Wenn der Generaldirektor und der Generalsekretär der Polizei Ende Januar von ihren Funktionen entbunden werden mussten, steckt der staatliche Sicherheitsapparat noch ein Stück tiefer in der Krise als Ende November, als zwei Chefkommissare beschuldigt wurden, in die Terroranschläge der Achtzigerjahre verwickelt gewesen zu sein.
Man kann also davon ausgehen, dass ein christlich-sozialer Justizminister, dessen Geschäftsfundus Law and Order im Zentrumsbezirk sind, alles getan hat, damit seine Polizeispitze der vor zwei Monaten gestellten Falle des vielleicht ziemlich brillanten Staatsanwalts entgeht. Schließlich hatte der Minister noch behauptet, dass ihm die rechtliche Handhabe zu umgehenden Sanktionen fehle, als der Generaldirektor in einem Rundschreiben an die Truppe die beiden gerade beschuldigten Kollegen gegen die Justiz in Schutz genommen hatte.
Bereits dieses Rundschreiben zeugte von einer Verachtung gegenüber der Justiz durch den Oberbefehlshaber einer Polizei, die auch Vollzugsorgan der Justiz ist, die ihn untragbar machte. „Un tel mépris“ hält der Staatsanwalt zu Recht für eher eines Polizei- als eines Rechtsstaats würdig.
So steht es in dem langem Brief, mit dem der Staatsanwalt vergangene Woche Erklärungen zu einer Beschattungsaktion lieferte, die er aus den Dutzenden von Ungereimtheiten und Ermittlungspannen als Köder für die Brigade-Mobile-Veteranen Nummer drei und vier ausgewählt hatte. In dem Brief sagte er auch treffsicher voraus, dass die Generalinspektion der Polizei diese Woche nichts über den Verantwortlichen der vor der Justiz verheimlichten Beschattungsaktion herausfinden würde.Der Staatsanwalt wirft zwei der vier ranghöchsten Polizisten im Land Meineid vor der Untersuchungsrichterin und Behinderung der Justiz vor. Hätte der Justizminister sie noch immer nicht abberufen, hätte es ihn am Ende vielleicht seinen eigenen Kopf gekostet. Diese Eventualität muss er für die schmerzlichere gehalten haben.Denn eine Frage wartet noch auf eine Antwort: Was ist dem Generaldirektor und dem Generalsekretär der Polizei so wichtig, dass sie selbst nach 22 Jahren lieber ihre berufliche Laufbahn opfern, als auch nur ansatzweise mit der Justiz zusammenzuarbeiten? Beide waren in den Achtzigerjahren Kommandant und stellvertretender Kommandant jenes Dutzend Elitegendarmen der Brigade mobile, aus der nach Überzeugung der Untersuchungsrichterin und des Staatsanwalts die Bombenattentäter stammen.
Wenn schließlich die Untersuchungsrichterin sich im Dezember 2003 zu dem innen- und selbst außenpolitisch extremen Schritt genötigt sah, eine Hausdurchsuchung beim Nachrichtendienst anzuordnen, muss man davon ausgehen, dass auch dieser sich bei der Aufdeckung der Terroranschläge der Behinderung der Justiz schuldig gemacht hat. Der Staatsanwalt nennt die Aussagen des damaligen Direktors des Service de renseignement in seinem Brief an den Justizminister euphemistisch fragwürdig.
Gezielt zitiert der Staatsanwalt in seinem Schreiben – wie bereits vor dem parlamentarischen Rechtsausschuss – den nun dienstenthobenen Generaldirektor der Polizei mit der selbstsicheren Behauptung, dass gegen die Bombenattentäter nur bis zu einer gewissen Ebene ermittelt werden könne, „an dann ass Schluss“. So als sei der Staatsanwalt einer Staatsaffäre auf der Spur.