„Mein Ziel ist es, dass man sich nicht extra anstrengen muss für Klimaschutz, sondern, dass es einfach das Einfachste wird“, meinte die grüne Umweltministerin Joëlle Welfring unlängst in einem Interview mit Reporter.lu. Damit neue Routine entstehen, bedarf es Begrenzungen, um eingeübten Gewohnheiten entgegenzuwirken. Parteien thematisieren das ungern; im Vorwahlkampf geht die Angst vor dem Vorwurf der „Verbotspolitik“ um. Das hängt auch mit der Trivialisierung des Freiheitsbegriffs zusammen.
Insbesondere während der Coronaproteste avancierte „Freiheit“ zu einem schalen Kampfbegriff. So etablierte sich der Luxemburger Kanal „Mim’s Freiheit“, der auf Facebook und Telegram Videos über Coronaproteste hochlud, in denen Aussagen zu hören sind wie: „das Recht auf freie Meinungsäusserung ist auf 1,5 Quadratkilometer beschränkt“. Die ADR-nahe Influencerin Jessica Polfer stilisierte sich als Fürsprecherin von Impfgegner-Eltern, die Angst vor einem staatlichen Entzug des Sorgerechts hatten. Eine radikalisierte Minderheit lehnte sich gegen den Staat und gesellschaftliche Solidarität auf, um letztlich ihr eigenes Fürwahrhalten als verbindliche Autorität auszurufen. In der breiteren Gesellschaft kam es zu Konflikten rund um Begriffe wie „Freiheit“ und „Gemeinsinn“ – ein ungutes Sozialklima dessen Nachwehen die Wahlkampfdebatte tangieren werden.
In den letzten Dekaden wurde der Freiheitsbegriff zu häufig mit freier Selbstentfaltung sowie gleichzeitigem Auf-Abstand-Halten der Bedürfnisse und Leiden der anderen verwechselt, wie der belgische Philosoph Jean-Pierre Wils analysiert. Freiheit heiße heute Ungebundenheit und Eigensinnigkeit. Wer aber genauer hinsehe, der stelle fest, dass unsere Freiheit mit sozialen Verabredungen, Normen und Restriktionen einhergeht. Für die Soziologen Oliver Nachtwey und Carolin Amlinger garantiert ökonomische, politische und soziale Planung individuelle Freiheit: ein Sozialstaat der Zugang zu Bildung garantiert, Gesundheitsdienstleistungen und Katastrophenschutz leistet. Wasser, Nahrung, Energie sind ebenso Grundgüter, deren Zugang über demokratische und nicht über private Institutionen reguliert werden sollte, meint seinerseits Wils.
Oftmals instrumentalisieren Parteien den Ich-zentrierten Freiheitsbegriff. Aus der liberalen DP kommt ebenfalls nichts Substanzielles zum Freiheitsbegriff. Dabei beschwören sie ihn gelegentlich als zu ihrer Kernidentität zugehörig. In den Nuller-Jahren begnügte sie sich gar Postkarten mit einem prallen Busen in einem blauen BH zu verteilen, auf dem stand: „Méi fräi!“. Aber nicht nur die DP sieht Freiheit und Handlungsmacht in erster Linie darin, Produkte zu konsumieren und seinen Anspruch auf Dienstleistungen zu beanspruchen. Die CSV-Ko-Präsidentin Elisabeth Margue dehnte diesen Anspruch gar auf umweltverträgliches Handeln aus. Sie argumentierte im RTL-Background vor zwei Wochen: „Déi Leit, deenen et am mannste gutt geet, kënnen sech et am mannste leeschte Klimaschutz ze maachen“. Geringverdiener mögen kein Geld haben, um ihr Haus zu sanieren, in der Regel verbrauchen sie jedoch weniger Wohnfläche, haben keinen Pool im Garten oder Sauna im Keller. Einen Blick auf die Tabelle des World Overshoot day lässt ebenso an dieser Aussage zweifeln: Für Luxemburg wurde dieser auf Valentienstag berechnet, also vergangenen Dienstag. Mit steigendem Einkommen geht zumeist steigender Ressourcenverbrauch einher – das gilt für Mikro- und Makroökonomie. Eine unbequeme Tatsache für Parteien, die sich dem Klimaschutz annehmen. Insofern sollten sie also doch der Frage nachgehen, wie Verpflichtungen (und damit einhergehend Begrenzungen) und Freiheitsrechte möglichst harmonisch ineinanderwirken können.