht auf den Mond!