Die kleine Zeitzeugin

Kasperl, Schlingel, Krokodile

d'Lëtzebuerger Land vom 17.01.2020

Kaum brach das neue Jahr an, beziehungsweise aus, spien die großen Krokodile Feuer. Das US-Krokodil, auch als Kasperl populär, und jenes im Reich der Mullahs, es züngelte um die halbe Welt. Die gewaltigen Töne, die sie spuckten aus den allzu voll genommenen Mäulern, ähnelten sich dann zunehmend.

Puuh, ganz schön Action. Krieg jetzt, ein echter, echt wahr? Kurze Angstlust, Herr_in Expertin, was nun? Aber die Herr_innenexpert_innen sind gerade im Off, fahren Schi, treiben Erbauliches, die Talkdrüsenshows sind im Winterschlaf. Der Zeitungsverkäufer in der U-Bahn, den es seltsamerweise noch in analog gibt, genau wie das, was er feilbietet, schaut milde lächelnd zu beim Stöbern nach den Headlines. Beethoven ist auf dem Cover, Life-Styliges, wo sind die

Heads der bösen Buben vor dräuender Weltuntergangskulisse? Die Weltuntergangskulisse gibt es höchstens auf australisch, da ist Himmel plötzlich Hölle. Auflagentechnisch ist der Zeitpunkt für den Mord an Soleimani nicht optimal, die meisten europäischen Printmedien sind knapp davor erschienen. Der sehr junge Zeitungsguru, der vermutlich „aus dieser Ecke“ kommt, kennt sich als Einziger aus. Iran-USA, nix Krieg, grinst er die Feuerspucker weg.

Ein bisschen wird noch debattiert, ob es okay ist, Menschen auszuschalten. Darf man das eigentlich? Wobei der Begriff Mensch selten fällt, öfter ist von Monstern die Rede. Von Mord genauso selten, klingt old school und nach etwas extrem old schoolem wie Schuld. So genau weiß das niemand, weil die Kriege nicht mehr erklärt werden wie in der guten alten Zeit, sondern immer unerklärlicher werden.

Ach, grad noch Zeit für ein bisschen Klimahysterie, ziehen wir uns den Höllenhimmel rein, es gibt immer mehr davon. Tapfer vor verkohlten Überresten stehende ältere australische Paare, sie ähneln einander sehr, wie sie im Restbusch stehen wie in einer Gedenkstätte und dann Hand in Hand, Hänsel und Gretel, in eine, wie es heißt, ungewisse Zukunft stapfen. Beeindruckt vernehmen wir, eine Fläche von der Größe Belgiens sei abgebrannt, am nächsten Tag sind es schon anderthalb und dann drei Belgien, wieviel Belgien gibt es dort?

Und dann kommt ein bisschen Leben in die europäische Bude. Prinz und Prinzessin füllen das mediale Vakuum, die Leere der Welt. Es handelt sich natürlich um das entzückend lausbübische Duo, das vor den Buckinghammeln ausbüxt. Der Fossil-Firma, Gebeine storchen durch Flügel, Mumien kleben auf Thronen, vorwiegend wird mit Pferden und Pflanzen geschäkert. Eine gespenstische Rüstigkeit ist dort zuhause, auch wenn nur noch feiertags Rüstung getragen wird. Ein zynischer Greis, der trotzdem schlechte Witze reißt, eine Greisin, die eiserner Pflichterfüllung huldigt, die Letzte ihrer Art. Lange schon träumt Dramaprinzessin unter einem verträumten Erdhügel, während sie stur weiterstöckelt, von Dekade zu Dekade, in Apfelgrün, Kanariengelb, Mandarine. Dann gibt es noch den perversen Prinzen, den Reserve-Prinzen, Camilla extra dry. Und in den Hauptrollen die zwei Braven, Mustermonarch und Mustermonarchgattin.

Aber irgendwas fehlt da doch noch, irgendwer? Das und der und die, ohne die alles nichts ist. Salz, Pfeffer, Zucker. Die zwei Schlingel, gebucht für was mit Hautfarbe, was Frisches. Der kleine Prinz, er hatte es immer faustdick hinter Ohren, nie um einen Scherz verlegen, verkleidete sich als Nazi und bekam eine Prinzessin und alsbald einen Archie. Jetzt steigt er aus der Prinzenrolle.

Darf das, darf er das? Ist das nicht Verrat? Hochverrat? Lässt die Queen sie ziehen oder müssen sie fliehen? Steht da nicht Enthauptung drauf, Verbannung mindestens? Aber er verbannt sich ja selber mit seiner Süßen, die nicht bei den Buckinghammeln versauern soll. Ins profane Kanada auch noch. Wer passt dann auf sie auf? Kriegen die beiden Taschengeld? Was, sie starten ihre eigene Soap, ganz ohne Fellmützen und Wildschweinschädel?

Alles halb so schlimm. Das pfiffige Pärchen tritt einstweilen noch als Halbzeitprinzmime und Halbzeitprinzessinnenmimin auf. Sanfter Ausstieg, softer Entzug, Oma segnet.

Michèle Thoma
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