Leitartikel

Achtungserfolg und Bärendienst

d'Lëtzebuerger Land vom 23.06.2017

Die Verhandlungsführerinnen von OGBL und LCGB waren hocherfreut: „Perfekt“ sei die mit dem Krankenhausverband FHL am Dienstag gefundene Einigung über den neuen Kollektivvertrag, sagte Céline Conter vom LCGB. Sie entspreche „hundertprozentig unseren Vorstellungen“, erklärte Nora Back vom OGBL. Weil FHL-Präsident Paul Junck der Presse nur von „professionellen und konstruktiven Gesprächen“ erzählte, schien es, als hätten die Gewerkschaften mit der Drohung, die Spitäler zu bestreiken, das Krankenhaus-Patronat zum Einknicken gebracht und einen Sieg auf der ganzen Linie errungen. Zumal schon vergangene Woche ein ähnlicher „Durchbruch“ im Sozial- und Pflegesektor (SAS) erzielt wurde, ebenfalls zur Zufriedenheit von OGBL und LCGB.

Und die Gewerkschaften hatten ja auch Recht: Spital- wie SAS-Sektor sind mit dem öffentlichen Dienst „assimiliert“. Was dort an Verbesserungen vereinbart wird, muss für Kliniken, Pflegedienste oder Kinderheime per Kollektivvertrag nachvollzogen werden. So auch die noch von der vorigen Regierung mit der CGFP abgemachte Reform des Beamtenstatuts, die verschiedene Gehälterlaufbahnen aufgewertet hat. Unter anderem die der Erzieher und der Krankenpfleger. Das musste vor allem das kampferprobte OGBL-Syndikat Gesundheits- und Sozialwesen als Aufruf verstehen, sein über zwei Jahrzehnte langes Ringen für die gerechte Einstufung von Pflegern und Erziehern zu Ende zu führen: In den bisherigen Gehältertabellen rangieren sie unterhalb ihrer tatsächlichen Ausbildungsabschlüsse.

Dass das nicht fair ist, haben aber auch die „Patrons“ der FHL und der SAS-Betriebe im Grunde immer eingeräumt. Sie konnten das, weil sie Gewerkschaftsforderungen mühelos weiterreichen können an die Politik: Die Spitäler sind nahezu komplett öffentlich aus Krankenversicherung und Staatshaushalt finanziert. Die Pflegebetriebe hängen zwar weniger stark von der öffentlichen Hand ab, aber zu einem großen Teil. Die diversen Sozialeinrichtungen sind bald privat, bald staatlich konventioniert, bald kommunal geführt. Der Klassenkampf der letzten Wochen war in erster Linie einer um Geld der Allgemeinheit und gegen ein „Patronat“, das diese Bezeichnung nicht ohne weiteres verdient.

Deshalb ist es bei allem Verständnis für die berechtigten Forderungen von OGBL und LCGB genauso berechtigt zu fragen, inwiefern die nun beschlossenen Laufbahnaufwertungen im Interesse der Allgemeinheit sind. Noch sind keine Einzelheiten zu den Abmachungen publik, aber anscheinend steigt in den Spitälern das Gehalt eines Krankenpflegers am Laufbahnende ziemlich rasch von zurzeit 6 700 auf 8 200 Euro brutto im Monat. Nach 25 bis 26 Dienstjahren könnten Pflegerinnen und -pfleger sich dann, den „13. Monat“ eingerechnet, über ein Jahresgehalt von 106 000 Euro freuen, rund 24 Prozent mehr als heute.

Die Frage, ob solche Gehälter zu bezahlen sind, hatte schon die vorige Regierung mit Ja beantwortet, als sie die Laufbahnaufwertungen beim Staat vereinbarte. Die derzeitige Regierung bejahte sie Ende 2014 in einer Bipartite mit den Gewerkschaften ein zweites Mal. Aber es stellt sich nicht nur die Frage nach der Finanzierung durch Budgets von Staat, Gemeinden und Sozialkassen. Krankenhäuser, Pflegedienste, Altenheime und Kinderkrippen könnten auch beginnen, in verstärktem Maße niedriger qualifiziertes Personal einzustellen, das weniger kostet. Der Tag könnte kommen, an dem man sich der Durchbrüche vom Juni 2017 zwar als Achtungserfolge vor allem des OGBL erinnert. Aber auch als Bärendienst an der Qualität des service public Gesundheit, Pflege und Soziales.

Peter Feist
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