Indexbewirtschaftung

Dauerprovisorium

d'Lëtzebuerger Land vom 06.01.2012

„Als Mitglied dieser Regierung und als Vizepremier wusste ich natürlich, dass die Positionen der So[-]zial[-]partner diesmal derart weit auseinander lagen, dass keinerlei Chance bestand, diese zusammenzubringen“, erklärte LSAP-Minister Jean Asselborn dem Journal den rezenten Index-Beschluss der Regierung. „Hätte die Regierung nun keine Entscheidung getroffen, so hätte man diese zu Recht kritisieren dürfen.“

Zufrieden kann Asselborn vor allem sein, weil es in seiner Partei bisher keine ernsthafte Forderung nach einem außerordentlichen Kongress wie nach der gescheiterten Tripar[-]tite 2010 gab. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Gewerkschaften nach den Bipartite-Gesprächen mit der Koalition die geplante Indexmanipulation so gedämpft beanstanden, dass ihre Kritik an schweigende Zustimmung grenzt.

Gar nicht gedämpft kritisieren dagegen die Unternehmer, die ein „Index-Moratorium“ und die „Desinindexierung“ der Volkswirtschaft verlangt hatten. Für den Direktor des Industriellenverbands Fedil, Nicolas Soisson, stellt die „simple Aufschiebung einer Indextranche“ bloß ein „Ohnmachtszeugnis“ dar. Er wirft mit dem rechten Vorkriegspolitologen Gaetano Mosca Regierung und Opposition in einen Topf, indem er die „Ohnmacht einer Regierung und einer ganzen politischen Klasse“ diagnostiziert, den drohenden „Bankrott der politischen Klasse“ ankündigt.

Trotzdem konnte der demissionäre LSAP-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké noch kurz vor Heiligabend den Gesetzentwurf im Parlament hinterlegen, mit dem die einst automatischen Indexanpassungen weiter von Hand vorgenommen werden sollen. Das Parlament, dessen erste Plenarsitzung für den 31. Januar vorgesehen ist, soll nun den Entwurf so schnell wie möglich zum Gesetz machen.

Denn der Statec will nicht mehr ausschließen, dass die nächste Indextranche schon im Februar fällig wird. Deshalb soll das Gesetz zur Sicherheit in Artikel zwei vorsehen, dass es nicht, wie üblich, erst drei Tage nach seiner Veröffentlichung im Memorial in Kraft treten soll, sondern bereits am Tag seiner Veröffentlichung. So dass das druckfrische Amtsblatt notfalls am 31. Ja[-]nuar zur Post gehen soll, noch bevor die Lichter am Krautmarkt erlöschen.

Denn auch wenn die Indextranche schon nächsten oder übernächsten Monat fällig würde, sieht der Gesetzentwurf vor, dass sie erst am 1. Oktober ausbezahlt werden soll. Das stellt einen zeitlichen Abstand von einem Jahr zur Auszahlung der bisher letzten Tranche am 1. Oktober 2011 dar und von anderthalb Jahren zum Zeitpunkt, dass diese Tranche am 1. April 2011 durch die Preisentwicklung fällig wurde.

Die beiden folgenden Tranchen sollen frühestens mit einem zeitlichen Abstand von zwölf Monaten ausgezahlt werden, das hieße am 1. Oktober 2013 und am 1. Oktober 2014. Bleibt es bei der derzeitigen Infla[-]tionsrate, würde die Tranche nächstes Jahr mit einer Verzögerung von einem halben Jahr ausgezahlt. Kommt es in der befürchteten Rezession zu einer Desinflation, würde die Tranche möglicherweise einen Monat, nachdem sie fällig wird, ausgezahlt, so wie es das ursprüngliche Gesetz vorschreibt. Beschleunigt sich dagegen nächstes Jahr die Preissteigerung, könnte die Tranche mit einer Verzögerung von neun oder zehn Monaten ausgezahlt werden, da die nächste Tranche bereits Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres fällig würde.

Bei der augenblicklichen Inflationsrate würden die Löhne und Renten 2014 systemkonform mit einem Monat Verzögerung angepasst. Bei niedrigerer Inflationsrate würde 2014 weder eine Tranche fällig, noch am 1. Oktober ausgezahlt. Und bei einer Beschleunigung der Preissteigerung käme die am 1. Oktober ausgezahlte Tranche mit einer Verspätung von sechs bis zehn Monaten.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf vor, dass im September 2014 der Semesterdurchschnitt, dessen 2,5-prozentige Steigerung eine Indextranche fällig werden lässt, wieder auf null gestellt werden soll. Dadurch würden bei der Berechnung der nächsten Tranche von einem bis zu neun Monate Inflation zwischen der Fälligkeit und der Ausbezahlung der Tranche von 2014 ignoriert, würde die Verzögerung der Auszahlung auch 2015 fortgesetzt, wenn das geplante Gesetz wieder ausgelaufen ist.

Für den Fall einer Beschleunig der Preissteigerung erwartet der Statec im Dezember 2014 eine vierte Tranche seit 2012, die dann im Januar 2015 ausgezahlt würde. Sie soll ersatzlos gestrichen werden. So dass die neue, aus den Wahlen von 2014 hervorgehende Regierung gleich für den Ausfall einer Indextranche verantwortlich gemacht werden könnte.

Aber bis dahin dürfte die Zukunft des Indexsystems etwas klarer sein. Denn fast seit ihrem Amtsantritt, seit 2006, hat die CSV/LSAP-Koali[-]tion das System der automatischen Indexanpassungen außer Kraft gesetzt und durch mehr oder weniger regelmäßige gesetzliche Lohn- und Rentenanpassungen ersetzt. Womit sie allerlei Unzufriedenheit geschürt hat: Bei den Gewerkschaften, die nicht eingestehen wollen, dass die Indexmanipulation ein dauerhaftes Provisorium geworden ist, das sie noch immer für besser als die ersatzlose Abschaffung halten. Und bei den Unternehmern, die über das Provisorium erfreut sind, aber bisher vergebens hofften, dass es nur der erste Schritt zur endgütigen Abschaffung des Systems wäre.

Romain Hilgert
© 2024 d’Lëtzebuerger Land