Selbstdarstellung

King of Shanghai

d'Lëtzebuerger Land du 07.01.2010

Heute loben wir die Kunst der Selbstdarstellung. Da wir mitten in der Weltwirtschaftskrise plötzlich so winzig und gerupft und fast schon zerfleddert aussehen, müssen wir unbedingt etwas tun, um unser lädiertes Image aufzubessern. Die Weltausstellung in Shanghai ist dazu die ideale Bühne. Wie sagt es unser Wirtschaftsminister? „Notre objectif premier est de profiter de cette formidable vitrine qu’est l’expo universelle de Shanghai 2010 pour présenter le Luxembourg et ses atouts au reste du monde“ (Le Jeudi, 31.12.2009). Das klingt gut. Luxemburg und der Rest der Welt. Wir und der Rest. Wir sind der Nabel, wir werden es den Chinesen zeigen. Also zweigen wir von den Staatsgeldern, die wir nicht mehr haben, 15 Millionen Euro ab, um der staunenden Statisterie kundzutun: Wir sind groß und stark und attraktiv und ungemein verführerisch.

Ein bisschen bange wird uns nur, wenn wir uns vor Augen führen, wie der ausgewählte Architekt seinen Auftrag versteht. Sein Expo-Pavillon ist eine windschiefe Hütte, eine Art zusammengesacktes Gespensterschloss, das wohl in der brutalen Hitze des globalen Klimawandels spektakulär dahinschmilzt. Die Anspielung auf aktuelle Öko-Katastrophen ist unübersehbar. Unser Mann aus Remerschen hat Mut. Ausgerechnet den Chinesen, den Weltmeistern der Umweltverschmutzung, kommt er mit einer extrem kritischen Metapher. Alles schön und gut, aber wie verträgt sich eine derart subversive Architektur mit dem Ziel, unser Land als Paradies für Investoren zu verkaufen?

Flüchten wir also schnell wieder unter die Fittiche unseres Wirtschaftsministers. Der hält sich nicht lange mit lästigen Details auf. Für ihn gibt es weder einen chinesischen Staat, noch ein chinesisches Volk. China ist nichts anderes als ein menschenleerer Wirtschaftsraum. Mit keinem Wort erwähnt der Minister die menschenverachtende Politik des kommunistischen Regimes. Begriffe wie Menschenrechte und Freiheit des Individuums hat er längst aus seinem sozialdemokratischen Vokabular gestrichen. Die Wirtschaft ist offenbar ein wertfreies Phänomen. Villeroy [&] Boch lässt grüßen.

Folgen wir unseren Neigungen, setzen wir all unsere Hoffnungen in einen anderen Sozialdemokraten, den Expo-Kommissar von Shanghai, Robert Goebbels. Dieser Held des permanenten Aufruhrs ist wenigstens um kritische Donnerschläge nicht verlegen. Soeben hat er hierzulande die sogenannten „Klimahysteriker“ in Grund und Boden verdammt. Mit einem einzigen Zeitungsaufsatz entlarvte er die 10 000 Klima-Disputanten von Kopenhagen als arme Spinner, also Halbverrückte, die sich maßlos verheddern in einem Szenario, das frei erfunden und daher höchst lächerlich ist. Robert Goebbels weiß: Es gibt gar keinen Klimawandel. Er weiß übrigens noch viel mehr. Jetzt kommt, was kommen muss: in seiner Rolle als Kommissar wird er sich mit den chinesischen Gewalthysterikern anlegen, und zwar so gründlich, dass die ganze chinesische Gewaltherrscherbande am Ende der Weltausstellung bei uns Luxemburgern um Gnade betteln wird.

Das Betörende an der Weltausstellung von Shanghai ist ja, dass im Luxemburger Pavillon eine kulturelle Plattform installiert werden soll. Le Jeudi formuliert es so: „Un espace culturel, avec une grande scène et une salle de conférences, sera amenagé dans cette tour centrale, l’idée étant de promouvoir les échanges culturels précisément, entre la Chine, le Luxembourg et accessoirement l’Union européenne.“ Da haben wir also ein wunderbares Instrument, um den Chinesen kulturell am Zeug zu flicken.

Wie wir hören, hat Robert Goebbels vor, nicht in die Falle der üblichen Heemechtsromantik zu tappen. In der luxemburgischen Expo-Kulturenklave werden also weder die loops von André Mergenthaler erklingen, noch die ländlichen Schunkelmelodien der Troaterbattien, noch der gepflegte background sound des Gast Waltzing-Syndikats. Nein, auf dieser Bühne wird Tacheles geredet, in bester Kulturtradition. Da wird nichts weniger als die Freiheit zelebriert, die kulturelle Op-tion der Luxemburger heißt: demokratische Grundlagenforschung.

Uns wundert daher nicht, dass Robert Goebbels schon eine Petition in Umlauf gebracht hat, um die chinesische Führung wegen ihres Umgangs mit dem Bürgerrechtler Liu Xiaobo zu geißeln. Unser Kommissar weiß, wovon er spricht: was Liu Xiaobo widerfuhr, ist ungefähr so, als wenn Robert Goebbels hierzulande wegen einer einzigen Zeitungspolemik der „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ bezichtigt und zu elf Jahren Gefängnis verurteilt würde. Da liegen also Welten zwischen unserem Verständnis der freien Meinungsäußerung und der systematischen Freiheitsberaubung durch die chinesischen Machthaber.

Wie es heißt, will Robert Goebbels während der gesamten Dauer der Shanghai-Expo Woche für Woche eine Journée des droits de l’homme anbieten. Da könnte sich der merkwürdig zerknitterte Pavillon schon fast wieder vor Stolz recken. Und entfernt an eine Festung erinnern.

Guy Rewenig
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