Werden personalisierte Behandlungen die Gesundheitssysteme weniger teuer zu stehen kommen als die herkömmlichen nach dem Eine-Arznei-für-alle-Prinzp? – Ja, sagen die Protagonisten der personalisierten Medizin, und zu dieser Diskussion soll das Lungenkrebs-Früherkennungsprojekt des CRP-Santé mit dem Partnership for Personalized Medicine in Phoenix beitragen (d'Land, 20.02.2009). Zwar soll es keine Therapien entwickeln, sondern den Krebs durch Biomarker früher erkennbar machen. Doch dadurch er-hofft man sich auch Aufschluss darüber, welche der klassischen Behandlungen bei welchem Patienten nicht anschlagen werden. Was genau ein Gesundheitssystem gewinnen kann, wenn man individuell wirkungslose Krebstherapien im Voraus ausschließen kann, um sich beizeiten auf wirkungsvolle zu konzentrieren, soll eine gesundheitsökonomische Studie klären, die parallel zur Biomarker-Entwicklung erstellt wird.
Auswirkungen in eine andere Richtung könnten die beiden Forschungsprojekte von Uni Luxemburg und dem Institut for Systems Biology haben: Neue Methoden zum Verständnis des Genoms zu entwickeln, gekoppelt mit der Entwickung vollständiger Sequenziermöglichkeiten, die überdies preiswert sind – würde dies den Forschern aus Seattle und Luxemburg gelingen, ließen sich daraus verbesserte prädiktive Gentests gewinnen, mit denen sich in bestimmten Grenzen die Wahrscheinlichkeit einer späteren Erkrankung vorhersagen lässt.
Da einfache und wenig zuverlässige prädiktive Tests schon heute für ein paar hundert Dollar im Internet angeboten werden, ist bereits bekannt, dass die Aussicht, Krankheiten würden vorhersagbar, den einen interessant, den anderen wie ein Albtraum erscheint. Aber ließen sich im großen Stil, bei geringen Kosten und mit hoher Zuverlässigkeit Eintrittswahrscheinlichkeiten späterer Erkrankungen vorhersagen, hielte unweigerlich der Begriff „Risiko“ Einzug auch in die solidarisch finanzierten Gesundheitssysteme. Die technologische Entwicklung weist in diese Richtung. Ob sich die Solidarität dann eher daran entscheiden würde, welche Risikoträger das System noch zu versorgen bereit wäre, oder ob Personen mit einem bestimmten Genprofil zu bestimmten Behandlungen gezwungen werden könnten, lässt sich kaum sagen. Aber falls aus der Forschungspartnerschaft der Universität verbesserte prädiktive Gentests entstehen, könnte Luxemburg mit dem hohen Leistungsumfang seiner öffentlichen Gesundheitskasse zu einer Art politischem Testfall werden.
Das Mindeste, was sich die nächste Regierung in diesem Zusammenhang vornehmen müsste, wäre ein Gentestgesetz. Bislang sind hierzulande auch Gentests zu Diagnosezwecken nicht geregelt – weder in ihrer Qualität, noch im Hinblick darauf, wie verständlich die Ergebnisse für den Untersuchten abzufassen sind und auf welche fachliche Beratung er vor und nach dem Test Anspruch hat. Auch die 1997 vom Europarat veröffentlichte Rahmenkonvention von Oviedo über Biomedizin und Menschenrechte hat Luxemburg bisher noch nicht umgesetzt. Die Konvention verbietet unter anderem „jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes“ und erklärt das Recht, Angaben über die eigene Gesundheit nicht kennen zu wollen, zu einem schützenswerten Bestandteil der Privatsphäre. In Luxemburg befindet sich zwar seit drei Jahren schon ein Gesetzentwurf auf dem Instanzenweg, der die Oviedo-Konven-tion umsetzen soll. Der Text bedarf jedoch der Überarbeitung – ausgerechnet das Diskriminierungsverbot einer Person aufgrund ihres genetischen Erbes kommt darin nicht vor.