Damals, als wir noch in der Ente. Im Käfer. Im Trabi. Als Mutter noch Krinoline trug. Als Vater die Keule schwang. Als wir Hostercher kauften nach der Schule.
Als die Beatles. Als Blowing in the Wind. Den Mist aus den Hirnen fegte. Den Muff unter den Talaren. Wisst ihr noch? Wisst ihr noch? Erinnert ihr euch?
An die Zeit, als alle noch das gleiche machten und dachten. Als alle noch den gleichen Mist glaubten, an den gleichen Gott, oder glaubten daran zu glauben oder zumindest glauben machten, dass sie daran glaubten? Erinnert ihr euch? Als alles einfach war und nicht so divers, die Menschen verwechselten ihr Geschlecht nicht und ihren Gott nicht, die Einfalt war viel schöner als die Vielfalt.
Schrankwände aus den Siebzigern, Teppichböden, Salzstangen und Rudi Carrell, was gibt es Geileres? Oder für Fundi-Grufties oder auch Hippie-Hausfrauen eine Rückblende auf karge Küchen, Kinder in Waschbottichen und natürlich eine liebevoll polierte Kochmaschine? Wenn der Algorhithmus-Pflegedienst eine als Zielgruppenziel auserkoren hat, wird Mensch mit entsprechenden Nostalgie-Angeboten großzügigst versorgt, personifiziert heißt das. In einer luxemburgischen Ach-wie-schön-waren-die-Eighties!-Gruppe wird behauptet, in den Achtzigern hätten die Menschen in Luxemburg abends vor den Haustüren gesessen und sie hätten sogar miteinander geredet, die Haustüren seien allen offen gestanden, v.a. den Kindern, die sich frei bewegten wie im legendären Zitat vom ganzen Dorf, das es braucht um ein ganzes Kind zu erziehen. Komisch, das muss ich verpasst haben. Ich, als bekinderte Insassin luxemburgischer Dörfer aus jener guten alten Zeit kann mich an diese Idylle gar nicht erinnern, so selektiv ist Wahrnehmung. Die Häuser und Menschen kamen mir eher verschlossen vor, am gesprächigsten waren die Kühe.
In den Achtziger-Nostalgie-Gruppen geht es um Eissorten, um die Coolen die damals erfunden wurden, um Kindergarten-Musik voller Eisbären und Luftballons, eher nicht um Tschernobyl und Aids. Wellness statt Orwell, in den Nostalgie-Gruppen geht es wohlig zu. Auch eine Familie oder ein Freundeskreis ist so eine Mini-Nostalgie-Gruppe, immer wieder beschwört sie ihre Zusammengehörigkeit, zum Beleg gibt es Fotos mit unsympathischen Urahnen, aber auch das Weihnachtsfoto aus den Fünfzigern wo eine sg. Familie steif vor einem hochgerüsteten Baumskelett posiert. Wir gehören zusammen, ob es uns passt oder nicht. Aber wenigstens zusammen. Solange uns das Foto anschaut zumindest.
Zusammengehörigkeit in dieser Einsamkeit, die die zunehmend von Meta-Assistentinnen, KI-Flüstern und Influencer/innen betreuten Menschenkinder befallen hat. Vielleicht wird Nostalgie deshalb plötzlich nicht mehr nur mit Blues und Depression assoziiert, vielleicht wird dieser Notwehrreflex gerade deshalb jetzt aufgewertet. Plötzlich machen Studien gar weis, dass Vergangenheitsschwelger/innen mehr Freund/innen haben und glücklicher sind. Obschon es hier und heute so unattraktiv ist! Bestimmt leben sie auch noch länger. Auf ihrer Nostalgie-Insel. Wenigstens ein Reservat der Zugehörigkeit! Ein kleines umzäuntes Paradies, mit Fußabstreifer, Ungläubige bitte draußen bleiben!
Damals im Krieg. Damals in Woodstock. Als die Drogen noch bio waren. Als es noch Matriarchate gab. Als es noch Patriarchen gab. Zaren. Als die Kriege streng und gerecht waren und nicht alle so dekadent westewertlich konfus. Im Namen des Vaters. Der Vater schlug mit der Faust auf den Tisch. Der Vater muss nur Atombombe sagen, und wir wissen was es geschlagen hat. Die Weltordnung wird wieder hergestellt. Die Mutter tischt auf.
Die Utopie ist das Einst, eingehegt, friedhöflich freundlich und unsterblich, betreut von Erinnerungswächtern oder -wärterinnen. Alles besser als die Dystopie, die derzeit so lustvoll zelebriert wird!
Jeder nach ihren Bedürfnissen, es gibt so viele Angebote, die Marketing-Strategie holt uns alle ab. Die kleine Heile Welt wartet, das Rückzugsgebiet, der Schrebergarten der Erinnerung, bitte treten Sie ein! Hier z.B.: Hier ist immer Pink Floyd!