ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Endlos

d'Lëtzebuerger Land du 05.09.2025

Auguste Blanqui wurde „l’Enfermé“ genannt. Der Anarchist verbrachte 33 Jahre seines Lebens im Gefängnis. In seiner engen Zelle schrieb er L’Éternité par les astres. „L’univers est infini dans le temps et dans l’espace, éternel, sans bornes et indivisible“ (Paris, 1872, S. 5).

Auch im engen Großherzogtum bewundert das Besitzbürgertum den endlosen Weltraum. Bewegt von der Frage, wie sich Geld machen lässt mit seiner Kommerzialisierung, Privatisierung.

Die jahrzehntealte Bewunderung passt sich den Umständen an. Der Neoliberalismus entfesselte die Werbewirtschaft. 1988 startete die SES ihren ersten „Coca-Cola-Satelliten“. Um Werbefernsehen über kleine Satellitenschüsseln zu verbreiten. Um nationale Hoheitsrechte in private Renten zu verwandeln. Von denen Kleinsparer mit stimmrechtslosen „Volksaktien“ nichts abbekamen. Dann versuchte SES, im aufkommenden Internet- und Handygeschäft mitzumischen.

Die Industrie wollte aus der Klimawende ein Geschäft machen. Das verschärfte den Konkurrenzkampf um Rohstoffe. Die Regierung wollte ihr Referendum vergessen machen. Mit einem Paukenschlag kündigte sie 2016 Lizenzen zum Asteroidenbergbau an. Versprach eine ursprüngliche Akkumulation außerhalb der Erde. Und die private Aneignung unter rot-weiß-blauer Flagge. Nur die Kostennutzenrechnung ging nicht auf.

Nun leben wir im Zeitalter der Kriegsvorbereitungen. Das Großherzogtum leistet seinen Beitrag zur Militarisierung des Weltraums: Vergangene Woche wurde das Luxembourg Earth Observation System (Luxeosys) gestartet. In 450 Kilometer Höhe soll sein Satellit 15 Mal am Tag um die Erde kreisen. Um dezimetergroße Details des Ennemi in Nordafrika, der Ertrinkenden im Mittelmeer zu fotografieren.

In nationaler Eintracht beschlossen CSV, LSAP, DP, Grüne, ADR 2018 Luxeosys. Nun halten sie Stolz für unangebracht: Luxeosys sollte 170 Millionen Euro kosten. 2020 musste das Parlament 178 Millionen nachschießen. Die Armee war überfordert. Es gab Streit um die Betreibergesellschaft, die Bodenstation. Dann bockte die Ariane-Rakete. Am Ende wurde Elon-Hitlergruß-Musk für den Transport des Satelliten bezahlt.

Vor einem Monat brachte die Regierung einen Gesetzentwurf ein zum Kauf eines dritten Militärsatelliten: Govsat-2. Im Vergleich zum 2018 gestarteten Govsat-1 soll er zusätzlich Ultrahochfrequenzkanäle besitzen. Um mit Truppen auf dem Schlachtfeld zu kommunizieren. Er soll „assurer la continuité des services en cas d’explosion nucléaire en haute altitude“ (Gesetzentwurf 8604, S. 4). Auch wenn es dann vielleicht keine Bodenstation mehr gibt. Und keine Truppen.

Govsat-2 soll mehr als das Dreifache von Govsat-1 kosten: eine halbe Milliarde Euro. Die Peinlichkeit eines Nachtragskredits soll diesmal verhindert werden. Eine Kreditüberschreitung um 66,5 Prozent ist eingeplant: Der Gesetzentwurf sieht dafür eine „réserve budgétaire stratégique de 200 000 000 euros“ vor.

Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Schon denken Regierung und SES an Govsat-3. Er soll Ende des Jahrzehnts bestellt werden. Um Govsat-1 zu ersetzten. Der wird um 2040 zu Weltraumschrott.

Den Beobachtungssatelliten Luxeosys soll die Armee betreiben. Die Kommunikationssatelliten Govsat gehören einer Joint venture von Staat und SES. Zum Kauf jedes Govsat-Satelliten erhöht der Staat seine Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen. Und kauft der eigenen Firma für 100 oder 200 Millionen Euro Übertragungskapazitäten ab. Die er der Nato und der Europäischen Union verkauft oder schenkt. Für die SES bleibt das Geschäft.

Der Staat soll bis zu fünf Prozent des Bruttonationaleinkommens für Rüstung ausgeben. Mit dem Kauf von drei, vier Satelliten soll möglichst schnell und möglichst viel davon verbrannt werden. Auch soll die heimische Rüstungsindustrie daran verdienen. Ihre Speerspitze ist die Betzdorfer SES. Derzeit sind Wirtschaftswachstum, Privatnachfrage auf Erden gering. Der Staat verspricht der Industrie endlose Verdienstmöglichkeiten im Weltraum.

Romain Hilgert
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