Finanzjongleure

Das Sushimaki-Prinzip

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2012

Heute loben wir die reumütigen Finanzjongleure. „Wir müssen lernen, mehr zu teilen“, verkündet der tolle Erzbischof Sushimaki bei jeder Gelegenheit. Sein heiliger Eifer ist bei der frommen Fraktion der Regierung auf offene Ohren gestoßen. Sie hat schon geteilt. Und zwar durch vier, bei den Almosen für Asylbewerber. Diese knallharte Herabstufung der Überlebensentschädigung entspricht genau der katholischen Soziallehre: Gott der Herr kleidet und ernährt die Vögel des Himmels, warum sollte er es bei Asylbewerbern anders handhaben?

Wir müssen lernen, unsere romantischen Anwallungen aufzugeben. Der überspitzte Humanismus steht uns schlecht zu Gesicht. Flüchtlinge sind robuste Wesen. Wer schon die extrem beschwerliche Flucht aus seiner angestammten Heimat schafft, kann kein verwöhnter Weichling sein wie unsereins. Wahrscheinlich sind die Flüchtlinge stolz darauf, uns Luxusgeschöpfen vorzuführen, wie man mit 25 Euro im Monat gut leben kann. Man muss nur den völlig exorbitanten Konsumwahn abschütteln. Nichts spricht dagegen, zur Hauptmahlzeit auch mal Baumrinden zu knabbern oder Grasbüschel zu kauen. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Flüchtlinge sind sehr naturverbunden. Sie sind geradezu scharf darauf, auf prekären Campingplätzen zu überwintern. Es käme ihnen nicht in den Sinn, sich für ihr beispielhaftes Öko-Dasein auch noch Pelzmäntel zuzulegen.

Nun kommen wir zu einem interessanten Detail: die 25 Euro Monatsgehalt verschaffen dem Flüchtling das Recht auf ein bisschen Zwangsarbeit. Er soll sich nützlich machen für die Allgemeinheit. Zum Beispiel seine vom Staat zur Verfügung gestellte Unterkunft säubern. Früher hieß diese Praxis zwar Sklaverei, aber heute reden wir von der Überwindung kapitalistischer Denkweisen. Geld ist nicht alles. Wer anders als der Flüchtling mit seinem lobenswerten Hang zur Demut soll uns diesen Grundsatz drastisch vor Augen führen? Im übrigen stimmt die Richtung: wer Geld vom Staat bekommt, soll dafür etwas leisten. Und diese Leistung soll allen Staatsbürgern zugute kommen. So wird aus dem heimatlosen Flüchtling im Handumdrehen ein virtueller Staatsdiener.

Sehr beeindruckt hat uns die Entscheidung der Regierung, diesen verantwortungsvollen Umgang mit den Staatsfinanzen auf alle gesellschaftlichen Bereiche auszuweiten. Dass sie zunächst die Flüchtlinge an die Kandare legt, kann nur als eine Art Pilotprojekt verstanden werden. Denn jetzt sind die Banker dran, wie Minister Frieden in einer dramatischen Brandrede versprochen hat. Auf diese gerechte Maßnahme freuen wir uns höllisch. Es geht immer noch ums gleiche Prinzip: wer Geld vom Staat bekommt, soll dafür etwas leisten. Die Banker haben unglaublich viel Geld vom Staat bekommen. Auch in ihrem Fall kann man von Flüchtlingen reden. Diese dreisten Finanzjongleure sind aus ihrer Verantwortung geflüchtet.

Vergleichen wir mal kurz die zwei Kategorien von Flüchtlingen. Die einen, denen man kein Eigenverschulden anlasten kann, werden gebeten, ihre 25 Euro Entschädigung mit Putzarbeiten zu rechtfertigen. Die anderen, die gezielt und bewusst Mist gebaut haben, sollen nun genau im gleichen Maßstab ihre Milliardenzuwendungen abarbeiten. Das kann ja heiter werden. Es gibt gar nicht ausreichend Bankgebäude, die von diesen Herrschaften tagaus tagein gesäubert werden könnten. Wenn nämlich 25 Euro einen ganzen Monat Putzarbeit bedeuten, heißt eine Milliarde Euro logischerweise 3 920 000 Jahre Putzarbeit. Die Herrschaften müssten also ewig leben. Das wollen wir uns lieber nicht vorstellen.

Der Staat muss demnach kreativ mit der Bringschuld der Banker umgehen. Sie könnten zum Beispiel verpflichtet werden, täglich nach Feierabend eine Gruppe Flüchtlinge zu empfangen und zu bewirten. Das wäre immerhin ganz im Sinne der sozialen Annäherung. Auch wir Bürger sollten vom neuen Gemeinsinn der Banker profitieren können. Herr Frieden sollte schnell eine Liste der verfügbaren Leistungen aufstellen. Es wäre doch schön, wenn jeder Bankgeschädigte zu jeder Zeit seinen Banker anfordern könnte, um ein wenig praktische Kompensation mit ihm zu üben. Die reumütigen Gesellen könnten ja zum Beispiel den Rasen mähen oder unserem Nachwuchs die Pampers wechseln. Oder Kartoffeln schälen, oder die Mülltonnen leeren. Wenn es um soziale Kompetenz geht, sind der Phantasie bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Der Banker darf ruhig mit seinem teuren Schlitten zur Zwangsarbeit kommen. Das möchten wir ihm nicht ankreiden. Schließlich habe wir seine Karosse ja mitfinanziert.

„Wir müssen lernen, mehr zu teilen“, orakelt Erzbischof Sushimaki. Für soviel vorauseilende Weisheit hat er natürlich unseren Segen. Nun warten wir voller Vertrauen darauf, dass er seinen demokratieseligen Worten Taten folgen lässt. Wie wir hören, hat Herr Frieden ihm aufgetragen, schon mal probehalber eigenhändig seinen protzigen Bischofspalast aufzuräumen und zu putzen. Er muss ja nicht gleich in eine Junggesellenbude umziehen. Und schon gar nicht auf einen Campingplatz.

Guy Rewenig
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