Polizeiminister Étienne Schneider (LSAP) gab sich betont gelassen, sein Parteikollege Alex Bodry habe ihm versichert, Polizeireformen hätten in der Vergangenheit schon kritische Bemerkungen von Seiten des Staatsrats provoziert. Doch das nonchalante Beschwichtigen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ist eine schallende Ohrfeige ist, die der Staatsrat dem Gesetzgeber ausstellt: 18 gelbe Karten, drei rote – und dies zu den Kernpunkten des Gesetzentwurfs.
Konkret geht es darum, die Polizei mit erweiterten Befugnissen im Kampf gegen Terrorismus und schwerer, grenzüberschreitend organisierter Kriminalität auszustatten, ihr beispielsweise zu erlauben, präventiv Häuser, Wohnungen und Autos zu durchsuchen, verdächtige Personen zu identifizieren und vorsorglich einzusperren. Allerdings nicht nur – und das ist der Knackpunkt – wie bisher als Maßnahmen der Strafverfolgung (police judiciaire), wenn also ein konkreter Tatverdacht vorliegt, sondern im Rahmen der vorbereitenden Polizeiarbeit (police administrative).
Das hat weitreichende Konsequenzen nicht zuletzt für uns Bürgerinnen und Bürger. Denn anders als Instrumente der Strafverfolgung erfolgen die der vorbereitenden Polizeiarbeit nicht unter Aufsicht, auf Befehl und unter Kontrolle der Justizbehörden und mit den jeweiligen Rechtsgarantien, die Strafprozessordnung und Strafverfahrensrecht vorsehen. Obwohl es sich um Maßnahmen handelt, die teilweise tief in Grundrechte, wie das Recht auf Privatsphäre oder das auf freie Bewegung, eingreifen.
Kein Wunder, dass der Staatsrat die Notbremse zieht und die Kontroll- beziehungsweise Kompetenzfrage stellt. Es scheint so, als habe sich die Polizei ihr Wunschgesetz auf den Leib geschrieben und dabei vergessen, dass neben dem Schutz der öffentlichen Ordnung zu den Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden auch gehört, die Grundfreiheiten eines jeden zu schützen. Luxemburg befindet sich damit in schlechter Gesellschaft, denn es folgt einem europaweiten Trend, den Strafrechtsprofessor Stefan Braum von der Uni Luxemburg gegenüber dem Radio 100,7 mit „präventiver Logik“ beschreibt, wonach nicht mehr konkret Tatverdächtige, sondern alle Bürger unter Generalverdacht und im Visier von Polizei und Geheimdiensten stehen.
Es ist dies nicht der erste Entwurf dieser Regierung, zu dem Staatsrat, Menschenrechtskommission, Datenschützer, aber auch Richter und Staatsanwaltschaft teils massive Bedenken äußern. Ähnliche Kritik gab es beim Notstandsartikel, bei der Vorratsdatenspeicherung (die weiterhin, obwohl nicht konform zu EU-Recht, in Kraft ist) und beim Staatstrojaner. Soeben hat der Europäische Gerichtshof sein Urteil zur Europäischen Fluggastdatenspeicherung gefällt: Die Richter in Luxemburg warnen, dass mit dem Übereinkommen zwischen der EU und Kanada zu sensible Daten von unverdächtigen Personen erfasst und weitergeleitet und zudem viel zu lange gespeichert würden. Dem Luxemburger Parlament liegt ein Gesetz zur Umsetzung dieses EU-Übereinkommens zum Fluggastdatenaustausch vor, es dürfte aus rechtsstaatlicher Sicht ähnlich problematisch sein.
Dabei können, das betont auch der EuGH, Eingriffe in Grundfreiheiten zur terroristischen Gefahrenabwehr durchaus gerechtfertigt sein. Es gilt, terroristische Gefahren und konkrete Anschlagspläne frühzeitig zu erkennen und ihre Durchführung zu verhindern. Doch die Politik ist den Nachweis schuldig geblieben, dass die bisherigen Instrumente und Befugnisse nicht ausreichen und Aufrüstung Not tut: Die meisten Anschläge in Europa geschahen durch Terroristen, die längst im Visier von Geheimdienst, Polizei und Staatsanwaltschaft standen und dennoch nicht gestoppt wurden.