Heute loben wir das Gute, Schöne und Wahre. Es geht gar nicht mehr anders: diese Kolumne wird sich in Windeseile wandeln zu einem Katalog der vielfältigen Seelenmassage. Die Welt ist grausam und ungerecht. Wie können wir gegensteuern? Indem wir der maßlosen Kritik den Rücken kehren und uns besinnen auf lichte Momente. Warum immer nur die Katastrophen beschwören? Wir bieten hier einen neuen, kostenlosen Service: Lebensenergie tanken.
Gleich ist höchst Erfreuliches zu vermelden. Wir sind einem Rätsel auf die Spur gekommen. Was treibt Politiker an, die auf den Satz Wësst Dir net, wien ech sinn? zurückgreifen? Bisher dachten wir immer: Das sind arrogante Schnösel, die jede Bodenhaftung verloren haben und glauben, sie könnten kraft ihres Amtes uns armen Bürgern auf den Kopf spucken. Weit gefehlt! Das genaue Gegenteil ist nämlich der Fall. Wësst Dir net, wien ech sinn? ist ein Hilferuf. Der total überforderte und verunsicherte Politiker leidet unter Identitätsverlust. Sogar seinen Namen hat er vergessen, seine Adresse auch, seine Partei sowieso. Er wendet sich also verzweifelt an uns Wähler, damit wir ihm helfen, wieder zu einer einigermaßen zuverlässigen Selbsteinschätzung zu kommen. Wenn wir ihn abweisen, wäre das „non-assistance à personne en danger“. Wir sollten also mit größter Behutsamkeit antworten: Leider weiß ich momentan auch nicht, wer Sie sind, aber wenn wir uns gemeinsam anstrengen, werden wir es schon herausfinden. Wir werden uns jetzt mal konzentrieren, lieber Politiker, und Stück für Stück die Elemente Ihrer Identität wieder zusammentragen. Keine Panik! Schön ruhig! Ihre persönliche Krise wird bald überwunden sein.
Jetzt wechseln wir mal kurz das Fach und fragen: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie in der Zeitung den Satz „Auto prallt gegen Baum“ lesen? Ein paar empörte Leserbriefschreiber haben nun stellvertretend die messerscharfe Antwort formuliert: Weg mit den verfluchten Bäumen! Diese intelligenten Menschen haben recht. Jeder kennt die kriminellen Eigenschaften der Bäume. Vor allem ihre provokante Unbeweglichkeit ist für Autofahrer extrem gefährlich. Wenn Bäume Beine hätten, könnten wir sagen: Breitbeinig stehen diese aggressiven Lümmel in der Landschaft und fangen reihum unschuldige Motorisierte ab.
Wir sollten endlich mal untersuchen, ob diese auffällige Reglosigkeit der Bäume nicht zufällig mit Alkoholstarre zu tun hat. Wozu haben wir denn unsere wackere Polizei? Sie sollte die Bäume schnurstracks zum Promilletest bitten, und zwar landesweit. Weigern sich diese hölzernen Schurken, ins Röhrchen zu blasen, wird aber fix mit rechtsstaatlicher Härte durchgegriffen! Baum ausreißen, Wurzeln kappen, Äste absägen, und der Stumpf kommt sofort in die Ausnüchterungszelle! Isolierhaft bis zum Sankt Nimmerleinstag! Jede Wette: Nie mehr müssen Sie in Zukunft über den Satz „Auto prallt gegen Baum“ stolpern. Alle Autofahrer, die früher an Bäumen gescheitert sind, erfreuen sich auf ewig bester Gesundheit. Es lebe der baumfreie Verkehr!
Der Trainer des Fußballvereins F91 Diddeleng versteht nicht, wieso der Schiedsrichter ein Spiel abbrechen kann, nur weil der Linienrichter von einem dynamischen F91-Fan angespuckt wurde. Wenn er das nicht verträgt, rät er dem Angespuckten, sollte er ab sofort nur mehr Kinderfußballspiele betreuen. Obwohl hier eine leichte Diskriminierung von Kindern mitklingt – der Herr Trainer würde sich noch wundern, wie vehement Kinder spucken können –, hat der Mann grundsätzlich recht. Spucken ist ein anerkannter Volkssport, den man nicht leichtfertig unterbinden darf. Wäre der Linienrichter nur ein klein bisschen kooperativ, würde er den Fans nicht verächtlich seine Hinterfront zeigen. Es macht wirklich keinen Spaß, einem Linienrichter in den Rücken zu spucken. Dazu ist das Antlitz doch viel besser geeignet.
Im übrigen müssen wir fragen, wieso den Fußballfans an der Spielfeldkasse nicht präventiv Spucknäpfe verteilt werden? Es gilt als erwiesen, dass Fußballbegeisterung salivationsgenerativ ist, was soviel heißt wie: aufgeregte Fans spucken unbewusst öfter und heftiger als Fußballmuffel. Der Linienrichter spielt dann eben die Rolle des kollektiven Spucknapfs. Man könnte ihm ja eine kleine Spuckprämie zahlen.
Die tröstlichste Geschichte haben wir uns wieder für den Schluss aufgehoben. Ranga Yogeshwar, Lieschen Müllers quicklebendiger Wissenschaftsberater, war am vergangenen Sonntag bei Anne Will zu Gast. Das japanische Desaster habe auch „etwas Positives“, sagte der grandiose Optimist. Nie zuvor habe es „so zahlreiche Bilder einer Katastrophe“ gegeben. Dies sei „eine Chance“, die uns erlaube, erstmals einen vollständigen Blick auf das Ausmaß eines Tsunami richten zu können. Ja, der Mann hat recht. So sollten wir die Welt sehen. Mit der Logik einer Satellitenkamera. Aus der richtigen Entfernung betrachtet ist alles nur schön bizarr. Die Ästhetik der Zerstörung ist faszinierend. Und wissenschaftlich sehr ertragreich. Leichen kommen auf Satellitenbildern nicht vor.