Das Congés annulés ist. Die Welt ist abgesagt, und das Congés annulés ist. Es reiht sich damit in die möglicherweise etwas verloren gegangene Tradition des Festivals als Rebellion gegen den Status quo ein. Eine durchorganisierte Mini-Rebellion gegen das Nicht-Sein, mit Desinfektionsmittel und Maske.
Und wie ist es? Gut besucht. Und diszipliniert. Ein Festival, auf dem sich an Regeln gehalten wird, hat man das jemals gehört? An umfunktionierten Europaletten – zwischen ihnen reichlich Abstand –, Desinfektionsmittelspendern und einem ästhetisch zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten-Allerlei, finden sich… Menschen. Menschen mit Bieren und Cocktails, in Gespräche vertieft, selbst Teil dieses
Happening, das durch sein Stattfinden definiert ist. Fast droht es, die Musik zu überschatten, die normalerweise der Fokus eines jeden – es ist im Namen – Musikfestivals ist. Je 100 Besucher können zwischen Mittwoch und Freitag bei den 13 Open-Air Konzerte Platz finden; bei den drei kleineren Sessions, die Samstags stattfinden, dürfen immerhin 30 anwesend sein. Gäste, die sich die Gratis-Tickets nicht rechtzeitig reserviert haben, sind dennoch beim Event dabei, wenn auch nicht mittendrin: Von der Terrasse aus ist der Blick auf die Bühne zwar nicht der beste, und die Musik nicht so laut, aber die Maske darf hier abgenommen werden und Getränke sind erlaubt. Kompromisse. Tauchen Personen, die sich – verleitet durch die Kostenfreiheit – etwas voreilig ein Ticket besorgt haben, nicht auf, oder verlässt jemand das Konzertareal, kann für jeden freien Sitz ein/e Glückliche/r nachrücken, vorbei am Sicherheitspersonal, das die Einhaltung der Regeln mit Argusaugen kontrolliert. Und tatsächlich: Die Regeln, die sich mittlerweile in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt haben sollten, werden auch hier respektiert.
Während Musik aus Luxemburg auch in den Vorjahren schon einen festen Platz in und vor den Rotondes hatte, haben die Reisebeschränkungen dennoch einen guten Grund geliefert, sich dieses Jahr besonders auf heimische Acts zu konzentrieren. Die erste Session im kleinen Kreis von Slumbergaze beweist: Festivalgänger/innen lassen sich die Laune nicht verderben. Marc Hauser, Verantwortlicher für das Programm des Festivals, zeigt sich nach drei Abenden optimistisch: „Es sind natürlich besondere Bedingungen, aber bisher sind wir sehr zufrieden. Gäste und Künstler freuen sich, hier sein zu können.“ Die Hauptsorge sei, die Zuschauer dazu zu bewegen, sich in das Konzertareal zu setzen. Eine Frage des Bieres, offensichtlich.
Es ist ein kalkuliertes Risiko, im Sommer 2020 ein solches Event zu organisieren, und die anderen Festivals, die Luxemburger normalerweise durch das Jahr begleiten, wurden sicherlich nicht leichten Herzens abgesagt. Die Brandmarke des Hotspot-Events will jedoch verständlicherweise niemand riskieren. Es ist nicht nur eine Frage der PR, sondern auch eine der Ethik. Ob man das Congés annulés nun als fahrlässig oder bitter nötig einschätzt, hängt wohl unter anderem vor allem vom Vertrauen ab, das man noch in die Bereitschaft der Leute hat, Regeln zu befolgen. Interpretiert als demokratische Frage hingegen, deren Messlatte die Beteiligung der Bevölkerung ist, zeichnet sich ein klares Bild ab: Die Bänke sind besetzt, die Musik spielt und die Leute haben Spaß.