Alain Welters De Moler vu Koler beweist, dass Graffitimalerei mehr ist als Krawall aus der Spraydose

Graffitikunst im Buchformat

d'Lëtzebuerger Land vom 06.08.2021

Wenn es um das Thema Graffiti geht, scheiden sich die Geister. Während die einen die Bilder und Schriftzüge an Wänden, Brücken und Tunnels als sinnlose Schmierereien abtun, empfinden die anderen die bunten und diversifizierten Illustrationen als moderne Kunst. Dass die Graffitimalerei durchaus mehr als nur Krawall aus der Spraydose ist, beweist auch der Wandmaler und Illustrator Alain Welter. In seinem kürzlich erschienen Buch De Moler vu Koler nimmt der junge luxemburgische Künstler die Leser/innen mit auf eine Reise in seine ganz persönliche Welt der Street Art – eine anregende Retrospektive auf seine ersten zehn Jahre als Graffitikünstler.

Spätestens seit dem imposanten Kunstprojekt, bei dem Alain Welter gemeinsam mit einem kleinen Team die fünf Kühltürme von Arcelor-Mittal in Differdingen in Farbe tauchte und damit die Geschichte der Stahlindustrie und der Minettregion auf seine eigene Art und Weise erzählte, dürfte sein Name den meisten hierzulande ein Begriff sein. Wie der Luxemburger Künstler in den Bereich der Urban Art einstieg und sein Hobby – oder vielmehr seine Passion – zum Beruf machte, wissen jedoch vermutlich nur sehr wenige. Allein aus diesem Grund lohnt sich ein Blick in Alain Welters erstes Buchprojekt De Moler vu Koler, das er im Eigenverlag und mit der Unterstützung des Nationalen Kulturfonds (Focuna) in einer limitierten Ausgabe publizierte und darin neben seines persönlichen Werdegangs als Künstler auch verschiedene Formen von Street Art und Urban Art schildert.

Auf 224 Seiten erzählt der Wandmaler und Illustrator in luxemburgischer Sprache und englischer Übersetzung von seinen frühen Anfängen auf dem Gelände des Skateparks in Hollerich, über die Entstehung seines Pseudonyms Mope bis hin zu Vernissagen und größeren Kunstprojekten im In- und Ausland, wie etwa Frau Leseratte & Mr. Bookworm. Natürlich sind sowohl den Kühltürmen in Differdingen als auch dem Großprojekt Make Koler Kooler, das Welter im Rahmen seiner Bachelorarbeit realisierte und dafür sein Heimatdorf in ein Urban-Art-Museum verwandelte, einige aufschlussreiche Seiten im Buch gewidmet. Doch auch kleinere und unbekanntere Arbeiten haben ihren Weg in die bunte und spritzige Publikation gefunden. So etwa auch das Projekt 365 Alphabeter, bei dem der Sprayer zum Buchbinder wurde und während eines gesamten Jahres jeden Tag ein neues ABC illustrierte und diese Zeichnungen schließlich in sechs handgefertigten Büchern sammelte. Genau diese Art von Arbeiten und Entwürfen geben den Leser/innen einen tieferen Einblick in die Anfangsjahre des Street Artist, in denen er auch seine ersten Charaktere (Figuren) und Pieces (Kunstwerke) – um im Fachjargon der Graffitiszene zu bleiben – entwickelte.

Da De Moler vu Koler in erster Linie aus Illustrationen, Bildern, Fotos und Skizzen jeglicher Art besteht, stellt das Buch logischerweise kein literarisches Meisterwerk dar – aber das ist auch nicht der Anspruch, den diese Art von Publikation verfolgt. Vielmehr geht es hier darum, die Entfaltung von Alain Welters Kunstwerken und seines persönlichen Stils in den Fokus zu rücken, und das ist in jeder Hinsicht gelungen. Anhand von individuellen Geschichten, unterhaltsamen Anekdoten und persönlichen Gedankengängen erklärt und kommentiert der Graffitikünstler seine bisherigen Werke und Projekte, die eben als teils unfertige Skizzen und als vollkommene Endprodukte im Buch abgebildet sind.

Dabei bedient Welter sich stets des etwas saloppen Jargons – um nicht zu sagen Slangs – der Sprayer-Szene und verleiht damit dem Ganzen eine sehr authentische Note, die vor allem für jüngere Generationen und Graffiti-Anhänger/innen greifbar sein dürfte. Für all diejenigen, die mit Begriffen wie „Graffiti-Jam“, „Paste Up“ oder „Wildstyle“ trotzdem nichts anfangen können, wurde dem Buch ein Glossar hinzugefügt, das über solche Bezeichnungen aufklärt. Alain Welter bezeugt mit seinem Buch nicht nur, wie viel Arbeit hinter gut durchdachten Graffitbildern steckt, sondern schafft damit auf ein Neues ein kleines Kunstwerk.

Alain Welters De Moler vu Koler ist über die Webseite des Künstlers erhältlich: alainwelter.com ISBN: 978-99959-0-650-4

Nora Schloesser
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