Klimaschutz nach Kioto

Immer flexibel bleiben

d'Lëtzebuerger Land vom 01.01.2009

Das ist eine schnelle Reaktion: Kaum wurde Mitte Dezember das Klima- und Energiepaket der EU für die Jahre 2013 bis 2020 verabschiedet, sollen schon in diesem Monat wichtige Weichen für das Klimaschutz-Engagement Luxemburgs ab 2013 gestellt werden. Aber in ein paar Jahren soll es nicht wieder heißen, ein LSAP-Minister habe zu spät reagiert: Nach dem Beitritt Luxemburgs zum Kioto-Protokoll 1997 hatte der damalige sozialistische Umweltminister Johny Lahure eine nationale „Klimaschutz-Strategie“ angekündigt. Doch erst im Mai 2006 lag ein erster nationaler Klimaschutz-Aktionsplan vor. 

Ebenso wenig soll in ein paar Jahren erneut ein LSAP-Minister Schuld gewesen sein, dass Luxemburg sich zu viel vorgenommen haben könnte, und falsch verhandelt haben. In Wirklichkeit nämlich hat Umweltminister Lucien Lux in Brüssel so gut verhandelt, dass Luxemburg auf ein Füllhorn an Optionen zurückgreifen kann, wenn es darum geht, zwischen 2013 und 2020 die nationale Treibhausgasbilanz um 20 Prozent gegenüber dem CO2-Aufkommen im Referenzjahr 2005 zu senken. Die Optionen werden jedoch unterschiedlich viel kosten. Und da für die ganze EU „Flexibilität“ gilt und zuerst mahlt, wer zuerst kommt, wird letztlich deshalb die Klimaschutzpolitik ab 2013 nicht ganz der nächsten Regierung überlassen.

Das Klimapaket nimmt von den Mitgliedstaaten bereits insofern eine Last, als die energieintensiven Industrien, die seit 2005 an einem europaweiten Emissionhandel teilnehmen müssen, ab 2013 aus den nationalen Bilanzen ausgeklammert und gesamteuropäisch betrachtet werden. Keine Regierung muss dann mit Klimaschutzpolitik noch Industriepolitik machen. 

Abgesehen davon sollten, dem ursprünglichen Klimaschutz-Richtlinien­entwurf der EU-Kommission nach, die EU-Staaten lediglich die Möglichkeit haben, sich zwischen 2013 und 2020 Jahr für Jahr drei Prozent ihres 2005 emittierten CO2 in Projekten gutschreiben zu lassen, die im Ausland realisiert werden – sei es in Industriestaaten, sei es in Dritt-Welt-Ländern. Das ist nicht wenig: Luxemburg etwa emittierte 2005, ohne die energieintensiven Industrien, 10,7 Millionen Tonnen CO2. und müsste 2020 mindestens 20 Prozent oder 2,15 Millionen Tonnen weniger emittieren. Könnten bis dahin und ab 2013 pro Jahr drei Prozent des 2005-er Aufkommens abgelassen werden, wären das acht Mal 320 000 Tonnen und rein arithmetisch mehr als die Reduktionsverpflichtung. 

Ganz so schematisch wird es nicht gehen können, da jeder Staat verbindliche Jahres-Reduktionsziele gesetzt bekommen wird. Allerdings enthält der vor drei Wochen nach langem Hin und Her verabschiedete Kom­pro­miss zum Klimapaket noch weitere flexible Mechanismen: Liegen die Jahresemissionen über dem Zielwert, können bis zu fünf Prozent vom Folgejahr „geborgt“ werden. Liegen sie unter dem Zielwert, kann die Differenz ins nächste Jahr mitgenommen, aber auch an andere Mitgliedstaaten übertragen werden. Wer seine Drei-Prozent-Option auf Auslandsprojekte nicht ausschöpft, kann den Rest ebenfalls an andere Staaten transferieren. Und zu guter Letzt dürfen zwölf Mitgliedstaaten, darunter Luxem­burg, sich Jahr für Jahr noch ein weiteres Prozent ihrer 2005-er Emissionen über Auslandsprojekte gutschreiben lassen, wenngleich nur in besonders armen Dritt-Welt-Ländern.  

Das ergibt so viel Flexibilität, dass der Umgang damit zum Strategiespiel um die Opportunität inländischer Reduktionsmaßnahmen zum einen und den Preis für den Freikauf im Ausland oder den innereuropäischen Rechte-Transfer zum anderen wird. Berechnungen der EU-Kommission zufolge könnte das Angebot an Rechten für Auslandsprojekte die Nachfrage um das Achtfache übersteigen.

Der Luxemburger Strategieansatz in diesem komplexen Dickicht soll nun erstellt werden. Auch der Umweltminister räumt ein, man könnte, wenn man wollte, sämtliche Reduktionsverpflichtungen im Ausland oder durch Transfers erledigen. Ziel sei aber, mindestens die Hälfte der 20-Prozent-Senkung „daheim“ zu schaffen.Umwelt- und Drittweltorganisatio-nen dürfte das nicht gefallen. Etwa der Plattform Votum Klima, zu der sich im vergangenen Jahr Greenpeace, Mouvement éco­lo­gique, Caritas und die Action Solidarité Tiers Monde zusammengeschlossen haben. Im November verlangte sie, mindestens 30 Prozent CO2-Reduktion durch Maßnahmen im Inland sei möglich, weiterer Freikauf unmoralisch, und Luxemburg habe bisher zu wenig unternommen. Die NGOs können sich damit trösten, dass die EU-Kommission ähnlicher Auffassung ist: „For the international nego­ciations, it is of paramount importance to show that the EU is making a considerable effort domestically, and to have sufficient incentives for third countries to join in“, schrieb sie Ende September in einem Arbeitspapier für den Umweltministerrat, und wandte sich damit gegen das „Zusatz-Prozent“, für das Luxemburg so kämpfte – am Ende doch mit Erfolg.

Doch wenn die Luxemburger Regierung es etwa fertig bringt, noch das kleinste Dorf in einen Wohnungsbaupakt zu locken, und so dafür sorgt, dass der Autoverkehr kaum abnehmen kann, ist man einer konsequenten Klimapolitik kaum näher als 1997. Und natürlich bleiben in Krisenzeiten die Einnahmen aus dem Tanktourismus wertvoll. 

Peter Feist
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