Bitte etwas Einfaches jetzt!, wünsche ich mir aus meiner Kolumnenkramkiste. Gab schon so viel Gott und Gender und Klimakatastrophales, jetzt mal bitte mit Schön. Etwas einfach Schönes. Etwas schön Einfaches. Mit Grün. Mit Himmelblau. Mit Wölkchen und Blümchen, etwas krabbelt über ein Knie und man ist ganz gerührt. Dass es lebt! Trotz all dem Klima, es trotzt dem Klima und lebt. Aber ich will ja gar nicht über Klimazeug schreiben. Ich will nicht über so komplizierte Dinge schreiben, ich will im Gras liegen und mich nicht fragen, wo die Kühe sind, und ich will nicht an Zecken denken und dass man seit Jahrzehnten nur noch Safer Sex mit der Natur machen darf.
Schon höre ich es zwitschern, ich glaube, es ist kein Tinnitus. Ich glaube, es ist Frühling. So heißt das.
Es kommt aus heiterem Himmel. Niemand bleibt mehr in der Kiste, in den Beziehungskisten rumort es. Alle wollen auferstehen. Alle wollen aus der halbgebackenen Haut fahren. Alle probieren ihre Flügelchen aus, selbst wenn sie mit dem Rollator on the road sind.
Es wird ihnen so. So eigenartig. So anders. So echt. So wirklich. Nein, unwirklich. Surreal. Der April ist aus Acryl. Die Aprilfrische gibt es nicht nur fürs Klo. Plötzlich sind wir komisch froh. Ja, okay, manche spüren ihren Kreislauf, der plötzlich Amok läuft, weil sie oder wir eben nicht genug Bocksprünge absolvieren. Nicht genug Purzelbäume zwischen Wurzelbäumen schlagen. Das Herz schlägt so sehr, es will seine enge Kammer sprengen, die Herzflügel wollen auf und davon.
Manchen tobt es gar im Leib, es tut verdammt weh, gerade jetzt, wo rundum alles schäumt und überschäumt und der Himmel gemein blau ist und nicht empathisch weint. Weil jemand sie verlassen hat oder sie von allen guten Geistern verlassen sind. Als Schatten durch das Paradies zu schleichen, empfinden sie als Zumutung. Menschen, die den Boden unter den Füßen verloren haben oder ihr Herz,
halten den Ausbruch nicht aus, die permanenten Explosionen, die permanenten Emotionen, die geschwollenen, klebrigen Knospen, das Überströmende, den Geruch. Das Gevögel. Diese Orgie soll sofort aufhören, es soll wieder November sein oder wenigstens Februar, wie es sich gehört. Die Umnachteten ziehen die Rollläden runter und sich zurück, es ist alles so blendend. Es geht ihnen nicht gerade blendend. Sie können niemand mit ihrer Erscheinung blenden, besser sie erscheinen gar nicht. Oder sie nehmen etwas, um ihre Stimmung aufzuhellen, damit sie besser ins Bild passen, das gerade übertrieben hell ist. Da will man nicht ver-stören.
Ach so, ja, ich wollte ja eigentlich was Schönes schreiben. Einen schönen Aufsatz über den Lenz. Nichts mit unpassenden Gewühlen, die Menschen ereilen angesichts der Panikattacke rundherum, angesichts des grünen Terrors, der Turbo-Tulpen auf einem Parkplatz. Nichts über Turbo-Samen. Also etwas Schönes.
Die Menschen räkeln sich in Fußgängerzonen. Das Eis tröpfelt ihnen auf die Hose, die Schweißperlen funkeln auf in Dekolletees, die an Baumrinden denken lassen, an die Baumrinden ururalter Bäume. An fantastische Reptile. Im Sandkasten spielen sich Dramen ab, über die die Erwachsenen weise lächelnd hinwegsehen. Die Allergiker_innen, zu denen beinahe alle zählen, tauschen ihre neuesten Strategien aus.
Ein Schmetterling kommt angetaumelt, oh, ein Schmetterling! Allgemeine Rührung, es ist doch nicht so schlimm, schaut, die Ameisen, wie sie extrem motiviert und gut organisiert wie eh und je über die Fliesen der Terrasse pilgern. Im Himmel sind die majestätischen Vögel unterwegs, die man dem Kind zeigt wie in der guten alten Zeit. Fliiiejher, sagt man dabei bedeutsam.
Schön, sich aus der Kolumnenkramkiste den Frühlingsaufsatz, einen aus den Fünfzigerjahren, ohne künstliche Besamung, zu pflücken und sich mit Löwenzahn zu schmücken. Ewig könnte man so weiterschreiben, es weiter so treiben. Bärlauch rupfen, dieses und jenes zupfen. Auf Terrassen schmoren, schwitzen aus den meisten Poren.
Versunken die Nüstern in den Flieder tunken.