ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Münzhoheit

d'Lëtzebuerger Land vom 17.10.2025

Mit dem „Zukunftspak“ schufen DP, LSAP, Grüne 2014 einen Fonds souverain intergénérationnel. Er soll staatliche Mehreinnahmen zum Wohl künftiger Generationen anlegen. Vergangene Woche verwies Gilles Roth in seiner Haushaltsrede auf die Vermögenswerte im Fonds: „Dorënner elo schonn ee Prozent a Bitcoin.“

Die Begeisterung eines christlich-sozialen Finanzministers für Bitcoin mag überraschen. Die CSV verficht traditionell einen starken Staat. In der Finanzkrise 2008 schufen anonyme Informatiker die Kryptowährung. Als libertärer Angriff auf den Staat, die staatliche Münzhoheit. Wie das Privatgeld, das die Arbed am Ende des Ersten Weltkriegs druckte, um Löhne auszuzahlen. Als Beitrag zur von Friedrich Hayek geforderten Privatisierung des Geldes.

Ein Bitcoin ist „an electronic coin as a chain of digital signatures“ (Satoshi Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008, S. 2). Ohne materiellen Gegenwert, ohne staatliche Garantie ist der kryptografische Code ein Kasinochip für Spekulanten. Zu einer Ponzi-Pyramide aufgehäufte Kettenbriefe. Samt Termingeschäften, Leerverkäufen, Steuerhinterziehung. Wegen seiner erratischen Preisentwicklung taugt er nicht als Wertmaßstab, als Zahlungsmittel. Umso beliebter ist seine kryptische Ausgestaltung für kriminelle Transaktionen.

Die „electronic coins“ in Umlauf zu bringen, sie künstlich zu verknappen, verlangt steigenden Rechen- und Kapitalaufwand, zentralisiert in der Hand Weniger. Den Preis bestimmt die Wette der Spekulanten von heute auf die Gier der Spekulanten von morgen. Die Kryptospekulation hat den Stromverbrauch eines mittleren europäischen Staates.

Die lokale Finanzbranche will mitverdienen. Am Handel mit Bitcoins, Ether, am Shadow-Banking mit Stabelcoins. Eilfertig richten Regierung, Parlament die Geschäftsgrundlage her. Die Bankenaufsicht CSSF hatte schon 2014 Kryptowährungen „Geld“ genannt, ihnen Seriosität bescheinigt, erste Kryptohändler zugelassen. 2015 versprach sie auf der ICT-Spring-Messe, Kryptohändlern binnen 24 Stunden, höchstens sechs Monaten Lizenzen auszustellen.

Am 30. Dezember 2024 trat eine Europäische Verordnung zur „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (Micar) in Kraft. 23 Tage später verabschiedete das Parlament ein entsprechendes Gesetz. In nationaler Eintracht, nur zwei linke Abgeordnete enthielten sich schweigend. Auch wenn Franz Fayot (LSAP) „mat awer e bëssen engem komesche Gefill am Bauch“ zustimmte. Doch die „rapid Ëmsetzung vun europäesche Reglementer“ sei laut André Bauler (DP) für die lokale Finanzbranche von „strategescher Bedeitung“.

Wie für Banken, Investitionsfonds schafft die Verordnung EU-Pässe: Wenn Kryptohändler in einem Land eine Lizenz erhalten, dürfen sie damit EU-weit Geschäfte machen. Mit schnelleren, kulanteren Lizenzen sollen Kryptohändler nach Luxemburg gelockt werden – statt nach Irland, Malta, Estland. Ein Prozent Bitcoins im Generationenfonds ist der Werbegimmick.

In einer Erklärung vom 15. September stellen die Bankenaufsichten Frankreichs, Österreichs, Italiens fest, dass „les premiers mois d’application du règlement ont permis de constater des divergences fortes de mise en œuvre entre autorités nationales“.

Mit Coinbase ließ sich inzwischen einer der weltgrößten Kryptohändler in Luxemburg nieder. Er soll 108 Millionen Kunden haben, 12 Prozent aller Bitcoins, elf Prozent aller Ether halten. 2023 verklagte die US-Börsenaufsicht Coinbase wegen illegaler Börsen-, Clearing- und Devisengeschäfte. Nach der Wiederwahl Donald Trumps musste sie das Verfahren einstellen. Der Meme-Coin-Präsident in den USA, die Micar-Verordnung in Europa feuern die Spekulation mit Kryptowährungen noch einmal an.

„Le Luxembourg a pris une très bonne décision en s’intéressant au bitcoin. Il se positionne et pourrait devancer de nouverau les autres places.“ Gratuliert Norbert Becker (Ernst & Young, Atoz, Rothschild, Paypal, DP) der Regierung, sich selbst (Paperjam, 10/25).

Romain Hilgert
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