Heute loben wir den neugegründeten klerikalen Stromkonzern. Der jüngste Befreiungsschlag der katholischen Kirche Luxemburgs heißt Energy church. Das muss man platterdings wörtlich nehmen: Die gottverlassenen Kirchen und Kapellen sollen wieder aufleben, und zwar mittels elektrischer Energie. Also, die maroden Gotteshäuser sollen mit allerlei elektrischen Mätzchen aufgepeppt werden, mit Solarzellen und kleinen Windrädern, später dann auch mit Tanksäulen für Elektroautos. Jede einzelne Kirche, die mit der Zeit zum menschenleeren „Dunklinghausen“ verkam, soll auf diese Weise als rundum erneuertes Hellinghausen wieder auferstehen.
Die Kirche als monumentale Steckdose: da machen auch wir Ungläubigen gerne mit. Das ist cool, das ist ökologisch, das bringt Vitamine für unser gutes Gewissen. Wenn das Erzbistum nun schon Aktien bei Enovos kauft, könnte der kirchliche Elektrohandel doch problemlos ein bisschen großzügiger gestaltet werden. Im Sommer zum Beispiel möchten wir gern mit unserem Elektrogrill anrücken und die erzkatholische Stromquelle anzapfen. Das wäre doch ein gottgefälliger Fortschritt. Sonntags großes Grillfest im Schatten der Kirche, unheimlich viele energische Fleischvertilger ganz nah am heiligen Bau, und der Herr Elektropfarrer könnte jubeln: Der Kirchenbesuch entwickelt sich mirakulös zum Besten! Ein elektrisierendes Gefühl!
Ja, in der Kirche haben offenbar Komiker die Herrschaft übernommen, eine Art Beppe-Grillo-Fraktion mit metaphysischem Hintergrund. Das gefällt uns ausgesprochen gut. Toll, ihr göttlichen Humoristen, wie ihr eure hausgemachten Ammenmärchen karikatural auf die Spitze treibt! Das ist Himmelskabarett vom Feinsten, im Persiflieren und Parodieren seid ihr neuerdings einfach nicht zu schlagen! Euer tollkühner Sarkast Hellinghausen zum Beispiel verkündete kürzlich auf RTL, die katholische Kirche sei die eigentliche Erfinderin der Frauenemanzipation, ja, die allererste, fundamentale Frauenbewegung überhaupt. Das ist wirklich eine herrlich rabiate Pointe, Comedy pur! Da gackert sogar die exklusiv männliche römische Kurie. Zwar hat der neue Meister der Kasuistik im Vatikan soeben amerikanische Nonnen gemaßregelt, weil sie angeblich „radikal-feministische Thesen“ vertreten. Aber für ein makabres Anarchistenspäßchen à la Hellinghausen ist bestimmt auch der Frauenverfolger Franziskus immer zu haben.
Das kirchliche Spiel mit der Elektrizität mündet schnurstracks in die totale Satire. Denn die klerikalen Witzbolde hegen auch die Hoffnung, dass sich die Gemeinschaft der schlappen Gläubigen von diesem gezielten Stromstoß beflügeln lässt. In anderen Worten: Das elektrische Knistern im Gotteshaus soll sich auch in den Köpfen niederschlagen. Noch anders gesagt: Wer nur lange genug im Elektrosmog sitzt, der wird am Ende von einer Hirnerweichung heimgesucht und ist somit höchst empfänglich für die göttliche Botschaft. Aber selbstverständlich bleibt diese Stromstoß-Praxis rein symbolisch. Es geht nicht darum, wie in anderen, weit entfernten religiösen Machtzentralen, den Gottlosen kurzerhand Elektroden anzulegen. Oder sie gar mit dem elektrischen Stuhl zu bedienen.
Sollen wir also guten Gewissens über die groteske kirchliche Elektroerleuchtung lachen? Und ansonsten Gottes Strom über Gottes Land wetterleuchten lassen? Das fällt uns irgendwie schwer. Wir sind uns nämlich gar nicht sicher, ob hier tatsächlich Kabarettisten am Werk sind. Darf ein Kirchenmann lachen? Allein und mit anderen? Wohl kaum. Denn das interne Lachen über die Kirche wäre höchst destruktiv. Unter dem Gewicht der Ironie würde die ganze klerikale Geschäftsidee spektakulär zusammenkrachen. Wir haben es hier eher mit einer neuen Variante der völlig humorlosen Missionierungswut zu tun: elek-trische Lockköder für Glaubensmüde, irgendwie inspiriert vom japanischen Tamagochi-Spielzeug. Gott behüte uns vor dem missionarischen Stromschlag!
Und dann plagt uns noch ein ganz anderer Zweifel. Wer bezahlt eigentlich diesen ganzen Stromkonsum, den das Erzbistum plötzlich so gönnerhaft anbietet? Doch wohl nicht die Kirchenfabrik? Das könnte nur heißen, dass wir Ungläubigen noch stärker zur Kasse gebeten werden, um die chronischen Defizite dieser obskuren Fabrikanten zu decken. Aber woher stammt denn die elektrisch geladene Finanzspritze? Wie kommt die Kirche zu ihrem Geld? Bitte, jetzt ist Schluss mit Gelächter. Ganze Staaten werden gezwungen, ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen, in Frankreich muss eine komplette Ministerriege Einblick in ihre Privatkonten gewähren, jeder kleine Steuerzahler wird gepiesackt, bis er seinen allerletzten Cent im Sparstrumpf sichtbar gemacht hat, und nur die Kirche darf ihr Geldgebaren verschleiern? Bitte, Herr Erzbischof Sushimaki, sagen Sie uns doch klar und deutlich, wo Ihre Firma die 250 000 Euro Grundkapital für Ihre Elektrostiftung Sainte Irmine ausgegraben hat. Sie werden doch wohl nicht massives Schwarzgeld mit elektrischem Zauber tarnen? Oder fällt das Geld in Ihren heiligen Kreisen vom Himmel? An die Scheinwerfer, Herr Oberbeleuchter!