Pakt für den Euro

Durchbruch

d'Lëtzebuerger Land vom 17.03.2011

Durch die Folgen des Erdbebens, das Japan erschütterte, wurde den für manche etwas überraschend zustande gekommenen Abmachungen, welche die Staats- und Regierungschefs der Eurozone in der Nacht zum Samstag trafen, nicht die Aufmerksamkeit beigemessen, die sie verdienten. Misstrauische Kommentatoren insbesondere der deutschen Presse, die lange ein Scheitern des Treffens vorhergesagt hatten, argwöhnten sogar, dass der informelle Gipfel die zweifelhafte Gunst der Stunde nutzten wollte, um sich von der Öffentlichkeit möglichst unbemerkt zu einigen. Denn der Wettbewerbspakt wird europaweit von den Gewerkschaften gefürchtet und die Erweiterung der Bürgschaften für die Anleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten deutschlandweit von den Lesern der Bild-Zeitung.

Aber selbst wenn die Beschlüsse gegenüber den von der deutschen und der französischen Regierung in Deauville ziemlich selbstherrlich ausgehandelten Abmachungen in ihrer Verbindlichkeit abgeschwächt wurden, soll ihre Tragweite dennoch nicht unterschätzt werden. Schließlich wären ein ständiger Fonds zur gegenseitigen Schuldenbürgschaft und jährlich von einer „Wirtschaftsregierung“ begutachtete Ziele der Lohn-, Sozialversicherungs- und Steuerpolitik nicht nur bei der Gründung der gemeinsamen Währung, sondern noch vor einem oder zwei Jahren kaum vorstellbar gewesen.

Hierzulande wurden die Beschlüsse des Euro-Gipfels, die zum Teil vom Parlament ratifiziert werden müssen, nicht nur als mehr oder weniger erfolgversprechende Versuche zur Stabilisierung der mangels Binnenmarkts unverzichtbaren gemeinsamen Währung begrüßt. Auch ihre spezifische Ausgestaltung dürfte auf manche Sympathie stoßen. Denn selbst wenn der mit AAA bewertete Staat seine Bürgschaft für den europäischen „Rettungsschirm“ erhöhen muss, zögert jede Erhöhung der staatlichen Garantien für hochverschuldete Euro-Staaten eine Umschuldung hinaus, durch welche die Banken an der Sanierung der Schuldenländer beteiligt würden und Forderungen als Teilausfall abschreiben müssten. Zur Verstaatlichung der Investitionsrisiken trägt auch der wohl über Anleihen der euro­päischen Stabilitätsfonds finanzierte Kauf von Anleihen hoch verschuldeter Staaten zum Nominalwert bei, als Ersatz für die etwas in Vergessenheit geratenen „Eurobonds“. Das erfreut all jene, die angesichts des Anteils der internationalen Banken am Luxemburger Bruttoinlandsprodukt deren Wohlergehen bis auf weiteres als Staatsauftrag empfinden.

Auch der Pakt für den Euro, vormals „Wettbewerbspakt“, kommt alles andere denn ungelegen. Denn der mit der Einführung des Euro begonnene und mit der Finanz- und Wirtschaftskrise beschleunigte Versuch, das Luxemburger Regulationsmodell umzubauen, war vor einem Jahr durch die Patt­situation in der Tripartite ins Stocken geraten. Der recht einseitig auf die Verringerung des Preises der Arbeitskraft und des Sozialstaats ausgerichtete Pakt für den Euro kann nun, zusammen mit dem verschärften Stabilitätsprogramm, helfen, den nötigen politischen Druck aufzubauen, um das Kräftegleichgewicht zwischen den Sozialpartnern wieder zu verändern und noch dieses Jahr oder, ähnlich wie 2005, spätestens nach den Gemeindewahlen den Durchbruch zu schaffen.

Wie das aussehen soll, will Premier Jean-Claude Juncker in seiner für das „europäische Semester“ vorverlegten Erklärung zur Lage der Nation darlegen, 14 Tage nach der formellen Verabschiedung des Pakts und der weiteren Bürgschaften auf dem entscheidenden EU-Gipfel vom 24. März.

Romain Hilgert
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