Der Außenminister äußert sich zu Russland und der Ukraine

Flinten, oder wie sagt man?

d'Lëtzebuerger Land vom 25.04.2014

Der luxemburgische Außenminister sitzt in einer deutschen Talkshow. Die Zuhörer_innen hängen betört an seinen Lippen, ein Augenschmaus ist er auch noch. Die Luxemburger_innen sind im deutschen Fernsehen beliebt. Sie reden Tacheles in einer Sprache, die Fröhlichkeit schafft. Frei weg von der Leber, sie machen aus ihren Herzen keine Mörder_innengruben. Sie glühen intensiv europäisch, sie sind die letzten verbliebenen europäischen Glüher_innen. Und dann verstehen sie auch noch, was die Franzosen aushecken. Kohle haben sie außerdem, sogar deutsche Kohle.

Er könnte ein monegassischer Fürst sein, in einem Hollywoodfilm aus den Fünfzigerjahren. Er verbindet weltmännische Eleganz mit Herz erwärmender Jovialität. Er hat etwas Genießerisches an sich, sogar etwas Gütiges. Das kann nicht schaden in diesen kriegerischen Zeiten. Er sieht Männercher im Fernsehen, wir nicken, wir auch. Zwar im Osten, im Osten eines Landes, das Ukraine heißt. Hatten wir das in Geografie? Mit Flinten, oder wie sagt man, sagt er. Trotz der im Osten des Landes Ukraine gesichteten Flintenmänner ist es beruhigend, ihm zuzuhören und zuzuschauen. Eine Erscheinung, die Wohl- aber nicht Überernährtheit, Wohlbehagen, Wohlwollen ausstrahlt. Sein silbernes Haupthaar. Sein gepflegter Schnurrbart.

Über den er sicher hin und wieder genießerisch, aber auch sinnend streicht, nach einem üppigen, aber keineswegs ausschweifenden Mahl. Er nimmt einen Schluck aus einem Pokal, er wirft einen väterlich- wissenden Blick in die Runde. Er schnurrt ein bisschen. Er ist kein Kriegstreiber, keineswegs.

Zuerst werden die Flinten abgestaubt, oder die Musketen. Oder die Armbrüste.

Vielleicht ist der luxemburgische Außenminister sogar ein echter Mensch? Also kein Politiker. Ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit einem Herzen. Getarnt als Hollywood-Charmeur, gleich kommt Doris Day rein. Und mit einem Gewissen, einem sozialen womöglich.

Vielleicht ist es das, was die Zuschauer_innen in den Talkshows dermaßen verwirrt, dass sie ihm zuhören. Vielleicht meint er sogar, was er sagt? Vielleicht sogar ernst? Die Amerikaner schicken Zerstörer in ein Meer, das auch noch schwarz ist. Eine solche Terminatoren-Sprache käme dem luxemburgischen Außenminister nicht über die Lippen.

Er ist ein außerordentlich erfahrener und besonnener Außenminister. Aber wenn es sein muss, kann er Klartext reden. Alles lässt er sich nicht bieten! Über Deutschland musste er sich einmal wirklich sehr aufregen. Und vor kurzem schimpfte er mit der Schweiz. Jetzt hat er sich sogar zum großen Wolf Lawrow getraut. Er hat Russland ermahnt, einer musste es ja tun.

Er kann aber auch Fehler zugeben. Dass die EU sich mit der Ukraine, die etwas ungelegen herumliegt, nicht so ausgekannt hat. Mit den Sprachen Stämmen Sitten Gebräuchen, und dann gibt es auch noch einen Westen und einen Osten, was einen völlig durcheinander machen kann.

Sogar in aller Herrgottsfrüh muss der luxemburgische Außenminister über die Supermannmächte Amerika und Russland Auskunft geben. Was sie im Schilde führen und warum. Vor dem deutschen Fernsehpublikum, das sich die Krümel vom Kinn wischt, bevor es sich in den Arbeitstag im freien Westen stürzt. Wer ist denn jetzt Schuld an diesem Schlamassel in diesem unscheinbaren Land mit U? Dieser grauen, zwar relativ großen grauen Maus. Der luxemburgische Außenminister steht vor einem Bücherregal, das sympathisch nach Studentenbude ausschaut. Er sieht jetzt in aller Herrgottsfrüh zwar keine weißen Mäuse. Aber bullige Menschen in Schwarz. Und einen russischen Präsidenten, der aus der Ferne zuschaut. Der luxemburgische Außenminister ringt mit Worten, erklärt die Moderatorin den Frühfrühstückern. Besser mit Worten als mit bulligen Menschen in Schwarz, die vielleicht sogar Flinten haben, denkt sich die Zuseherin.

Michèle Thoma
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