Hoerold, Pit: pitHOERoldBUCH

Handgemacht

d'Lëtzebuerger Land vom 17.03.2011

Die meisten Lyrikliebhaber werden stutzen, wenn sie die Ankündigung lesen, es gäbe „news vum pitsit – de site mat der piTTblumm“. Bei besagten „News“ handelt es sich um eine CD mit dem Siegel „pitHOERoldBUCH“, eine Aufnahme mit Gedichten und zwei ganz scheußlichen Liedern im Stil der Produktionen, die man auf der Internetseite des Autors (pithoerold.com) findet. Dort prangt zur Begrüßung auch das Logo, also die „piTTblumm“, eine mit Strahlen versehene gelbe Löwenzahnblüte, neben einem Bild des Dichters (lange Haare, Brille, Bart) in einem tiefblauen Himmel. Darunter: Ein zwar ordentlich aufgeräumtes, dafür aber kunterbuntes Sammelsurium aus Dokumenten und Schriftfonts.

Maue Kalauer und Kitsch als Werbestrategie für Lyrik? Da muss man nicht auf Anhieb skeptisch sein. Positiv gewendet bedeutet der Befund nämlich: Von einem, der mit so viel Schwung nahezu sämtliche der üblichen grafischen Gepflogenheiten in den Wind schießt, darf man zumindest ausgehen, dass er ziemlich unbekümmert gegen den Strom schwimmt.

Dieser Eindruck bestätigt sich beim Hören: Der Autor liest, unterbrochen nur hier und da vom versöhnlichen Gezupfe einer akustischen Gitarre, meist deutsche Gedichte. Er tut dies mit einem luxemburgischen Einschlag, dass es einen das Gruseln lehren könnte, würde er diese Gedichte nicht so völlig entspannt, so völlig unprätentiös vortragen. Kitsch aber auch hier, wohin die Ohren hören: Naturlyrik (Bäume mit Vögeln, Segel, Himmel, Wind), Kindheitserinnerungen, viel Alltägliches („tee, ein butterbrot, erdbeermarmelade“), hin und wieder Liebe und Schmerz, Krieg und Frieden, Verhöhnung der Paragrafenreiter. Hin und wieder außerdem Reime, die mit einer so gänzlich unironischen Selbstverständlichkeit vorgebracht werden, als habe noch nie jemand die Zwänge des Reimkorsetts in Frage gestellt. Hoerold ist sich dann auch keineswegs zu schade, seinen Kreuzreimen notfalls mindestens Syntax und Metrik zu opfern:

Jemand sehr Kleinliches hätte vermutlich außerdem noch Bedenken bezüglich der Metaphorik anzumelden; er würde der Intention dieser Gedichte damit aber sicher nicht gerecht. Wären eine zuweilen recht süßliche Naturlyrik und ein paar naive Reime alles, was es an Pit Hoerolds Gedichten zu bemerken gäbe, könnte man sie getrost ganz schnell als altmodischen Hippiekram abtun. Doch es ist zum Glück nicht alles.

So viele Gedichte, wie die Auswahl, die Hoerold auf dieser Seite präsentiert, schreiben andere in ihrem ganzen Leben nicht. Seine Internetseite entlarvt Pit Hoerold als nahezu manisch Dichtenden und Schreibenden, als Autor, der alles, was sich seiner Wahrnehmung darbietet, unvermittelt schriftstellerisch verarbeitet und verwandelt, auch als Autor, der seine schriftstellerische Tätigkeit mit einem unverbrüchlichen Idealismus, mit einem festen Glauben an die Sagbarkeit der Welt angeht.

Gerade angesichts einer so großen Textmasse, darf es dann auch nicht verwundern, dass sich zwischen den Körnern noch eine ganze Menge Spreu findet. Das macht aber nichts. Hoerolds Unbedarftheit im Umgang mit Metaphern, zusammen mit einem routinierten sprachlichen Feingefühl, lassen zum Teil sehr eindrückliche Bilderfolgen entstehen, die ihre Wirkung sogar dann nicht verfehlen, wenn man ihnen vereinzelte Inkonsistenzen nachweisen kann. „auf ihrer brust tanzt die krawatte,/ ein blutender pferdeschwanz“2 wäre ein Beispiel, oder auch eine Passage aus dem Prosatext „vie et poésie“, in dem der Dichter beschreibt, wie er auf dem Weg zum Friedhof einer Hochzeitsgesellschaft begegnet: „an ee mat enger täschenauer. déi en lo aus der giletstäsch zitt. d’ketten sou laang wi eng gëllen hochzäit.“3

Jedem anderen Autor würde man raten, stärker zu sichten, das Gereime zu lassen, und sich einen abgeklärteren Internetauftritt zuzulegen. Pit Hoerold braucht man aber gar nichts zu raten. Sein Projekt ist so eigentümlich und eigenständig, so fern von den Verstrickungen des sonstigen Literaturbetriebs, dass es vielleicht am besten wäre, er würde sich nicht darum scheren, was die Presse über ihn schreibt, und einfach weitermachen wie bisher.

„die flammen des flieders erloschen, das gelb der einzigen rose matt, ein strauch plattumarmt wie ein groschen, der rasen keinen grashalm grün mehr hat.“1
Elise Schmit
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