Entpolitisierung in Superjhemp1

Finanzplatz Luxusburg

d'Lëtzebuerger Land vom 06.08.2021

Superjhemp ist ein luxemburgischer Superheldencomic aus der Feder des Comicautors Lucien Czuga und des Comiczeichners Roger Leiner. In den 29 Bänden der Reihe verteidigt der Superheld das fiktive Luxusburg gegen alle möglichen Bedrohungen. Der erste Band De Superjhemp géint de Bommeléer wurde 1988 publiziert, der letzte erschien 2014. Insgesamt wurden schätzungsweise 200 000 Exemplare verkauft. 2018 erschien der Spielfilm De Superjhemp retörns, der insgesamt 70 000 Zuschauer in die Kinos lockte. Superjhemp ist damit nicht nur Luxemburgs erfolgreichster Comic, sondern auch der erfolgreichste luxemburgische Spielfilm.

Der Comic hat die gesellschaftliche Entwicklung Luxemburgs aus nächster Nähe verfolgt und kaum ein Bereich hat die Gesellschaft seit den 1980er Jahren in dem Maße beeinflusst wie das Bankenwesen. Das Banken- und Finanzwesen spielt hingegen nur in acht Superjhemp-Alben eine Rolle. Damit ist die Branche im Vergleich zu ihrem gesellschaftlichen Einfluss weniger häufig vertreten als man es auf den ersten Blick erwarten würde. Sie taucht nur dann im Comic auf, wenn sie gerade wegen des Bankgeheimnisses, Verstrickungen in Geldwäsche oder wegen Luxemburgs Rolle als Steuerparadies in den Schlagzeilen steht.

De Superjhemp géint de Bommeléer (Luxemburg, Revue, 1988) ist vordergründig von einer Bombenanschlagserie inspiriert, die Luxemburg Mitte der 1980er Jahre in Atem hielt. In dem fiktiven Kleinherzogtum Luxusburg der Comicreihe werden die Anschläge auf eine internationale Terroristengruppe zurückgeführt, die im Auftrag des Fürstentums Monastein agiert und damit droht, die Luxusburger Identität zu zerstören, falls das Land seinen Bankenstandort nicht aufgibt.

Luxusburg ist dem Fürstentum Monastein ein Dorn im Auge, weil die Banken Luxusburg wegen der günstigeren Gesetzeslage als Niederlassungsort vorziehen. Das luxemburgische Banken- und Finanzrecht war in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter. Das Fürstentum Monastein entpuppt sich allerdings eher als Scheingegner: Das Kofferwort verweist auf die beiden europäischen Mikrostaaten Monaco und Liechtenstein, die Luxemburg zwar im Finanzwesen Konkurrenz machten, allerdings aufgrund ihrer Größe keinerlei Gefahr für die luxemburgische Wirtschaft darstellten. Manche Kritik am Bankenstandort fällt im Comic sehr subtil aus. Die Terroristen gründen eine Bank in Luxusburg, obwohl sie dieser Tätigkeit nicht nachgehen. Man kann hier zum einen eine Kritik an Briefkastenfirmen sehen und zum anderen eine Kritik an den laxen Kontrollen der Bankenaufsicht, der es nicht auffällt, wenn eine Firma nur eine leere Hülle ist.

Obwohl die Banken indirekt als Bedrohung für die Kultur dargestellt werden, erscheinen sie im Gesamtbild eher positiv. Der Luxusburger Bankensektor ist ein ernst zu nehmender Konkurrent im internationalen Finanzwesen und scheinbar so mächtig, dass er nur mit illegalen Mitteln gebremst werden kann.

In Den Dossier Hexemeeschter (Luxemburg, Revue, 1991) will der titelgebende Bösewicht die Weltherrschaft an sich reißen, indem er die Kulturgüter aller Nationen durch luxusburgische ersetzt. Der Luxusburger Bankensektor gerät unter Druck, weil der Hexemeeschter sämtliche in Luxusburg gelagerten ausländischen Devisen vernichten will, damit der gesamte internationale Zahlungsverkehr nur noch über den Luxusburger Franken abläuft. Man kann hierin eine Kritik an einer verzerrten Wahrnehmung der internationalen Bedeutung des luxemburgischen Bankensektors und des Landes im Allgemeinen sehen. Auch in diesem Album sehen die Autoren die Kultur von den Banken bedroht und zeigen die Konsequenzen am Beispiel der Neugestaltung des Boulevard Royal. Der Abriss alter Villen und deren Austausch durch die Glastürme der Banken symbolisiert für manche die Modernisierung, für andere die Zerstörung von Kulturgütern.

In diesem Album wird Luxusburg unverhohlen als Finanzparadies bezeichnet und bietet derart günstige Bedingungen, dass sogar Dagobert Duck seinen Geldspeicher nach Luxusburg verlegt hat. Das Album scheint die Banken jedoch kritischer zu hinterfragen, indem einige der in Luxusburg ansässigen Banken mit Geldwäsche assoziiert werden. Dabei werden allerdings nicht alle Banken in gleicher Weise dargestellt. Die Niederlassungen der luxusburgischen Banken „Spuergeess“, (BCEE), „Kängbilbank“ (BIL) und „Caisse Hypnothécaire“ (Caisse Hypothécaire) werden als gewöhnliche Hochhäuser dargestellt, auf denen Schriftzüge mit Ziegen-, beziehungsweise Kängurumaskottchen oder einem unverfänglichen Wortspiel prangen. Die nicht-luxusburgischen Banken „Bank of Wäschington“ und „De 5 à 7 Blanchisserie“ werden hingegen als Waschmaschinen dargestellt. Somit werden die Banken mit luxemburgischen Vorbildern im Gegensatz zu den ausländischen Banken nur indirekt mit Geldwäsche in Verbindung gebracht.

Selbst die „Bank for Cocaine and Crime International“ wird als gewöhnliches Hochhaus gezeichnet, obwohl die „Bank of Credit and Commerce International“ (BCCI) bereits 1988 eindeutig mit Geldwäsche in Verbindung gebracht worden war und ihre Auflösung im Sommer 1991 heute noch zu den größten Finanzskandalen aller Zeiten gehört. Über ein Wortspiel, das auf die kriminellen Machenschaften und die Verbindung zum organisierten Drogenhandel hindeutet, gehen die Autoren nicht hinaus. Geldwäsche ist auch kein Thema bei der Versammlung der „Band vun alle Banken zu Luxusbuerg“ (BABL). Der Name „BABL“ ist eine Verballhornung der Luxemburger Bankenvereinigung ABBL, die zwar mit der negativ konnotierten Bezeichnung „Bande“ versehen wird, ohne sich allerdings wie eine solche zu verhalten. Vielmehr wird die Sitzung als ausgesprochen gewöhnlich dargestellt. Die Mitglieder machen sich angesichts der gestohlenen ausländischen Devisen Sorgen um die Zukunft des Eurobond-Markts.

Zu Beginn von Lescht Chance fir Luxusbuerg (Luxemburg, Revue, 2000) zieht ein zwielichtiger Mann im dunklen Anzug und Sonnenbrille neben Charel Kuddel alias Superjhemp ein. Dieser geht aufgrund der Lieferung eines Geldschranks davon aus, dass es sich wohl um eine Bank handelt, und wundert sich nur, dass diese sich in einer Wohngegend niederlässt. Der Mann taucht später mit einem Kollegen im Büro des luxusburgischen Avant-Premierministers JCJ (Jean-Claude Juncker) auf und stellt sich als Vertreter der „Anonymous Rapid New Advantage Cash-Bank“ (ARNAC) vor. Der Kontext macht deutlich, dass dies eine ausländische Geschäftsgruppe ist, ihre Staatsangehörigkeit wird jedoch nicht weiter definiert. Die Darstellung der beiden Figuren und der Name ihrer Bank machen unmissverständlich klar, dass es sich eindeutig um eine kriminelle Organisation handelt.

Obwohl das Bankgeheimnis seit den 1980er Jahren immer wieder unter Beschuss stand, erhöhte sich der internationale Druck um die Jahrtausendwende merklich. In Luxusburg ist das Bankgeheimnis hingegen noch so erfolgreich, dass manche zu allem bereit sind, um das Geschäftsmodell zu kopieren. Obwohl der Comic andeutet, dass das Bankgeheimnis eine unerwünschte Klientel anlockt und damit zunehmend zu einem Image-Problem für Luxemburg wird, wird der Bezug zum Bankgeheimnis in mancherlei Hinsicht abgeschwächt. Zum einen sprechen die Gauner nicht vom Bankgeheimnis, sondern vom „Geheimnis vun der Bank“, so als ob sie keine Ahnung von derer legalen Grundlage hätten. Darüber hinaus ist der Versuch, an das „Geheimnis der Bank“ zu gelangen, nur eine Nebenhandlung von geringerer Wichtigkeit für den eigentlichen Verlauf der Handlung. Damit wird die Diskussion über das Bankgeheimnis heruntergespielt, so als ob man sie nicht ernstnehmen müsse.

Auch die Rolle der Politik wird in einem positiven Licht dargestellt. Der Avant-Premierminister JCJ verrät den Gaunern weder das „Geheimnis der Bank“, noch erteilt er ihnen die Genehmigung, sich in Luxusburg niederzulassen. Auf diese Absage hin entführen die Betrüger den Präsidenten der luxusburgischen Bankenvereinigung, um ihm das „Geheimnis der Bank“ unter angedeuteter Folter zu entlocken. Lucien Tilt leistet erfolgreich Widerstand und besiegt die Betrüger mit der Hilfe von Superjhemp. In seiner Rolle als Präsident der BABL steht er stellvertretend für alle luxusburgischen Banker, und so deutet der Comic an, dass weder Politik noch Bankenvereinigung es zulassen, dass Banken das luxusburgische Bankgeheimnis für kriminelle Zwecke ausnutzen können. Das luxusburgische Bankenwesen gehört aus unerklärten Gründen zu den Auserwählten, die der Versuchung widerstehen können, das Bankgeheimnis zu eigennützigen Zwecken einzusetzen. Im Album wird immer nur über das „Geheimnis der Bank“ gesprochen, ohne dass es je gelüftet wird. Dadurch erhält es etwas Mystisches, das man scheinbar nur in Luxusburg lernen kann.

In Alarm am Örozuch (Luxemburg, Revue, 2001) wird in Luxusburg eine neue Währung namens „Öro“ eingeführt. Als Luxusburg von der Gelegenheit profitiert, um seine Goldreserven aus dem Ausland zurückzuholen, gerät das Land ins Visier des Steuerparadieses Donkelvetien, das Luxusburg finanziell ruinieren will, um seine eigene Position zu stärken. Hinter Donkelvetien verbirgt sich die Schweiz, die eigentlich zu jenem Zeitpunkt eher ein Verbündeter Luxemburgs im Kampf um den Erhalt des Bankgeheimnisses war als ein Konkurrent. Dass die Schweiz in diesem Album Luxusburgs Erzfeind Monastein ablöst, geht wohl eher auf eine Werbekampagne des Luxemburger Geschäftsverbandes zurück. 2001 wurden im Rahmen von „Art on Cows“ in der ganzen Stadt Luxemburg Glasfaserkühe aufgestellt, von denen Roger Leiner ebenfalls eine bemalte.

Aufgrund der unaufhaltsamen Expansion des Finanzwesens war das Bankenzentrum mittlerweile vom Boulevard Royal auf den Kirchberg umgezogen. Dieses Album zeigt zunächst ein Panoramabild mit modernen Glasbauten der „Banque généreuse du Luxusbourg“, der „Whyte & Wash Bank“ und der „Hypnovereinsbank“. Die einzige luxusburgische Bank steht vom Namen her besonders gut da: die „Gebefreudige Bank von Luxusburg“. In den folgenden Kästchen werden deutsche Zahnärzte, belgische Notare und französische Politiker gezeigt, die bei den luxusburgischen Niederlassungen ihrer jeweiligen Banken – „Deutsche Dashbank“, „Diskredietbank“ und „Blanchibas“ – ihren Geschäften nachgehen.

Wiederum werden ausländische Banken mitsamt ihrer Kundschaft unmittelbarer mit illegalen Geschäften in Verbindung gebracht als die einheimischen Banken. Die unlauteren Geschäfte werden augenzwinkernd angedeutet und auf diese Weise heruntergespielt. Neben diesen visuellen Andeutungen wird Luxusburg auch indirekt im Vergleich mit Donkelvetien als Steuerparadies bezeichnet. Die Konkurrenz zwischen Steuerparadiesen wird thematisiert, nicht jedoch die Auswirkungen einer solchen Steuerpolitik.

Luxemburgs Wandel von einem klassischen Bankenzentrum zu einer internationalen Drehscheibe für Investitionsfonds wirkt sich auch auf Superjhemp aus. In Countdown fir Kachkéisien (Luxemburg, Revue, 2005) übernehmen die Finanzmärkte die Rolle der Banken. Dimitri Frivili ist der autoritäre Präsident des erdölreichen Aserméckschif und möchte mit seinem Land der ÖU beitreten. Deshalb begibt er sich nach Luxusburg, um mit dem Avant-Premierminister JCJ über die Beitrittsbedingungen zu verhandeln. Als JCJ Frivilis Forderung wegen dessen Nicht-Erfüllung von Menschenrechtsgesetzen ablehnt, kauft dieser die Luxusburger Staatsschulden über „nachméirikanische“ Hedge-Fonds. Es stellt sich heraus, dass er damit irgendwie in den Besitz des Landes kommt. Frivilis Vorgehensweise ist an der Strategie der feindlichen Betriebsübernahme inspiriert, die in den Jahren vor der Finanzkrise 2007-2009 einen neuen Höhepunkt erreichte und in Luxemburg vor allem 2006 im Kontext der feindlichen Übernahme der Arcelor durch Mittal Steel spürbar wurde.

Interessanterweise erfolgt die Transaktion mit Hilfe amerikanischer Fondsgesellschaften, wobei Luxemburg damals wie heute hinter den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Markt für Investmentfonds war. Die Kritik der Autoren wäre schwerer zu verschmerzen gewesen, hätten sie Frivili Luxusburg mit Hilfe luxusburgischer oder in Luxusburg ansässiger Fonds aufkaufen lassen. Wieder einmal werden die luxusburgischen Akteure diskret aus fragwürdigen Geschäften herausgehalten.

Der luxemburgische Finanzsektor blieb von der Finanzkrise 2007-2009 nicht verschont. Die Konjunktur- und Rettungsmaßnahmen der Regierung, darunter die notgedrungene Rettung der luxemburgischen Anteile der Dexia und der Fortis Bank, verdoppelten die Staatsschulden innerhalb eines Jahres. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise geriet auch das Bankgeheimnis international zunehmend unter Druck und die europäischen Länder einigten sich auf dessen Abschaffung. Im Album Cräsh am Paradäis (Luxemburg, Revue, 2009) wird Luxusburg zusammen mit anderen Ländern auf eine graue Liste der Steuerparadiese gesetzt und kann nicht mehr wie früher ungestört vom Bankgeheimnis profitieren.

Stärker als in allen vorherigen Alben gilt das Bankgeheimnis hier als ein nationales Heiligtum und ein Angriff auf das Bankgeheimnis wird als Angriff auf die Nation gewertet. Der klare Verweis auf das Römische Reich aus Asterix charakterisiert die „Organisatioun fir öropäesch cretinös Directiven“ als illegitime Invasoren.

Die OÖCD setzt das unschuldige Steuerparadies Luxusburg auf eine graue Liste, nur weil es ein Bankgeheimnis hat. Indem sie die Verantwortlichen der OÖCD als Finanz-Faschisten bezeichnen, die ganz Öropa gleichgeschaltet haben, greifen die Autoren auf Vergleiche zum Nationalsozialismus zurück. Im gleichen Zuge lassen sie den deutschen SPD-Politiker Franz Münzgering den „totalen Steuerkrieg“ ankündigen.2 Jegliche Kritik am Bankgeheimnis und an der luxusburgischen Steuerpolitik wird regelrecht dämonisiert. Demgegenüber wird Luxusburg als heroischer Verteidiger des Bankgeheimnisses dargestellt, der sich verbissener gegen die Abschaffung des Bankgeheimnisses wehrt als Donkelvetien (Schweiz), Liechtenfels (Liechtenstein) und Monacul (Monaco). Es wird angedeutet, dass Luxusburg alleine auf verlorenem Posten kämpfen muss.

Angesichts der Dreistigkeit der Banker ist Luxusburgs Avant-Premierminister JCJ außer sich. Er ist strikt dagegen, dass die zur Bankenrettung bestimmten öffentlichen Gelder in Entschädigungen, Boni und Stock-Optionen für die Teppichetage fließen, und stellt sich damit deutlich auf die Seite des kleinen Mannes. In Wirklichkeit konnte die Politik wenig ausrichten, um zu verhindern, dass einige Topmanager der geretteten Banken von goldenen Fallschirmen profitieren konnten. An keiner Stelle wird anerkannt, dass Luxusburg bis zu dem Zeitpunkt sehr wohl von den Spekulationen der Banken profitiert hat. JCJ scheint aus allen Wolken zu fallen, als er feststellt, dass auch luxusburgische Banker sich verspekulieren können. Der Comic rückt die Politik auf die Seite der ohnmächtigen Opfer, weil sie nicht in der Lage ist, das Luxusburger Bankgeheimnis zu bewahren, anstatt die Laissez-faire Einstellung einer Klasse zu kritisieren, die nichts unternommen hat, solange Luxusburg von genau den Geschäftspraktiken profitiert hat, die die Finanzkrise ausgelöst haben.

S. Kroo ist der einzige Banker in der ganzen Comicreihe, der in krumme Finanzgeschäfte verwickelt ist und nicht ausdrücklich als Nicht-Luxusburger bezeichnet wird. Er leitet allerdings ein Finanzinstitut, die Hypno Bank, das mit keiner luxemburgischen Bank verwechselt werden kann. Auch in diesem Fall schaffen die Autoren eine gewisse Distanz zu Luxemburg, indem sie darauf verzichten, ihn an die Spitze einer Dexia oder Fortis Bank zu setzen. S. Kroo wird überdies nicht wegen seiner fragwürdigen Investitionsstrategien und dem fahrlässigen Umgang mit Staatsgeldern von Superjhemp verfolgt, sondern weil er die „Kachkéisformel“ stehlen lässt, mit der die Wirtschaft des Landes gerettet werden kann. Trotz aller Anklagen scheint die Verfehlung der Banker vor allem darin zu liegen, dass sie in solchem Maß übertrieben haben, dass Luxusburg sein profitables Geschäftsmodell aufgeben muss. Der Mythos eines unbesiegbaren Luxusburger Finanzplatzes ist zerstört.

Der Blick auf die Darstellung des Finanzsektors zeigt, dass dieser hinter einem dünnen Schein der Satire durchaus im positiven Licht erscheint. Luxusburg wird als eines der reichsten Länder der Welt beschrieben, dessen Wohlstand vom Bankensektor abhängt. Der luxusburgische Bankensektor wird indirekt als noch erfolgreicher dargestellt als sein luxemburgisches Vorbild. Die konkurrierenden Standorte sind gezwungen, auf illegale Mittel zurückzugreifen, um den Luxusburger Bankensektor in die Knie zu zwingen. Selbst wenn Luxusburg nicht mit offensichtlich illegalen Mitteln angegriffen wird, werden die Gegner in einer Weise karikiert, die ihnen ihre Legitimität aberkennt.

Die Luxusburger Akteure setzen sich mit Leib und Seele für das Wohlergehen der Banken ein. Politiker greifen wortwörtlich zu den Waffen, um das Bankgeheimnis zu verteidigen, und der Präsident der Bankenvereinigung widersteht tagelanger Folter, um zu verhindern, dass das Bankgeheimnis in die falschen Hände gerät. An manchen Stellen wird direkt oder indirekt auf negative Aspekte der Bankenaktivitäten verwiesen: dabei geht es besonders um Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Allerdings sind es fast ausschließlich ausländische Banken und deren ausländische Kunden, die in solche Machenschaften verstrickt sind und Luxusburg nur ausnutzen, um ihre illegalen Geschäfte zu tätigen. Weder Geldwäscher noch Steuerhinterzieher treten je als Superjhemps Gegner auf, sondern werden nur im Hintergrund gezeigt. Sie sind – wenn überhaupt – ein notwendiges Übel, damit Luxusburg florieren kann. Grundsätzlich stellen die Autoren weder das Bankgeheimnis noch den Status als Steuerparadies oder die Gefahr, die von Geldwäsche ausgeht, in Frage. In Luxusburg gibt es keine Verlierer durch den Bankensektor.

Die illegalen Machenschaften gehen allerdings von einer Person aus und nicht von der Bank. Superjhemp geht hingegen nie gegen das System der Steuerhinterziehung oder der Geldwäsche in Luxusburg vor. Dadurch, dass das Finanzwesen von Superjhemp noch nicht einmal als potentieller Gegner wahrgenommen wird, bestätigt der Comic die Annahme, dass im Finanzsektor alles in geregelten Bahnen abläuft. Steueroptimierung ist nach luxusburgischem Gesetz erlaubt und somit gibt es keinen Grund für Superjhemp, dagegen vorzugehen.

Die Darstellung des Finanzsektors liefert eines von vielen Beispielen für das immergleiche Schema, nach dem die Superjhemp-Alben aufgebaut sind. Einige wenige besonders auffallende Begebenheiten aus den luxemburgischen und internationalen Schlagzeilen bilden den Ausgangspunkt der Handlung. Dabei entsteht ein maßangefertigtes Paralleluniversum, das man durchaus als eine Karikatur von Luxemburg bezeichnen kann.3 Indem „Personen oder Vorgänge in deformierend verknappter, vielfach komischer Art und Weise charakterisiert und so häufig auch kritisiert werden“, ist die Karikatur eine Form der Abstraktion, in der bestimmte Eigenschaften einer Vorlage hervorgehoben und andere in den Hintergrund gerückt werden.

Durch die Kombination von Karikatur und Nähe zur Aktualität entsteht ein geschichtsloses, verzerrtes Bild von Luxemburg in der Form von Luxusburg, welches den Status quo bildet, den Superjhemp erhalten wird. Der Zerrspiegel der Karikatur kann die Wahrnehmung gewisser Begebenheiten je nach Bedarf steuern. Auch wenn hierbei manche Kontroversen in den Fokus rücken, reflektiert der Spiegel unter dem Strich ein fiktives Land mit positiven Eigenschaften und erstaunlich wenigen hausgemachten Problemen. Kurzum, ein Land, das es zu verteidigen lohnt. Die Rückkehr zu einem bekannten Ausgangspunkt hat den Vorteil, dass die Autoren keine Alternative zur gegenwärtigen Gesellschaft erfinden müssen, die unter Umständen mit den Auffassungen der Leserschaft im Konflikt stünde. Darüber hinaus rechtfertigt die Wiederherstellung des Status quo all diejenigen, die der Meinung sind, dass eigentlich alles in Ordnung ist und nichts an der Gesellschaft verändert werden muss.

Die positive Verzerrung Luxemburgs geschieht neben der eigentlichen Handlung; durch die Nähe zur Aktualität und die lebensechten Karikaturen vieler Orte und Prominenter entsteht eine positive Rückkopplung, durch die Luxemburg von der positiven Darstellung seines Zerrbilds profitiert.

Nach der Analyse der Rezeptionsgeschichte besteht kaum ein Zweifel daran, dass es bei Superjhemp vornehmlich um Unterhaltung und damit verbunden um kommerziellen Erfolg ging. Wie Lucien Czuga bereits 1993 verdeutlichte: „Mein Partner Roger Leiner und ich wissen, daß wir auch anders könnten. Wir wollen aber nicht. Uns geht es nicht um Anerkennung von anderen Künstlern, tolle Rezensionen von Kulturkritikern oder Preise zu bekommen. Wir blödeln lieber für unser Publikum, das sich dabei gut amüsiert. Der Erfolg bei unseren treuen Lesern zählt für uns mehr.“4

Damit diese Taktik aufgeht, muss Superjhemp eine Unterhaltung bieten, die eine breite Leserschaft anspricht. Der langjährige Erfolg des Comics deutet darauf hin, dass es den Autoren gelungen ist, ihre Leserschaft dauerhaft mit dieser Formel anzusprechen. Man kann also davon ausgehen, dass weder die Auswahl der gesellschaftlichen Phänomene noch die Art und Weise, wie sich die Autoren über sie lustig machen, die Werte der Leser in ihren Grundfesten erschüttert.

Wäre der Comic eine Satire, so müsste er eigentlich den Status quo kritisieren, den Superjhemp in jedem Album wiederherstellen muss. Die Satire richtet sich jedoch weniger gegen gesellschaftliche Gegebenheiten des realen Luxemburgs, sondern prangert ein Abweichen von einem durch Karikierung abstrahierten Idealzustand an. Aus einem erfolgreichen Luxemburger Finanzsektor, der einen Teil seines Umsatzes mit legalen, aber moralisch fragwürdigen Methoden erwirtschaftet, wird ein moralisch unfehlbarer luxusburgischer Finanzsektor, der von ausländischen Gaunern ausgenutzt wird. Die vermeintliche Satire soll den Lesern vielmehr den Eindruck einer kritischen Auseinandersetzung mit wichtigen Themen vermitteln. Dabei nehmen die Autoren eigentlich nur Strohmänner aufs Korn, die zuvor eigens für diese Zwecke erschaffen wurden. Im Falle der Steuerhinterziehung richtet die Satire sich nicht gegen die soziale Identität der eigenen Gruppe, sondern prangert die Heuchelei einer fremden Gruppe an, um sich selbst von aller Schuld zu reinigen. So erlaubt der Comic kognitive Dissonanzen zu reduzieren, die eine eingehendere Beschäftigung mit Luxemburgs ambivalenter Rolle im internationalen Finanzwesen hervorrufen könnte.

Obwohl Superjhemp nichts weiter als Unterhaltung sein möchte, ist es keine unpolitische Karikatur. Gerade weil der Comic ein Luxusburg schafft, das in vielerlei Hinsicht durchaus positiv ist, wirkt er bei all denjenigen identitätsstiftend, die in Luxusburg eine Bestätigung ihrer Auffassungen sehen. Der Comic weist auf unverfängliche Weise auf gesellschaftliche Gegebenheiten hin, die die Leser bereitwillig akzeptieren und die ihnen keine Änderung ihrer Gewohnheiten abverlangt. Damit stärken die Autoren sowohl die Zusammengehörigkeit der Gruppe als auch ihre eigene Position darin.

Die Alben geben möglicherweise Aufschluss darüber, in welchem Licht die Autoren – und gemessen am Erfolg auch ihre Leser – Luxemburg gerne sehen möchten. Wenn den Autoren nicht an einer Veränderung des Systems gelegen war, so lag ihnen doch sehr an dessen Erhaltung..

Claude Kremer arbeitet am Centre national de littérature.

1 Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des gleichnamigen Artikels, der im April 2021 in der Onlinezeitschrift Cultural Express veröffentlicht wurde. Claude Kremer, „Finanzplatz Luxusburg: Entpolitisierung in Superjhemp“, Cultural Express (online), n°6, 2021, „Faceless Evil in Popular Culture“, Oliver Kohns, Sébastian Thiltges, (Hrsg.)

2 Die Autoren gehen hier auf Franz Münteferings Rede anlässlich des politischen Aschermittwochs der SPD 2009 ein, in der er zu verstehen gab, dass er es für gerechtfertigt hielt, Soldaten in Steueroasen zu schicken, um diese auszutrocknen. Franz Münteferings, „Kriegserklärung”. Neue Zürcher Zeitung, 01.03.2009.

3 Wilhelm Amann, Viviane Bourg, Paul Dell, Fabienne Lentz, Paul Di Felice, Sebastian Reddeker: „Bilder und Identitäten“, S. 165–234, in Identites Politiques Societes Espaces (IPSE) (Hg.), Doing identity in Luxemburg. Subjektive Aneignungen – institutionelle Zuschreibungen – sozio-kulturelle Milieus, Bielefeld, Transcript, 2010, S. 180 

4 Uli Botzler, „Ein Leben in bunten Bildern“. d’Lëtzebuerger Land, 05.03.1993, S. 6.

Claude Kremer
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