Der Spitzenkandidat der CSV ist nicht mehr taufrisch: Luc Frieden wurde vor 25 Jahren Minister. Vor zehn Jahren musste er aufhören. Doch spreche für ihn, dass er „Kompetenz a Krisenzäiten“ bewiesen habe. So Präsident Claude Wiseler vor dem CSV-Nationalrat am 1. Februar.
Luc Frieden war Haushalts-, Schatzamts- und Finanzminister. Er hing dem von der Europäischen Union geförderten neoliberalen Haushaltsdogma an. Deshalb halten Freund und Feind ihn bis heute für einen strengen, aber kompetenten Finanzpolitiker.
Im Mittelpunkt des Dogmas stand bis Covid der Kampf gegen die Staatsschuld. Theoretisch verteuert sie durch konkurrierende Nachfrage das Leihkapital der Unternehmen. Praktisch dient sie als Schreckgespenst, um den Sozialstaat kleinzuhalten. Das erlaubt Steuersenkungen für die besitzenden Klassen, „Wettbewerbsfähigkeit“ genannt.
Beim CSV-Konvent vor 14 Tagen warnte Luc Frieden die Regierung: „Déi Progressioun vun der Staatsschold, déi geet schif, well enges Daags muss déi Schold natierlech zréckbezuelt ginn.“ Die Erkenntnis überrascht: Als Luc Frieden am 30. Januar 1998 Haushaltsminister wurde, betrug die Schuld des Zentralstaats 692 Millionen Euro. Als er am 4. Dezember 2013 sein Ministeramt aufgab, lag sie bei 9 543 Millionen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt stieg sie von 4,07 auf 20,9 Prozent.
Unter Luc Friedens Verantwortung wuchs die Schuld des Zentralstaats um 1 379 Prozent. Lange vor der 2-Milliarden-Anleihe, mit der 2008 der Zusammenbruch von Bil und BGL verhindert werden sollte. Die Zentralbank warnte schon 2005: „L’évolution de l’endettement pourrait devenir une préoccupation majeure au cours des prochaines années. Un besoin de financement de l’administration centrale de l’ordre de 4% du PIB ne peut assurément perdurer“ (Haushaltsgutachten für 2006, S. 15).
Deshalb übte Luc Frieden Budgetkosmetik. Er strich fiktive Investitionen, kürzte die „crédits non limitatifs“. Er senkte das Defizit auf dem Papier. Die Handelskammer beschwerte sich über eine Anleihe: „Cette inscription de 80 millions d’euros sous les recettes en capital n’est d’ailleurs pas conforme aux règles communautaires en matière de calcul du déficit de l’Etat central“ (Haushaltsgutachten für 2004, S. 20).
Der Finanzminister tappte im Dunkeln. Die Zentralbank bemängelte: „La volatilité prononcée des soldes budgétaires des Administrations publiques rend plus difficile l’analyse de ces derniers, et ceci est reflété dans les révisions successives des projections des dépenses et des recettes de l’Etat“ (Haushaltsgutachten für 2010, S. 15).
„De Luc huet als Finanzminister eng Kris géréiert“, erzählte Präsidentin Elisabeth Margue dem CSV-Konvent. Im April 2011 legte der Finanzminister ein Sparpaket vor. Sechs Monate später ein Anderes. Sein Parteipräsident Michel Wolter bescheinigte ihm: „Mir ginn an d’Richtung vu Griicheland, wa mer net zolitt géigesteieren“ (RTL, 17.3.2012). Am 24. Juli 2012 stufte Moody’s die Staatsschuld herab auf „Aaa with negative outlook“. Im November 2012 putschten die Fraktionen von CSV und LSAP gegen ihren Finanzminister. Mit Änderungsanträgen senkten sie sein Staatsdefizit um 162,2 Millionen. Bei seiner Haushaltsrede schmollte er.
2012 fädelte Luc Frieden mit zwei geschäftstüchtigen Freunden den Verkauf eines Teils von Cargolux an die katarische Precision Capital ein. Auf Kosten der staatlichen Aktionäre Luxair, Sparkasse und SNCI. Er organisierte den Verkauf der Bil zum Freundschaftspreis. Precision Capital verkaufte die Bank weiter, 700 Millionen Euro teurer. Wenige Monate nach seiner Amtsniederlegung stellte er seine als Finanzminister gewonnenen Beziehungen und Einblicke in den Dienst der Deutschen Bank London.
Privat- und Eigeninteressen über das Gemeinwohl zu stellen, entspricht dem neoliberalen Haushaltsdogma. Es macht aber noch niemand zum Finanzgenie.