Eurohub Luxembourg – putting Europe at your fingertips – so lautet der Titel einer Broschüre, mit der das Wirtschafts- und Außenhandelministerium versucht, neue Logistikfirmen anzuwerben. Darin wird nicht nur erklärt, weshalb Luxemburg die ideale Basis für Logistikaktivitäten in Europa ist, sondern auch die dedicated logistics parks vorgestellt: der Eurohub Zentrum und der Eurohub Süden. Denjenigen, denen die Eurohubs kein Begriff sind; Ersterer befindet sich in der Industriezone in Contern und beherbergt Firmen, die in der Nähe des Flughafens Luftfracht in Empfang nehmen, letzterer soll schnellstmöglich auf dem Gelände der früheren WSA in Bettemburg entstehen und von der Anbindung an Bahn und Autobahn profitieren.
Schnellstmöglich – genau da liegt das Problem, denn momentan bewegt sich das Projekt eher im Bummel- als im Schnellzugtempo vorwärts. Vergangene Woche beklagte Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) im Land-Interview die langwierigen Prozeduren. Weil erst der Generalbebauungsplan geändert, dann ein Teilbebauungsplan vorgelegt und eine Commodo-Prozedur eingeleitet werden müsse, würden die neuen Hallen nicht vor 2012 fertiggestellt werden können, bis dahin müssten die Firmen in einem für ihre Aktivitäten ungeeigneten Provisorium ausharren. Das stimmt soweit, wird der Situation aber nicht vollständig gerecht. Denn zurzeit sind nur zwei Logistikfirmen im Eurohub Süden aktiv.
Das liegt nicht am mangelnden Interesse. Im Gegenteil, es gab eine ganze Reihe von seriösen Anfragen, bestätigen Patrick Nickels und Daniel Liebermann von der Abteilung Développement et diversification économiques im Ministerium. Aber neue Firmen können bis auf weiteres nicht einziehen. Nicht, bevor die neuen Depots, für deren Bau das Ministerium ein Joint-Venture mit der französischen Firma Sogaris gründet, fertig sind. Dazu müssen aber erst die bestehenden Hallen – das besagte Provisorium – abgerissen werden, auch dafür wird eine Genehmigung gebraucht. Klar, dass sich einstweilen keine neuen Logistiker niederlassen können.
Heilsam scheint diese Prozeduren-Therapie sich im Ministerium auf jeden Fall auszuwirken, kündigte Krecké doch an, den Kampf gegen überflüssige administrative Schritte intensivieren zu wollen. Wie aber steht es nun konkret um das Projekt Eurohub Süden?
Vergangene Woche stimmten die Gemeinderäte von Bettemburg und Düdelingen der nötigen Umänderung des Generalbebauungsplans (PAG) provisorisch zu, nun können die Einwohner der Gemeinde ihre Meinung dazu äußern. Damit es, wenn der PAG definitiv angenommen ist, schneller vorangeht, bereitet man im Wirtschaftsministerium parallel schon den Teilbebauungsplan und das Dossier für den Commodo-Antrag vor. Im Januar 2009 soll mit dem Abriss der bestehenden Hallen begonnen werden, sagt Patrick Nickels, der hervorhebt, dass eventuelle Verzögerungen keinesfalls auf eine Blockadehaltung der beiden Gemeinden zurückzuführen sei. Wann die neuen Lager fertig sein werden, darüber möchte er nicht spekulieren. Er fügt allerdings hinzu, die Verhandlungen um die Modalitäten des Joint-Venture mit Sogaris könnten innerhalb der nächsten Wochen abgeschlossen werden.
Bei Sogaris selbst gibt es gemischte Gefühle über die momentane Situation. Er habe nicht erwartet, dass die Genehmigungsprozedur für die neuen Hallen – die Sogaris vermieten und verwalten soll – so langwierig sein werde, sagt Jean-Louis Foessel, Vorstandsvorsitzender, Sogaris. Er hatte damit gerechnet, dass die ersten Mieter 2009 oder 2010 einziehen könnten. Die Prognose hat Foessel berichtigen müssen, auf 2011 oder 2012. Mit der Vermarktung habe man noch nicht begonnen, weil man potenziellen Mietern noch kein Lieferungsdatum nennen könne. Allzu schwer trifft Sogaris die Verzögerung augenblicklich aber nicht. „Angesichts des ak-tuellen Wirtschaftsumfeldes, ist es nicht allzu hinderlich“, so Foessel. Wegen der schwachen Konjunktur und den Produktionsrückgängen in der Industrie verzeichnet die Firma, die acht Logistikplattformen in Frankreich betreibt, auch dort derzeit wenig neue Kundenanfragen.
So ist der französische Joint-Venture Partner wohl insgeheim froh, dass er seinen Teil der 50 bis 70 Millionen Euro, die der Eurohub Süden kosten wird, noch nicht ausgeben musste. Alain Krecké von Transalliance, einer der beiden Firmen, die schon dort heimisch sind, sieht das etwas anders. Die Verwaltung des Hauptsitzes von Transalliance in Europa und das Transportgeschäft würden durch die Verzögerung nicht beeinträchtigt. Allerdings würde er auch gerne das Geschäft der Logistikdienstleistungen entwickeln, genau deswegen sei die Firma nach Luxemburg gekommen. Das kann er aber aufgrund der derzeitigen Ungewissheit nicht. „Wir haben Anträge von Kunden, die wir nicht annehmen können, weil es keine Sicherheit über den Baustart gibt“, so Krecké. „Wir hatten damit gerechnet 2010 operationell zu sein. Das sieht im Moment schlecht aus.“
Das Konzept des südlichen Eurohubs, der von der Nähe des Container-Terminals der CFL Multimodal und dem Anschluss an die Bahnautobahn Lorry-Rail nach Perpignan profitieren soll, sehen die Entscheidungsträger aber nicht in Gefahr. Auch wenn man sich, angesichts der bislang eher geringen Auslastung der Lorry-Rail-Züge und der zersplitterten europäischen Eisenbahnlandschaft fragen kann, ob man sich beim Aufbau einer Logistikplattform überhaupt auf die Bahn verlassen kann. Zumal Kuehne + Nagel erst kürzlich ankündigten, ihre Infrastruktur im Eurohub Zentrum auszubauen. Sollte man also eher auf die Luftfracht setzen?
Jean-Louis Foessel hat seine Meinung nicht geändert. Luxemburg sei geographisch ideal gelegen. Die Liberalisierung des europäischen Bahnverkehrs werde sicher dazu beitragen, dass künftig mehr Transporte über die Schiene abgewickelt würden. Der Eurohub sei ein Langzeitprojekt und, aus diesem Blickwinkel betrachtet, gelte die Anbindung an die Bahn als Vorteil. Auch Alain Krecké von Transalliance setzt auf die Nähe zum Containerterminal der CFL, glaubt aber nicht, dass die Lorry-Rail-Verbindung zum Firmenmagnet im Eurohub werden wird.
Bei den bisherigen Resultaten wundert das nicht. Von einer 25-prozentigen Auslastung der Züge war noch im ersten Halbjahr die Rede. Mittlerweile, sagt Thierry Le Guilloux, seit Mai Direktor der Bahnautobahn, liegt die Auslastungsrate bei 50 Prozent. Er erwartet sich, dass bis Ende November 75 Prozent der Züge, auf welche die Lastwagen-Anhänger aufgeladen werden, besetzt sind. „Ende des Jahres würden wir dann aufhören, Geld zu verlieren“, so Le Guilloux. Ab dem vierten Quartal 2009 möchte er einen zweiten Zug täglich auf der Strecke Bettemburg-Perpignan einsetzen, das eigentliche Ziel aber lautet vier Züge täglich in beiden Richtungen. „Bald“, so hofft Le Guilloux, werde man von der französischen Bahngesellschaft grünes Licht erhalten, um etwas höhere Lastwagenanhänger laden zu können, bald soll außerdem von der Luxemburger Umweltverwaltung die Genehmigung vorliegen, um Gefahrengut transportieren zu können.
Inwieweit Lorry-Rail und Eurohub sich gegenseitig fördern können, wird auch aus seinen Angaben nicht wirklich klar. Denn seine Kunden kämen eher von weit her, sagt Le Guilloux. Es seien größtenteils Lastwagen, die aus Norddeutschland oder Skandinavien runter nach Südeuropa fahren und davon profitieren, einen Teil der Strecke Huckepack mit der Bahn zu fahren. Der Anteil der Kunden aus der Benelux-Region, also an der lokalen Klientel, ist demnach eher gering.
Die Beamten des Wirtschaftsministeriums bleiben, was das Konzept für den Eurohub Süden betrifft, bei ihrer ursprünglichen Analyse: Produziert werden die meisten Waren in Asien, von dort aus gelangen sie größtenteils per Schiff nach Europa, wo die Verbraucher sind. Der Erfolg hänge also maßgeblich davon ab, ob es gelingt zwischen den Nordseehäfen und dem Eurohub eine Bahnverbindung aufzubauen, so Nickels und Liebermann und die Zeichen dafür stehen nicht schlecht. Fränz Benoy von CFL Multimodal, die den Containerterminal in Bettemburg betreibt, berichtet, bereits jetzt gebe es tägliche Bahnverbindungen zwischen Bettemburg und Antwerpen, Rotterdam, Seebrügge und Ostend. Die Kapazität soll bald verdoppelt werden. Zusätzlich verhandele man über eine Verbindung nach Norddeutschland bis nach Skandinavien und Russland. Diese Züge könnten schon Anfang 2009 rollen. Bleibt nur die Frage, ob in Zeiten schwacher Konjunktur die Logistikbranche nicht ebenso stark leidet, wie das produzierende Gewerbe selbst? Kann man also auf die Logistik setzen, um die monolithische Luxemburger Wirtschaft zu diversifizieren und krisenresistenter zu machen?
„Die Branche ist sehr empfindlich auf die Entwicklung der Produk-tion“, meint Foessel. Lorry-Rail spüre den Produktionsrückgang in der spanischen Automobilbranche sehr deutlich,sagt Le Guilloux. Auch im Cargozenter der Luxair macht sich die Wirtschaftsflaute bemerkbar. Die Firmenleitung teilte der mittleren Managementebene kürzlich mit, auf Jahresbasis drohe ein Rückgang der Tonnage, also der umgeschlagenen Waren, von neun Prozent. Internen Quellen zufolge dürften es im letzten Quartal eher zwölf bis 15 Prozent monatlich sein. Das liege daran, dass verschiedene Airlines Luxemburg gar nicht mehr anfliegen würden. Anfang des Jahres blieben die Kunden wegen der hohen Treibstoffpreisen weg. Mittlerweile gibt es für die, die noch kommen, weniger zu transportieren, weil in Asien weniger produziert wird.
Die Cargolux spürt die Flaute derzeit nicht, sagt Sprecher Jeannot Erpelding. Besser gesagt noch nicht. Schwächele die Konjunktur, würden das zunächst einmal die Passagiergesellschaften spüren. Setzen diese Flüge ab, verringere sich auch der zur Verfügung stehende belly-space, in dem Luftfracht transportiert wird. Dadurch steige in einer ersten Phase die Nachfrage bei den Cargo-Airlines. Einen „automatischen Puffer“, nennt das Erpelding. Die Luxair-Manager zeigten sich weniger optimistisch. Auch für 2009 sagten sie intern ein sehr schweres Jahr im Cargocenter voraus. Erste Maßnahmen treffen die Zeitarbeitskräfte, auf die man bisher im Warenumschlagzentrum zurückgriff. Das ist einstweilen vorbei. „Auch wenn sich die Transportwege verteuern und der Konsum sinkt, sind die Warenströme dadurch nicht fundamental in Frage gestellt“, beharrt Patrick Nickels vom Ministerium. Alain Krecké von Transalliance ist überzeugt, dass auch die aktuelle Wirtschaftslage Chancen für Logistiker bietet. Die Flaute verstärke den Kostendruck auf das produzierende Gewerbe. Um zu sparen, neigten Firmen dazu, Aktivitäten auszulagern, unter anderem die Verwaltung der Lagerbestände und -kapazitäten.
Derzeit seien die Warenströme in den Eurohub noch zu gering, als dass man dort einen Containerkran rentabilisieren könne, sagt Fränz Benoy. Deswegen wird augenblicklich noch nicht vom Bahnzugang profitiert. Containerzüge können im Eurohub noch nicht abgeladen werden. Er hofft aber, dass sich dies schnell ändert, wenn die neue Infrastruktur erst einmal fertig ist, die neuen Mieter die Bahn nutzen werden. Bis dahin wird sich wahrscheinlich das Wirtschaftsklima ohnehin verbessert haben.