Es hat nicht geklappt bei der Sitzung des parlamentarischen Gesundheitsausschusses gestern Vormittag, es gibt keinen Euthanasie-Konsens. Auch nach dreieinhalbstündiger Debatte lehnten die Vertreter von LSAP, DP und Grünen all die Änderungsvorschläge der CSV am Err/Huss-Gesetzesvorschlag ab, die jener so wichtig waren. „Euthanasie“ soll weiterhin so heißen und nicht „aide à mourir“; einen collège aus vier Medizinern als Vorab-Instanz, die jeden Euthanasiewunsch prüft, soll es nicht geben. Und schließlich: Die „exception d’euthanasie“, welche die CSV anscheinend zugestehen will, wenn die „souffrance ne peut être prise en charge de manière efficace ni par la médecine curative ni par les traitements palliatifs“, wurde nicht akzeptiert.
Für die CSV ist das ein Desaster – in der Sache wie parteipolitisch. Strategisch will sie wohl einen Konsens, in dem keiner das Gesicht verliert. Aber während sie hinter den Kulissen auf Einbindung setzt und der anderen Seite die Hand reichen will, stellt sie diese zugleich als Versammlung politischer Hasardeure hin, die mit Leben und Tod verantwortungslos umgehen würden und denen man notfalls bei der zweiten Lesung eine parlamentarische Niederlage zufügen werde, indem man einige ihrer Abgeordneten noch umdreht.
Dabei ist der CSV selber nicht zu helfen: Ihre Fraktion verwendete viel mehr Feinarbeit auf ihre Änderungsvorschläge zu Err/Huss, argumentiert juristisch viel elaborierter als Lydie Err und Jean Huss in ihren eigenen Korrekturen am Gesetzesvorschlag es tun, sie bot zur Pressekonferenz am Dienstag an medizinischer und juristischer Kompetenz auf, was sich aufbieten ließ. Aber bis heute hat sie nicht klar zu machen verstanden, bis wohin genau sie sich bewegt hat. Dass ein unerträglich Leidender erst alle Angebote der Palliativbetreuung durchlaufen haben müsste, ehe ihm Sterbehilfe gewährt werden könnte, will sie gar nicht. Sie traut sich nur nicht, es deutlich zu sagen, sondern verweist umständlich auf jenen Artikel im Krankenhausgesetz, der allen Patienten das Recht gibt, jede nur denkbare Behandlung abzulehnen – Palliativbehandlung inklusive, wonach der Zugang zur Euthanasie nicht mehr verwehrt würde. Kein Wunder, dass am Tag nach der Pressekonferenz keine Zeitung darüber berichtete.
Kein Wunder aber auch, dass die CSV nicht klar sagt, wie weit sie die „exception d’euthanasie“ auszulegen bereit ist. Die Ausnahme von der Ausnahme brächte sie in einen noch nie da gewesenen Konflikt mit Klerus und Luxemburger Wort. Auch Premier Jean-Claude Juncker rückte gestern nichts zurecht mit seinen kurzen Sterbehilfe-Betrachtungen in seiner Erklärung zur Lage der Nation: „Es gibt Fälle, bei denen die Palliativmedizin nicht alle Antworten hat. Diese Fälle sollen wir regeln. Diese Fälle sind Ausnahmefälle.“
Ein solcher Eiertanz aber erlaubt es nicht, die Parteipolitik beiseite zu lassen und sich irgendwo zu treffen mit LSAP, DP und Grünen, nicht mal mit jenen Liberalen und Sozialisten, denen Err/Huss bei wiederholter Lektüre doch zu weit geht: Wer draußen im Land sollte so einen Schwenk verstehen? Und dann ist da der Druck der LSAP-Parteibasis mit ihrer antiklerikalen Tradition, die Zugeständnisse an die CSV ablehnt. Noch am Montag endete ein Treffen der LSAP-Spitze mit Basismilitanten mit diesem Resultat. Für die DP wiederum dürfte die Versuchung, die CSV niederzustimmen, auch bei der zweiten Lesung von Err/Huss so groß sein wie bei der ersten.
Nun warten alle auf den Staatsrat, der sämtliche Anträge zum Gesetzesvorschlag erhält, auch die „minoritären“ der CSV, und der in eine Art Schiedsrichterrolle gerät. Bis er sein Gutachten ver-öffentlicht, dürfte der Friede gewahrt bleiben, auch in der Regie-rungskoalition. Die CSV aber erlitt gestern vormittag erneut einen empfindlichen Kontrollverlust.