Wieder prescht der Bildungsminister mit einem neuen Ausbildungsweg voran – ohne Berufsverbände und Akteure im Vorfeld einzubinden. Bei ihnen wächst der Ärger

Minister im Alleingang

Erzieher/innen sind in ganz unterschied-lichen Bereichen der Sozialarbeit beschäftigt:  hier in der Jugendarbeit
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 11.06.2021

Wenn die Mitarbeiter/innen im Schloss Munsbach morgens den bunten Klassensaal aufschließen, begrüßen sie jedes Kind. Gemeinsam haben sie ihren Unterricht abgesprochen und entwickelt. Sie beraten sich, wie sie ihre Förderung so individuell anpassen können, damit ihre Schüler bestmöglich unterstützt werden. In Berichten halten sie Fortschritte oder, falls nötig, weitere Hilfen fest.

„Wir beraten Eltern und Lehrkräfte erzieherisch. Das geht nur, wenn man Erfahrung im Umgang mit diesen Kindern hat. Sonst ist es nicht glaubwürdig“, sagt Diane Dhur. Die Grundschullehrerin leitet das Kompetenzzentrum für Kinder mit sozio-emotionalem Entwicklungsbedarf in Schloss Munsbach. „Bei uns haben fast alle Fachkräfte Fortbildungen besucht.“ Weiterbildungen, die nicht zuletzt teilweise von den Kompetenzzentren selbst organisiert würden. Erziehungspersonal, das direkt von der Schulbank in Kompetenzzentren geht, um zu arbeiten, sei eher selten.

Dabei sind Erzieher/innen (Éducateur diplomé/éducatrice diplomée) laut Universität Luxemburg das gängigste Berufsprofil im Bereich des Sozialwesens. An die Première schließt sich eine dreijährige Grundausbildung zum/r Erzieher/in an. Sie besteht aus einem theoretischen Teil sowie mehreren Praktika (insgesamt 26 Wochen). Die Absolvent/innen sind in diversen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit einsetzbar: Viele arbeiten in Kindertagestätten, den Maisons Relais oder Crèches, wo sie sich um die Betreuung und Erziehung der Kleinen und Größeren kümmern. Andere sind in Jugendhäusern in der Animation oder beim Jugendamt ONE als Fallmanager/in beschäftigt. Sie arbeiten in Kompetenzzentren oder im Behindertenheim. Auch in der klassischen Sozialarbeit, in Sozialämtern, in der Straßensozialarbeit mit Obdachlosen oder Drogenabhängigen sind ausgebildete Erzieher unterwegs.

Fast Track zur Erzieher/in „Jemand, der frisch von der Schule kommt, ohne Berufserfahrung, wird es schwer haben. Dafür ist unsere Arbeit zu anspruchsvoll“, sagt Nadia Ruef von der APCCA (Association du personnel des centres de compétences et de l’agence). Sie arbeitet ebenfalls in einem Kompetenzzentrum mit behinderten Kindern. Die APCCA ist eine von drei Berufsorganisationen, die die Pressemitteilung des Syndikats Erziehung und Wissenschaft SEW unterschrieben haben. Darin spricht sich die Gewerkschaft gegen Pläne des Erziehungsministeriums aus, eine gekürzte Erzieherausbildung anzubieten: Statt Première plus drei Jahre sollen Schüler der Sektion Soziales (GSO), die zur Première führt, ein Jahr dranhängen können und stünden danach dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Hintergrund sei, erklärte Erziehungsminister Claude Meisch (DP) auf eine Anfrage der LSAP-Abgeordneten Simone Bintz-Asselborn dem Parlament am Dienstag, die anhaltende Personalnot im Sozialwesen. Rund 800 Erzieher/innen würden im Sektor insgesamt zusätzlich gebraucht, so Meischs Analyse, die er am Dienstag gegenüber RTL wiederholte. Der Liberale berief sich auf Zahlen des Praxisbüros an der Universität Luxemburg, das die Entwicklung des Stellenmarkts beobachtet und analysiert. Das Ministerium gehe außerdem von einem Bedarf von 250 zusätzlichen Erzieher/innen allein im Service d’éducation et d’accueil (SEA) aus, so Minister Meisch weiter.

Die Fedas, der Dachverband der Sozialträger, die Behinderten- und Kinderheime, Maisons relais und aber auch Werkstätten betreiben, erhebt selbst keine eigenen Zahlen zum Arbeitskräftebedarf. Oder zu den Berufsprofilen, die ihre Mitglieder besonders dringend suchen. Man wolle aber, so Präsident Yves Oestreicher, dies in der Zukunft „stärker tun“, um Arbeitsmarktentwicklungen besser antizipieren und innovieren zu können. Grundsätzlich begrüßt der Arbeitgeberverband „jede Bemühung, mehr Arbeitskräfte für die soziale Arbeit zu gewinnen“. Wie gefragt der verkürzte Ausbildungsgang bei den Trägern sein wird und wie darüber im Sektor gedacht wird, kann Oestreicher nicht beantworten: „Das wird man sehen müssen.“

Schaut man die Arbeitsmarktanalysen der Uni Luxemburg an, deren erziehungswissenschaftliche Fakultät Sozialpädagog/innen im Bachelor – und Masterstudiengang ausbildet, herrscht in Luxemburg seit vielen Jahren ein akuter Fachkräftemangel im Bereich der Sozialen Arbeit – spätestens aber seit dem Boom der außerfamiliären Kinderbetreuung. Das Praxisbüro der Fakultät, das seit 2014 regelmäßig Stellenanzeigen in Zeitungen und online auswertet, verortet den größten Arbeitskräftebedarf im Bereich Kindheit, Jugend und Familie. Vor allem Éducateurs/Éducatrices diplomées würden gesucht.

Riesenbedarf Sie werden traditionell an der Erzieherschule in Mersch ausgebildet, die jedes Jahr rund hundert Erzieher/innen mit einem Diplom verlassen; im Jahr 2019 waren es 137, eine „große Diskrepanz“ zwischen Angebot und Nachfrage und viel zu wenig, laut Claude Meisch, um den Bedarf zu decken, der sich aus dem Bevölkerungswachstum, aus der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen und wegen der Qualitätsoffensive ergeben habe. Insgesamt seien auf den GSO-Sektionen der Lyzeen im ganzen Land, das sind die Sekundarschulsektionen mit sozialer Ausrichtung, derzeit 2 253 Schüler/innen zwischen 4e und Première (28 Prozent des Enseignement secondaire général) eingeschrieben.

„Wir brauchen junge Leute, die in der Sozialarbeit arbeiten (...) und die eine soziale Ausbildung machen wollen“, mahnte Meisch am Dienstag. Daher sei es „absolut gerechtfertigt, bei den Zahlen, wenigstens einen Modellversuch zu versuchen“, verteidigte Meisch seine Idee einer verkürzten Erzieherausbildung gegen die vehemente Kritik der Berufsverbände. Man solle „dem Projekt eine Chance geben“ und schauen, ob es nicht gelingt, „mit den Kriterien beieinanderzukommen“. Meisch warnte: „Machen wir das nicht, nehmen wir uns selbst die Möglichkeit zur Qualitätsentwicklung und würden Hunderten Jugendlichen eine Zukunftschance nehmen.“

Im Sozialbereich arbeitet bereits viel Personal, das niedrig qualifiziert ist, als Hilfskraft etwa in der Kinderbetreuung (Aide socio-familiale oder socio-éducative). Die Idee, eine Art Übergang für Praktiker/innen auf die Beine zu stellen, kommt von der Erwachsenenschule Enad in Luxemburg-Hollerich, an der Erwachsene heute schon über den zweiten Bildungsweg Abitur und Erzieherdiplom erlangen können. Dort ist die Idee eines verkürzten Ausbildungswegs entstanden – nicht vor kurzem, sondern bereits 2016/2017, als die Schule sich zunehmenden Anfragen gegenübersah. Ausgearbeitet wurde der nun vorliegende Modellversuch jedoch von einer Arbeitsgruppe im Bildungsministerium.

Duale Erzieherausbildung „Wir bieten die Erzieherausbildung als duale Berufsausbildung an“, sagt Jos Bertemes, Direktor der Enad, dem Land. Ziel sei es, Frauen und Männern, die bereits in der sozialen Arbeit tätig sind, etwa als Aide éducateur, Zugang zum Erzieherdiplom zu ermöglichen. Nachfrage gebe es: Waren es im ersten Ausbildungsjahr 26 Absolventen, die ihr Erzieherdiplom erhielten, waren es im Folgejahr 29, dann über 40, im vergangenen Jahr waren es 50 – von 150 Anfragen, die die Schule erhalten hatte. Den Vorwurf, hier würden Leute ohne Praxis in den Beruf geschickt, lässt Bertemes nicht gelten: „Wir werden im Modellversuch Leute mit Berufserfahrung annehmen“, beschreibt er die Zielgruppe. Außerdem biete der alternierende Ansatz beides: zwei Tage Theorie in der Schule und drei Tage Praxis beim Arbeitgeber. Allerdings: Dass die Öffnung ein zweischneidiges Schwert sein könnte, gibt Bertemes zu: „Uns ist wichtig, Übergänge zu schaffen für Leute, die am Erzieherberuf interessiert sind.“ Die Enad wird die verkürzte Ausbildung gemeinsam mit dem LTPES in Mersch anbieten.

Gefragt nach der Konkurrenzausbildung zum herkömmlichen Erzieherdiplom sieht LTPES-Direktorin Claudine Muller das Thema eher gelassen: Es handele sich um ein Pilotprojekt mit zunächst „20 bis 23 Schülerinnen und Schülern“. Man wisse noch nicht, welche Sorte Schüler sich melden werden. „Wir sollten erst analysieren und evaluieren und dann gegebenenfalls Konklusionen ziehen“, plädiert Muller für mehr Sachlichkeit. Ihre Schule werde sich weiterhin für Qualität einsetzen, so die Direktorin, die ihr Amt seit drei Monaten innehat. Ähnlich wie die Enad ist das erst 2012 in ein neues Gebäude in Mersch gezogene LTPES am Rande seiner Kapazitäten angekommen. Einzelheiten zu zusätzlich benötigten Mitteln wollte Muller aber nicht verraten. Man sei dabei, mit dem Erziehungsministerium zu verhandeln. Glaubt man dem Minister ist auch die Nachfrage nach Zugängen für Geringqualifizierte in den Erzieherberuf so groß,

dass das Ministerium überdies eine berufliche Erzieherausbildung als Diplôme d’aptitude professionnelle (DAP) plant. Viel ist über dessen Aufbau indes bisher nicht bekannt. Minister Meisch bestätigte in der Fragestunde am Dienstag im Parlament lediglich, man habe einen „langen Dialog“ geführt, seinem Geschmack nach „zu lang“, um die im Regierungsprogramm angekündigte Berufsausbildung „DAP Enfance“ auf die Beine zu stellen. Parallel werde der Abschluss Auxiliaire de vie überarbeitet, der stärker auf die Arbeit im Behinderten- und Altenbereich zugeschnitten werden soll. Übergänge nach oben zum Éducateur-Diplom seien ebenfalls vorgesehen. „Kein Abschluss ohne Anschluss“, sei die Devise, sagte Meisch.

Doch weder die Uni, noch die Berufsorganisationen kennen konkrete Einzelheiten über den geplanten DAP, der auch einen Übergang zum Erzieherdiplom erlauben soll. Er wird ebenfalls im Bildungsministerium in einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Das ist es, was die Gewerkschaften am meisten ärgert: Der Erziehungsminister hat die Ausbildungsreform offenbar weitgehend veranlasst, ohne sich mit den Berufsvertretungen abzustimmen, respektive sucht sich seine Gesprächspartner selektiv aus.

Systemrelevant Dies in einer Zeit, wo durch die weltweite Corona-Pandemie zunehmend anerkannt wird, dass die oftmals schlecht bezahlte Fürsorgearbeit zu den systemrelevanten unverzichtbaren Arbeiten zählt und eine gesellschaftliche Aufwertung verdient hätte. „In unseren Augen ist der Vorstoß klar eine Abwertung“, so Pitt Bach vom OGBL. Die Art und Weise, wie das Ministerium vorgeht, ist für die Gewerkschaft „schlichtweg inakzeptabel“. Eine Branche werde „einfach vor vollendete Tatsachen gestellt“, ärgert sich Bach. Es sei gar nicht so, dass sich die Gewerkschaften grundsätzlich weigerten, über den Erzieherberuf und neue Ausbildungswege in der Sozialen Arbeit nachzudenken. „Man kann selbstverständlich über Zugänge und neue Ausbildungen diskutieren. Aber es kann nicht sein, dass solche Initiativen genommen werden, ohne mit den Berufsvertretungen zu reden.“

Es brodelt Es ist nicht das erste Mal, dass der liberale Minister wegen seines Führungsstils Empörung auf sich zieht: Erst vor einem Monat hatte derselbe Minister gemeinsam mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) Pläne für eine Reform der Krankenpflegeberufe vorgestellt, die neben dem Brevet de technicien supérieur (BTS) einen Bachelor sowie einen dritten Ausbildungsweg in die Krankenpflege vorsieht – dies ohne das im Vorfeld mit den Berufsverbänden abgesprochen zu haben. Die wollen den BTS zugunsten Bachelor-basierter Spezialisierungen abschaffen. Die Wut und Enttäuschung war groß – nachdem die Krankenpfleger/innen die Hauptlast der Corona-Pandemie geschultert, unzählige Überstunden bis an den Rand der Erschöpfung geleistet haben, fühlen sie sich übergangen. Meischs Alleingang wurde als Affront empfunden. Acht Berufsverbände aus dem Gesundheitssektor hatten daraufhin Ende Mai zu einer Kundgebung aufgerufen und wurden darin von den Gewerkschaften OGBL und LCGB, der Studentenunion Unel und der Patientevertriedung unterstützt.

Anders als bei den Gesundheitsberufen überwiegt bei dem verkürzten Ausbildungsweg in den Erzieherberuf die Sorge, es könnte statt zur erwarteten Aufwertung zu einer „Abwertung“ kommen. Sie ist nicht von der Hand zu weisen. Denn derselbe Erziehungsminister hat im Schulbereich den Zugang von Quereinsteiger/innen in den Lehrerberuf erleichtert; um den Mehrbetreuungsaufwand während der Pandemie zu meistern, wurden weitere Hilfskräfte für die Grundschulen eingestellt. Die Folge: Die Schule ist inzwischen ein Sammelbecken sehr unterschiedlicher Professionen und Qualifikationen geworden. Das birgt Konfliktpotenzial.
Zersplitterte Verbände

Im Bereich der Sozialen Arbeit ist der Sektor ebenfalls ziemlich zersplittert: Das ist historisch so gewachsen. Gesellschaftliche Fürsorgearbeit wurde viele Jahrzehnte von katholischen Hilfsvereinen geleistet. Bis wegen skandalöser Wohn- und Lebensverhältnisse bei der Arbeiterklasse der Beruf der Hygiene-Schwester und schließlich der der sozialen Helferin (Assistante sociale) eingeführt wurden. Beide Berufe wurden als Gesundheitsberufe definiert. Eine regelrechte Sozialpädagogik entstand erst mit der Reform der Heimerziehung und der Waisenkinderpflege Ende der 1960-er sowie mit der Einführung der Sonderschule 1973. Mit der gesetzlichen Integration behinderter Kinder in die öffentliche Schule kamen die sogenannten Moniteurs, (heil-)pädagogische Berufe entstanden. Seit 2005 gibt es an der Uni Luxemburg einen integrativen Bachelor-Studiengang in den Sozial- und Erziehungswissenschaften; seit 2011 einen Master in Management im Sozial- und Bildungswesen, sowie einen Master in den Sozial- und Erziehungswissenschaften (seit 2014).

Bis heute aber fehlt ein von Grund auf durchdachtes stufenförmiges Ausbildungskonzept für den gesamten Bereich der Sozialen Arbeit, etwas das der Fachverband der Sozialpädagog/innen Ances seit vielen Jahren fordert. Mit neuen Gesetzen wie das zur Jugendhilfe (Entstehung des Jugendamts) oder zum reformierten Mindesteinkommen Revis folgt die Soziale Arbeit in Luxemburg damit einem Trend der Professionalisierung und Spezialisierung, den man in anderen europäischen Ländern seit etwa den 1970-er Jahren beobachten kann. Waren es vor rund fünf Jahren vor allem Führungskräfte im Bereich der Leitungen der wie Pilze aus dem Boden sprießenden Maisons relais, werden zunehmend Fachkräfte auch in der Jugendhilfe, von den Sozialämtern, in der Flüchtlingshilfe und für die Behindertenarbeit gesucht.

Berufsbegleitend Denn auch die Nachfrage nach akademisch ausgebildeten Pädagogen ist groß und steigt: Rund 680 Stellen blieben unbesetzt, 2019 habe die Uni 56 Diplome an Sozialpädagog/innen überreicht, 36 davon im berufsbegleitenden Bachelor, heißt es im Newsletter 2019 des Praxisbüros. Der berufsbegleitende Bachelor wird dieses Jahr auslaufen, nachdem die Uni den Vertrag 2019 nicht verlängern wollte. Dabei wird er von der Salariatskammer CSL mit 200 000 Euro kofinanziert. „Das ist schade“, so Nadia Ruef von der APCCA: „Viele Kollegen bilden sich nebenberuflich weiter, um den Anforderungen besser gerecht zu werden.“ Der Erfolg gibt dem Studiengang recht: Trotz Eigenbeteiligung von 6 000 Euro meldeten sich jedes Jahr mehr als 100 Interessent/innen bei der CSL, um sich in den Studiengang einzuschreiben. Die Kammer, die eigenen Aussagen zufolge „am liebsten weiter mit der Uni zusammenarbeiten“ würde, sucht jetzt nach einem neuen Partner.

Der Ances schwebt ein Stufenmodell vor, ähnlich wie es die Anil-Vizepräsidentin Marie-France Liefgen am 22. Mai im Luxemburger Wort für die Gesundheitsberufe durchdekliniert hat: eine kompetenzorientierte Grundausbildung, die stufenförmig aufeinander aufbaut und sich aufteilt in einen beruflichen Ausbildungsweg an der Erzieherschule und einen akademischen an der Uni. Dazwischen sollten Übergange geschaffen werden. Mit der Aussicht, Ausbildungsgänge zu schaffen, die aufeinander aufbauen, soll die Attraktivität der Sozialen Arbeit gesteigert werden, so die Idee. Gleichzeitig wäre das ein guter Moment, einen Berufskodex verbindlich festzuschreiben – den gibt es nämlich noch nicht.

Fragt man Schüler/innen, die sich in die GSO-Sektionen melden, wollen diese beruflich oft „etwas mit Kindern“ machen: Die breite Palette, die der Bereich der Sozialen Arbeit und des Sozialwesens bietet, ist vielen nicht geläufig. Auch die Erzieherschule hat in den vergangenen Jahren auf die zunehmende Spezialisierung und Ausdifferenzierung von Tätigkeitsfeldern reagiert und bietet beispielsweise einen Schwerpunkt Animation und einen zu Kindheit.

Ohne Gesamtvision Doch meistens entstehen Initiativen punktuell, sind nicht in einer Gesamtperspektive für den Sektor verankert und werden vor allem nicht in Rücksprache mit allen Berufsorganisationen und Ausbildungsträgern gemeinsam entwickelt. Die Ances hatte einen Hohen Rat gefordert, in dem die unterschiedlichen Akteure zusammen über einen Rahmenplan für ein kompetenzorientiertes Stufenmodell beraten. Ein Vorschlag, dem Yves Oestreicher von der Fedas allerdings wenig Chancen einräumt: „Der Sektor ist geprägt von starker Konkurrenz, ein gemeinsamer Vorstoß ist eine Illusion“, so seine Einschätzung. Tatsächlich zögert Pitt Bach, vom Land auf die Idee angesprochen: Seine Gewerkschaft sei über die Personalvertretungen und die Berufskammer ins Gesetzesverfahren „gut eingebunden“. Allerdings: Ausbildungen werden nicht selten per Ausführungsbestimmung geregelt, ohne lange Beratungen im Parlament. Was ist mit den anderen Akteuren, wie der Universität oder weiteren Weiterbildungsanbietern?

Das ist ein echtes Problem: Zwar äußerten sich die vom Land kontaktierten Berufsorganisationen im Sozialsektor, darunter die Apeg, skeptisch bis kritisch zur verkürzten Erzieherausbildung. Aber die Szene ist unüberschaubar und in viele kleine Verbände zersplittert, die in erster Linie nach ihrem Klientel schauen. Um politisch Druck aufzubauen, braucht es Masse und Einigkeit. In Sicherheit wähnen sollte sich Erziehungsminister Claude Meisch dennoch nicht: Mit seiner brachialen Art hat er inzwischen nicht nur Pädagog/innen, Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen gegen sich aufgebracht, sondern auch die Gesundheits- und Pflegeberufe. Gemeinsam stellen die Branchen Erziehung, Bildung und Gesundheit weit mehr als 30 000 Beschäftigte.

Ines Kurschat
© 2024 d’Lëtzebuerger Land