Gleich zwei Berichte hat das Observatoire nationale de la qualité scolaire (onqs.lu) im vergangenen Jahr fertiggestellt: Eine Analyse des Luxemburger Bildungssystem von 80 Seiten, sowie eine weitere Studie zur Rolle der Bildung bei der Vorbereitung der Jugend auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts von rund 70 Seiten. Die Berichte liegen seit Juli 2020 vor, bedingt durch Covid-19 wurden sie aber erst im Februar den Abgeordneten im Parlament vorgestellt.
Es sind wahre Fleißarbeiten. Für die Analyse zum Schulsystems wurden sämtliche nationalen Bildungsstudien und Berichte durchgeackert, vom Bildungsbericht, über die Épreuves standardisées bis hin zu Pisa. Und zudem reichlich internationale Fachliteratur gewälzt. Aus den Synthesen dieser Studien hat das Team um den ehemaligen LTB-Direktor Jean-Marie Wirtgen nun Beobachtungen und Empfehlungen zusammengestellt, die verständlich geschrieben und gut zu lesen sind.
Vieles davon ist wie ein Déjà-vu: Die ungleichen Chancen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien, die Sprachanforderungen im mehrsprachigen Schulsystem, die sich für die große Zahl an Schülern von sehr unterschiedlicher Herkunft oft als Bremse beim Lernen herausstellen. Auch die Datenlage haben die Expert/innen hinterfragt und festgestellt, dass der einzige Akteur im Luxemburger Schulsystem, der regelmäßig durchleuchtet und getestet wird, der Schüler ist. Informationen über den Lehrer, die Qualität seines Unterrichts und der Betreuung gibt es so gut wie gar nicht. Ihre Analysen bettet das Team um Jean-Marie Wirtgen in den internationalen Kontext ein, wobei dieser vor allem das „westliche Bildungsverständnis“ widerspiegelt – das Gros der Referenzstudien stammt aus Europa und dem angelsächsischen Raum, von Australien, Frankreich bis Kanada und den USA.
Der Rahmen ist wichtig, denn auch bei der zweiten Studie, die von Schlüsselkompetenzen handelt, die junge Menschen heute in einer vernetzten globalisierten Welt brauchen, bilden diese internationalen Analysen den Ausgangspunkt für die Empfehlungen, wie etwa die, einen landesweiten Lehrplan für diese „Zukunfts“- Kompetenzen zu erstellen. Dazu zählt das Observatorium Medienkompetenz und Wissen über Kodierung und künstliche Intelligenz. Kreatives und innovatives Denken, um die großen Probleme unserer Zeit angehen zu können. Aber etwa auch die Fähigkeit zu kritischer (Selbst-)Reflexion, zur Zusammenarbeit in wechselnden komplexen Lebenswelten.
Die wissenschaftsbasierten Empfehlungen wiederum bilden den Ausgangspunkt für einen Austausch mit den Praktiker/innen in der Schule: durch Fragebögen und eingebauten Rückmeldungen mit nationalen und internationalen Bildungsforscher/innen, die ihrerseits in die Berichte einfließen sollen. Diese würden dann die Basis bilden für einen Bildungsdësch, der die Plattform sein würde für eine neuerliche Debatte um die zukünftige Ausrichtung des Luxemburger Schulsystems. Das ist jedenfalls der Wunsch des Expertenteams und das Ziel ihrer Arbeiten.