Der Mantel- und Degenfilm wird im Abenteuergenre besonders von den Verfilmungen von Alexandre Dumas’ Roman Les Trois Mousquetaires getragen – sechs Mal wurde der Stoff auf die Leinwand gebracht. Immer wieder sind in diesen filmischen Transformationsprozessen, die nun rund ein Jahrhundert Filmgeschichte umfassen, die Zeichen der Zeit inbegriffen. So auch in der Neuverfilmung des französischen Regisseurs Martin Bourboulon. Gleich vorweg: Von der Leichtigkeit, dem Charme und der Eleganz eines Douglas Fairbanks, der mit seiner Darbietung des verwegenen und strahlenden Helden den Typus des „Swashbucklers“ (in etwa: Haudegen oder Draufgänger) vorwegnahm, der später für den Piratenfilm des klassischen Hollywood der 50-er Jahre bedeutsam wurde, ist hier nichts wiederzufinden: Wir schreiben das Jahr 1627. Das französische Königreich droht zu zerbrechen, der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten wütet im Herzen Frankreichs, und obendrein könnte die Liaison der Königin Anna von Österreich (Vicky Krieps) mit dem englischen Fürsten von Buckingham (Jacob Fortune-Lloyd) die Krone destabilisieren – ein Umstand, den sich der hinterlistige Kardinal Richelieu (Eric Ruf) zunutze machen möchte. Unterstützt von der mysteriösen Mylady de Winter (Eva Green), trachtet er danach, die Macht an sich zu reißen. Die Krise des Reiches scheint beinahe unabwendbar, wären da nicht die drei Musketiere der königlichen Garde, Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmai) und Aramis (Romain Duris), begleitet von dem neu eingereisten D’Artagnan (François Civil), die treu zum König, Louis XIII. (Louis Garrel), stehen und das Komplott aufzudecken versuchen.
Nachdem Martin Bourboulon mit Eiffel (2021) bewiesen hat, dass er genuin französische Stoffe massentauglich auf die Leinwand bringt, scheint diese nationale Wiederaneignung des Romans von Alexandre Dumas nur folgerichtig. Bourboulons Ansatz ist der einer besonders Action-betonten, rohen Revision. Plansequenzen, Handkamera und die detailverliebten Ausstattungen in den Kostümen und Dekors, besonders der dreckigen, schlammigen Straßen, zielen auf einen Realismuseffekt, der ganz unvermittelt und direkt auf sein Publikum wirken soll, in diesem Stilisierungsanspruch freilich den Stoff wieder überhöhend, verklärend. Bei allem Verismus, den Bourboulon anstrebt, ist die Konstruktion seiner Spannungsbögen äußerst reißbrettartig gezeichnet, in Bezug auf die Popularität der Vorlage und den Konnotationen des Genres jedoch nicht überraschend. Immerhin erzählt auch diese Geschichte einmal mehr vom Triumph des Abenteuergeistes über die Intrige – immer ist dieser d’Artagnan just in letzter Sekunde am richtigen Ort, um das Schlimmste zu verhindern.
Beachtlich ist aber, dass man in diesem d’Artagnan immer mehr statt des Helden das Problem erkannte, das er bekämpft, er ist auch hier Korrektiv für eine Instabilität geworden, die man nicht ernsthaft wahrnehmen will; seine Existenz ist dort fragwürdig, wo die Bedrohung sich nicht mehr durch ein fremdes Feindbild konstituiert, sondern von innen heraus ausprägt. Deshalb auch sind die Musketier-Verfilmungen, nebeneinander betrachtet, zugleich eine Reihe, die seismografisch auf gesellschaftliche Strömungen reagiert, und das Auftreten der Filme in Wellen mag auf das Unbehagen an sozialen Grundbedingungen hinweisen. Auf diese Lesart setzt Martin Bourboulon in seiner Neuverfilmung nachdrücklich und gewichtet die Machtfrage und die Zersetzung eines Reiches aus sich selbst. Freilich fehlt in der Folge vieles von der Leichtigkeit des „Swashbucklers“ aus früheren Verfilmungen, setzt diese Neuauflage doch stärker als zuvor auf die politischen Dimensionen der Intrige. Stellt man die jüngsten Unruhen in Frankreich in Rechnung, so entwickelt Les Trois Mousquetaires: D’Artagnan – der erste Film einer zweiteiligen Adaption – eine Brisanz, die nicht ohne den Hintergrund der aktuellen instabilen Situation Frankreichs gelesen werden kann.