Kommentar

Bewerten nicht zum Selbstzweck

d'Lëtzebuerger Land vom 04.04.2013

Guten Unterricht kann man nicht messen, darum sollten Lehrer von den Bewertungen, wie sie die Regierung für Staatsbeamte plant, ausgenommen werden, finden SEW und Apess. In der Tat tun sich Erziehungswissenschaftler in der ganzen Welt schwer damit, eine belastbare Bewertung für „den“ guten Unterricht, den guten Lehrer zu finden. Das liegt nicht zuletzt daran, weil der Empfänger des Unterrichts, der Schüler, nicht unbedingt immer auf jeden Unterricht gleichermaßen anspricht. Schüler bringen ganz unterschiedliches Gepäck mit. Manche werden zuhause unterstützt, andere nicht. Manche wachsen in gebildeten wohlsituierten Familien auf, andere eher in einem bildungsfernen Umfeld. Experten warnen daher davor, die Leistung eines Lehrers nur entlang der Noten seiner Schüler zu beurteilen.

Doch ist deshalb eine Bewertung per se unsinnig? Warum soll es nicht möglich sein, anhand des persönlichen Einsatzes in der Klasse, der geleisteten Förderung sowohl starker als auch schwacher Schüler, der Beteiligung an Fortbildungen, des Engagements im Schulbetrieb einen Lehrer und seine Arbeit bewerten zu können?

Unterrichten will gelernt sein. Es gilt, diverse Methoden zu beherrschen, um auf unterschiedliche Schüler eingehen zu können. Lehrer müssen die Didaktik des eigenen Fachs kennen, dürfen sich aber nicht im Fachwissen verlieren, das sich nicht zuletzt wegen des Internets immer rascher wandelt. Vernetzung ist angesagt und mit anderen Lehrern, Schulen und Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Dass sich die Gewerkschaften gegen die Lehrerbewertung sträuben, kann kaum überzeugen. Warum sollte eine öffentliche Dienstleistung, für den der Bürger sehr viel Geld bezahlt, nicht transparent und hinsichtlich ihrer Qualität rechenschaftspflichtig sein? Gut vernetzte Eltern wissen oft ohnehin, wie performant die Schule in ihrer Region, das Lyzeum ihrer Wahl ist. Warum das Wissen nicht allen Eltern zugänglich machen?

Wichtig wäre aber unbedingt, den Zweck der Bewertung festzulegen. Wenn es darum geht, Schule besser zu machen, wenn Lehrer von dem Feedback profitieren, mit Fortbildungen und andere Ressourcen unterstützt werden, kann sie Sinn machen. So wie eine Schülerbewertung übrigens auch. Allerdings hat die CSV-LSAP-Regierung es versäumt, vorab zu (er)klären, was sie mit der Evaluation der Lehrer genau will, welcher Stellenwert ihr in der Schulentwicklung zukommt – und welcher in der Karriereleiter des betreffenden Lehrers.

Es hätte vielleicht auch geholfen, wenn die Gewerkschaften nicht von vornherein so gemauert hätten. In anderen Ländern ist institutionalisiertes Schüler- und Eltern-Feedback an das Lehrpersonal längst etabliert und nichts Ungewöhnliches. In Großbritannien können Eltern die Resultate der einzelnen Schulen, nach Regionen aufgeschlüsselt, abrufen.

Das Unterrichtsministerium verfügt ebenfalls über solche Daten, stellt sie aber ausschließlich den Schulleitungen zur Verfügung, die diese oft hüten wie einen Schatz. Dabei sind dies Informationen, die wertvoll sein können für alle Beteiligten, wenn nämlich Schulen beginnen, sich darüber auszutauschen und voneinander zu lernen, wenn Eltern und Schüler als kritische Konsumenten in den Prozess eingebunden werden, ohne dass Lehrer gleich Druck, Mobbing oder gar üble Nachrede befürchten müssen.

Das setzt voraus, dass Politik und Schulakteuren an einem konstruktiven Dialog gelegen ist. Dass alle wirklich das Beste für die Schüler und die Schulen wollen und man einander im Grundsatz vertraut. Das ist im Moment nicht so sicher.

Ines Kurschat
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